Pinot jubelt in Alpe d´Huez

Froome wehrt mit letzter Kraft Quintanas Angriff ab

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Chris Froome (Sky) erreicht völlig erschöpft das Ziel in Alpe d´Huez, kann sich aber... | Foto: Cor Vos

25.07.2015  |  (rsn) - Chris Froome (Sky) hat die letzte und entscheidende Hürde auf dem Weg zu seinem zweiten Toursieg nach 2013 genommen. Der 30 Jahre alte Brite überstand am Samstag auf dem Weg nach Alpe d’Huez mit viel Mühe die letzten Attacken von Nairo Quintana (Movistar), der dem Briten insgesamt 1:26 Minuten abnahm. Das reichte allerdings nicht, um den Rückstand von 2:38 Minuten noch wettzumachen, die er vor der 20. Etappe auf Froome hatte. .

Der Kolumbianer stand trotz eines herausragenden Auftritts am Ende mit leeren Händen da, denn zu seinem ersten Tour-Triumph fehlten ihm 1:12 Minuten und auch mit dem Etappensieg wurde es nichts. Den holte sich stattdessen nach 110 Kilometern von Modane Valfréjus zur Bergankunft auf 1850 Meter Höhe Thibaut Pinot, der mit 18 Sekunden vor Quintana das Ziel erreichte und den Franzosen den dritten Tageserfolg bei dieser Tour sicherte.

„Ich weiß nicht, ob es viel schwerere Anstiege in Frankreich gibt als Alpe d'Huez. Hier zu gewinnen ist etwas ganz Besonderes. Das heute ist mein wichtigster Sieg“, sagte der FDJ-Kapitän, der eine bisher für ihn so enttäuschend verlaufene Tour doch noch rettete. Der Vorjahresdritte musste am Ende ähnlich zittern wie Froome, nachdem Quintana zur Aufholjagd geblasen hatte.

„Es war wie im Blindflug, und dann, ab drei Kilometer vor dem Ziel, habe ich gehört, dass Quintana immer näher kommt. Ich habe versucht das zu meistern, aber die drei letzten Kilometer waren verdammt lang." Für Quintana waren sie dagegen nicht lang genug, so dass dem 25-Jährigen wie schon bei seinem Debüt vor zwei Jahren der zweite Gesamtplatz – wieder hinter Froome – sowie der Sieg in der Nachwuchswertung bleibt. „Ich habe an den beiden letzten Tagen alles probiert, aber Froome hat sehr gut verteidigt. Ich bin auch mit Rang zwei zufrieden“, kommentierte Quintana das Ergebnis.

„Ich hatte schon Angst, als Quintana angetreten ist. Ich wusste zwar, dass ich noch 2:28 Vorsprung auf ihn habe, aber es gab durchaus schwierige Momente, in denen ich dachte, vielleicht kann er ja gewinnen“, gab Froome zu, dass er in den berühmten 21 Kehren des 13,8 Kilometer langen Schlussanstiegs an seinem Sieg zweifelte. Doch diesmal konnte er auf gleich mehrere seiner Helfer vertrauen, nachdem gestern nur Wout Poels hatte mithalten können.

Der Niederländer zeichnete sich aus heute aus, entscheidend war aber die Vorstellung des wiedererstarkten Richie Porte, der sich bis zum Schlusskilometer vor seinen Kapitän spannte und den Schaden begrenzte. „Das war unglaublich heute, das Movistar-Team hat alles versucht. Aber zum Glück hat es meinem Freund Chris gereicht“, sagte Porte, der das Team zum Saisonende verlassen wird. Und nachdem er tief durchgeatmet hatte, konnte sich auch der in Kenia geborene Froome freuen: „Die Emotionen sind unglaublich. Ein Traum wird wahr. Was meine Teamkollegen heute geleistet haben, ist nicht zu beschreiben“, sprudelte es aus ihm heraus.

Aber nicht nur Movistar überragte heute – und brachte drei Fahrer in die Top Ten – sondern auch Sky zeigte sich ähnlich stark. Letztlich wurde Froome Etappenfünfter, 1:38 Minuten hinter Pinot, und zeitgleich hinter Alejandro Valverde, der wie erwartet gemeinsam mit Quintana schon am Croix-de-Fer das Gelbe Trikot attackierte und es dann wieder im Schlussanstieg probierte. Vor den beiden belegte der Kanadier Ryder Hesjedal (Cannondale-Garmin) Rang drei. Porte selber wurde noch Siebter hinter dem Franzosen Pierre Rolland (Europcar) , Poels belegte Rang neun vor dem Spanier Ruben Plaza (Lampre-Merida), dem Gewinner der 16. Etappe

Dagegen konnten die früheren Tour-Sieger Vincenzo Nibali (Astana), der durch einen Defekt unmittelbar vor dem Schlussanstieg entscheidend Zeit einbüßte, und auch Alberto Contador (Tinkoff-Saxo) nicht mithalten und kamen mit je 3:30 Minuten Rückstand an.

Im Gesamtklassement gab es auf den ersten zehn Plätzen nur eine Veränderung. Der Niederländer Baue Mollema (Trek) zog noch am Schweizer Mathias Frank (IAM) vorbei – der wie Nibali Defektpech hatte – und belegt nun Rang sieben. Froome, der auch das Bergtrikot gewann, führt vor der morgigen Tour d’honneur 1.12 Minuten vor Quintana und 5:25 Minuten vor Valverde, der sein bisher bestes Tour-Ergebnis in Paris wird verbuchen können.

Alexandre Geniez (FDJ) ging am Mittag unmittelbar nach dem scharfen Start als erster der noch 160 Profis in die Offensive. Dem Franzosen folgte der Litauer Ramunas Navardauskas (Cannondale-Garmin), kurz darauf machten der Däne Lars Bak (Lotto-Soudal) und Geniez‘ Landsmann Nicolas Edet (Cofidis) aus dem Duo ein Quartett, das vom Feld auf den ersten 25 flachen Kilometern einen Vorsprung von mehr als sieben Minuten zugestanden bekam.

Im Fuß des 29,1 Kilometer langen Col de la Croix de Fer (HC), der bereits zum dritten Tag in Folge – aus verschiedenen Richtungen - bewältigt werden musste, machten sich zahlreiche Fahrer aus dem von Sky angeführten Feld davon, so dass sich eine zehnköpfige Verfolgergruppe mit Warren Barguil (Giant-Alpecin), Rafal Majka (Tinkoff-Saxo), Ruben Plaza (Lampre-Merida), Andriy Grivko (Astana), Winner Anacona (Movistar), Bartosz Huzarski (Bora-Argon 18), Romain Sicard (Europcar), Steven Kruijswijk (Lotto-Jumbo), Bob Jungels (Trek) und Dylan van Baarle (Cannondale-Garmin) bildete – was wiederum Ag2R zur Reaktion zwang.

Um Bardets Bergtrikot zu verteidigen, löste nun die französische Equipe Froomes Helfer in der Verfolgung ab und holte die Zehnergruppe relativ schnell wieder zurück. An der Spitze schüttelte derweil Geniez, der kurz zuvor noch mit einem Defekt zurückgeworfen worden war, aber schnell wieder den Anschluss geschafft hatte, seine drei Begleiter ab.

Spannend wurde es kurz darauf im Feld, als Valverde rund drei Kilometer unterhalb des Gipfels attackierte und Sky zu einer Tempoverschärfung zwang, die zur Folge hatte, dass Froome mit Richie Porte schnell nur noch einen Helfer vor sich hatte und die Verfolgergruppe in ihre Bestandteile zerfiel.

Kurze Zeit später trat Quintana ein erstes Mal an und schloss zu Valverde auf, während Porte die Gruppe um Froome, Contador, Nibali und Pinot nachzog. Der Movistar-Plan ging allerdings nicht auf, da Valverde das Tempo seines Kapitäns nicht mitgehen konnte und Quintana auf den 35-Jährigen warten musste. Hinter Geniez und Navardauskas fuhren der Gesamtzweite und -dritte nur knapp vor Froome und Nibali über den Gipfel, wogegen Contador – ebenso wie Porte - auf dem letzten Kilometer vor der Bergwertung zurückgefallen war.

Unmittelbar vor der Kuppe konterte der Brite dann eine Attacke von Nibali und fuhr mit dem Italienischen Meister zu Valverde und Quintana vor. Und auch Porte, Contador und weitere Fahrer – darunter Froomes Helfer Nicolas Roche, Poels und Geraint Thomas - schlossen in der Abfahrt wieder zur Froome/Quintana-Gruppe auf, deren Besetzung sich aber schnell wieder änderte.

Denn Hesjedal, Winner Anacona (Movistar), Pinot, Pierre Rolland (Europcar), José Serpa und Ruben Plaza (Lampre-Merida) zogen davon und machten sich auf die Verfolgung von Geniez, Edet und Bak. Hesjedal konnte dabei auf Navardauskas als Lokomotive bauen, der sich von der Spitze hatte zurückfallen lassen. Die Maßnahme erwies sich als goldrichtig, denn die Gruppe schluckte nicht nur Bak und Edet 20 Kilometer vor dem Ziel, sondern hatte am Fuß der legendären Schlusssteigung mit ihren charakteristischen 21 Kehren den Rückstand gegenüber Geniez auf 1:30 Minuten verkürzt.

In der Gruppe um Froome und Quintana herrschte dagegen die Ruhe vor dem Sturm. Mit 3:30 Minuten Rückstand nahmen die beiden Favoriten den letzten Berg dieser Tour in Angriff – zunächst ohne Nibali, der wenige Meter vor dem Anstieg sein Rad nach einem Defekt wechseln musste – ebenso wie kurz darauf Frank. Beide schafften nicht mehr den Anschluss und kamen mit Rückstand ins Ziel.

Bereits in den unteren, steileren Passagen schraubte Quintana das Tempo nach oben, attackierte dann zweimal vergeblich, weil Poels schnell die Lücke wieder schloss. Doch Movistar hatte damit sein Pulver längst noch nicht verschossen. Kurz darauf zog Valverde davon - was aber nur der Prolog zur dritten Attacke von Quintana war, die knapp zehn Kilometer vor dem Ziel dann tatsächlich saß.

Zwar spannten sich Poles und Porte sofort vor ihnen Kapitän, doch der konnte phasenweise kaum das Tempo seiner Helfer mitgehen und büßte Sekunde um Sekunde auf Quintana ein, der schnell zur Valverde aufschloss, ihn acht Kilometer vor dem Ziel stehen ließ, dann aber noch auf Anacona bauen konnte, der sich für weitere drei Kilometer für seinen Landsmann und Kapitän aufopferte.

Wie bereits gestern, so konnte Quintana auf den letzten fünf Kilometern nochmals antreten, zog an Anacona vorbei und machte sich auf die Jagd nach dem Etappensieg und das Gelbe Trikot. Doch obwohl er auch noch Hesjedal auffuhr und den Rückstand gegenüber Pinot Meter um Meter reduzieren konnte, reichte es nicht, um den 25-Jährigen noch einzufangen. Und auch der Griff nach dem Gelben Trikot misslang letztlich, weil Froome im oberen, nicht mehr so steilen Teil des Anstieges kaum noch Zeit einbüßte und auf dem letzten Kilometer sogar nochmals zulegen konnte und gemeinsam mit Valverde das Ziel erreichte.

Den Kampf um den Tagessieg hatte bereits zwölf Kilometer vor dem Ziel Hesjedal, der sich und seinem Team unbedingt den ersten Etappenerfolg bei dieser Tour sichern wollte, eröffnet. Doch Pinot, für dessen FDJ-Equipe das Rennen bisher ähnlich erfolglos wie für Cannondale-Garmin verlaufen war, hatte das gleiche Ziel, hängte sich an den Giro-Sieger von 2012 dran und hängte Hesjedal kurz darauf sogar ab, um zu seinem Teamkollegen Geniez aufzuschließen. Doch der Kanadier gab nicht auf, kämpfte sich wieder zurück und setzte die Gegenattacke, die wiederum Pinot konterte, um dann den letztlich entscheidenden Angriff zu setzen, der ihm den größten Sieg seiner Karriere bringen sollte.

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