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07.01.2016 | (rsn) - Nach einem harten WM-Straßenrennen rollt Romy Kasper völlig ausgepumpt und mit regennassem Gesicht, aber gleichzeitig einem breiten Grinsen durch die Mixed Zone von Richmond. "Dass ich die Leistung bei der WM abrufen kann - unglaublich", freut sich die 27-Jährige, die das Ziel als 31. gesehen hat.
Das Ergebnis an sich wäre nichts, was zu Freudensprüngen verleiten dürfte, doch das ist Kasper gewohnt. Sie ist auch bei ihrem Team Boels-Dolmans fast nie diejenige, die die Lorbeeren einfährt, sondern eine fleißige Arbeitsbiene. Kasper rackert über das Jahr für Lizzie Armitstead und dürfte auch deshalb in Richmond am Ende Grund zur Freude gehabt haben, weil die Britin den WM-Titel gewann. So fährt sie nun im Dienst des Regenbogentrikots.
"Leute wie Lizzie oder Danny (Stam, ihr Sportdirektor) wissen, dass ich mir bis zum letzten Meter den Arsch aufreiße", sagt sie. "Deshalb werde ich auch nicht an den Ergebnissen gemessen." Ihre Vertragsverlängerung für die Saison 2016 - ihre vierte in dem niederländischen Team - hatte sie daher recht früh in der Tasche, obwohl bis auf den achten Platz bei der Deutschen Meisterschaft in Bensheim kein Top-10-Resultat außerhalb von Mannschaftszeitfahren in ihrer Saisonstatistik steht.
"Sicher würde ich mich freuen, wenn ich noch ein besseres Ergebnis hätte. Aber ich weiß, dass ich Helferin bin und bin damit glücklich", so Kasper, die diese Rolle auch in Richmond erfüllte, als sie mehrere Angriffe der Konkurrenz mitging und schließlich in einer neunköpfigen Spitzengruppe auf die Schlussrunde kam, in der sie sich auf Geheiß von Bundestrainer André Korff aber zurückhielt. "Ich werde mich sicher nicht gegen das Team stellen, um auf eigene Kappe zu fahren, wenn ich bei Olympia in Rio dabei sein will", winkt sie angesichts der Spekulationen ab, dass bei besserer Zusammenarbeit der Spitzengruppe ein Top-Ergebnis möglich gewesen wäre.
Für Rio aber, das weiß auch Kasper, braucht sie noch ein paar Ergebnisse - für sich selbst, und auch fürs Team, damit Deutschland bei den Olympischen Spielen vier Startplätze hat. "Das Frühjahr wird wichtig", sagt Kasper, die ein ähnliches Rennprogramm vor sich hat wie 2015. Los geht es in Katar und über die "Strade Bianche" in der Toskana zu beinahe allen belgisch-niederländischen Frühjahrs-Klassikern. Dabei hofft sie vor allem beim Women's WorldTour-Rennen Ronde van Drenthe, wo sie 2015 Zwölfte war, auf Chancen, sich im Finale noch zu zeigen.
Richtig bergige Rennen sind nicht Kaspers Stärke, weshalb auch die Trofeo Alfredo Binda im März und der Flèche Wallonne im April seit 2012 nicht mehr auf ihrem Rennplan standen, doch für Rio sieht sie sich trotzdem als geeignete Wahl. "Es ist nicht das ganze Olympiarennen schwer, sondern nur das Finale. Davor werden trotzdem Leute gebraucht, die die Arbeit übernehmen", ist sie sicher.
Was sich 2016 nicht wiederholen darf, wenn Kasper im August als Athletin nach Brasilien reisen will, ist der 25. April 2015. Da nämlich stürzte sie beim niederländischen Omloop van Borsele schwer und zog sich einen Schlüsselbeinbruch zu. "Die erste Woche danach war gerade psychisch ein krasser Rückschlag", erinnert sie sich heute, dass sie einfach nicht wusste, was sie erwartet und Angst vor vier Wochen ohne Rad hatte.
Doch tatsächlich saß sie sechs Tage nach dem Sturz und vier Tage nach einer erfolgreichen Operation wieder auf der Rolle sowie nach anderthalb Wochen wieder auf dem Straßenrad. "Ich hatte den Rückhalt von Dr. Brock aus Leipzig, der gesagt hat: Es ist operiert und Du kannst alles machen, was schmerzfrei geht", so Kasper, deren Trainer Mario Vonhof ihr half, das Gute zu sehen: "Er hat gesagt: Es war der richtige Zeitpunkt, denn so habe ich Dich wenigstens für eine einwöchige Pause vom Rad bekommen." Diese Trainingspause war am Ende des harten Frühjahrs ohnehin geplant, und so litt nur die Erholung unter der Verletzung, weniger das Rennprogramm.
Trotzdem: Kaspers Auftritt bei der WM in Richmond war am Ende einer Saison mit Schlüsselbeinbruch nicht selbstverständlich. Und so fällt ihr auch ein Vierteljahr später sofort dieser Tag ein, wenn man sie nach dem Höhepunkt ihres Jahres 2015 fragt. "Definitiv die WM - mein eigenes Rennen dort! Das hätte ich nach dieser Saison nicht erwartet."
Hier punktete Kasper 2015:
13. Omloop Het Nieuwsblad (1,5 Punkte)
12. Ronde van Drenthe (8)
2. Mannschaftszeitfahren Energiewacht Tour (4)
3. Mannschaftszeitfahren Vargarda (3)
Romy Kasper im Interview nach dem WM-Straßenrennen von Richmond: