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01.02.2016 | (rsn) - Das Regenbogentrikot verloren, aber trotzdem einen großen Schritt nach vorne gemacht: So könnte man Lisa Brennauers Jahr 2015 wohl in einem Satz zusammenfassen. Doch für die Allgäuerin bedeutete die "Saison 1" nach ihrem Weltmeistertitel im Einzelzeitfahren viel mehr. Brennauer wurde plötzlich vom Talent zu einer der meistgefragten Fahrerinnen im Peloton.
"Man ist auf einmal Ansprechpartner für viele Sachen und muss mehr Termine wahrnehmen", sagt die 27-Jährige. "Aber wenn man das gut strukturiert, klappt es und man kann dem Frauen-Radsport so auch viel zurückgeben." Gerade der abschließende Nebensatz erklärt auch, warum Brennauer gerne als Sprachrohr hergenommen wird: Die Allgäuerin macht es gerne. Sie ist sich der Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit bewusst, ist immer höflich und macht sich sehr genaue Gedanken über ihre Aussagen.
Umso beeindruckender, dass es auch sportlich weiter bergauf ging. "Ich habe versucht, nach dem WM-Titel nicht zu übermütig in die Saison zu gehen, den Erfolg aber auch nicht zu arg sacken zu lassen. Man muss eine Balance finden, und ich denke das ist mir ganz gut geglückt. Ich habe nicht viel anders gemacht als im Jahr zuvor, weil ich auf einem guten Weg war."
Tatsächlich scheinen die Leistungen im Jahr 2015 eine konsequente Fortsetzung dessen zu sein, was Brennauer 2014 andeutete, als sie im Sommer immer stärker fuhr, Platz drei bei der Thüringen-Rundfahrt belegte und Zweite der Boels Rental Ladies Tour wurde. Ihre Endschnelligkeit wurde größer und über ihre Konstanz zeigte sich, dass sie auch für Rundfahrten - solange sie keine allzu langen und hohen Berge beinhalten - gut geeignet ist.
Der Saisonstart 2015 geriet allerdings etwas stockend. Wer nach der fulminanten WM 2014 in Ponferrada gleich bei der Katar-Rundfahrt ein Feuerwerk erwartete, wurde enttäuscht. "Im Allgäu ist im Winter nicht immer das beste Wetter, um mega viele Stunden zu trainieren", grinst Brennauer. "Deshalb dauert es im Frühjahr immer etwas, bis ich richtig in Schwung komme." Doch schon Anfang April ließ sie aufhorchen und gewann die Energiewacht Tour - Brennauers erster Rundfahrtsieg, auf den noch der bei der lukrativsten Rundfahrt des Jahres, der Aviva Women's Tour in England, und der bei der Boels Rental Ladies Tour folgten.
"Ich war schon immer eine gute Rundfahrerin, denn ich erhole mich ganz gut. Ich hatte öfter Gelbe Trikots, konnte sie aber nicht verteidigen. 2015 war ich jetzt soweit - körperlich, mental und durch die Unterstützung des Teams - so ein Ding nach Hause zu bringen", meint Brennauer. Bei allen drei Erfolgen spielte die Unterstützung ihrer Mannschaft eine große Rolle, besonders sichtbar wurde das am Schlusstag der Boels Rental Ladies Tour, als Trixi Worrack und Alena Amialiusik sich sprichwörtlich ins Delirium fuhren, um Brennauers Trikot zu verteidigen.
"Es war bis zum letzten Kilometer am Cauberg alles möglich. Aber da habe ich nur noch gedacht: So hart wie die für Dich gearbeitet haben, kannst Du es nicht auf Dir sitzen lassen, wenn es nicht klappt!" Und tatsächlich erklomm sie den berühmten Anstieg in Valkenburg mit den besten Klettererinnen und feierte den Gesamtsieg.
Eine Enttäuschung gab es für Brennauer, die sich trotz aller Rundfahrtsiege weiterhin in erster Linie als Zeitfahrerin bezeichnet, dennoch auch 2015. Nicht die Zeitfahr-DM, die sie gesundheitlich angeschlagen gegen Mieke Kröger verlor und auch nicht das WM-Zeitfahren, das sie diesmal auf Rang drei hinter Linda Villumsen und Anna Van der Breggen - mit fünf Sekunden Rückstand auf Gold - beendete, nein, Brennauer spricht von der Thüringen-Rundfahrt.
Dort verlor sie erst am letzten Tag die Gesamtführung an Emma Johansson. "Das war echt eine Enttäuschung", sagt sie. "Ich bin danach nicht in ein Loch gefallen, weil es eine Fahrerin war, die die Rundfahrt schon mehrfach gewonnen hat und mich genau kennt. Aber es war sehr schade!"
Das WM-Zeitfahren hingegen sieht Brennauer trotz des verlorenen Regenbogentrikots positiv. "Es war eine Bestätigung für mich, wieder auf dem Podium zu stehen und zu zeigen: Ich bin hier und immer noch so stark wie im Jahr zuvor", erklärt sie angesichts der knappen Niederlage, die genauso gut auch ein knapper Sieg hätte werden können. "Ich bin, keine Ahnung wieso, früher als normal von der Rolle runter und habe mich nicht zu 100 Prozent an meine Routine gehalten, die mich sonst so stark gemacht hat. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die entscheidenden Kleinigkeiten ausgemacht habe, aber ich habe daraus gelernt, dass ich zu meiner Routine stehen muss."
In Rio de Janeiro wird Brennauer am 10. August also wieder etwas später von der Rolle steigen, um sich auf einem sehr schweren Zeitfahrkurs "einen sportlichen Lebenstraum zu erfüllen" - ob das Olympia-Gold, -Silber oder -Bronze bedeuten würde, soweit will sie zu Saisonbeginn aber noch nicht denken. "Mindestens eine respektable Leistung", formuliert die 27-Jährige das Ziel vorsichtig. Ihr Weg nach Rio beginnt am Dienstag in Doha mit der Katar-Rundfahrt und Brennauer war in diesem Winter viel in Spanien - mal sehen, wie viel stärker sie daher diesmal schon beim Saisonstart ist.
Hier punktete Brennauer 2015:
12. Novilon Eurocup (2 Punkte)
2., 1., 3., 4. auf Etappen der Energiewacht Tour (12 Punkte)
1. Gesamt Energiewacht Tour (25 Punkte)
1. Etappe 3, Gracia Orlova (8 Punkte)
10. Gesamt Gracia Orlova (3 Punkte)
8. Tour of California ITT (10 Punkte)
3. Diamond Tour (24 Punkte)
2., 2., 6., 1., 4. auf den Etappen der Women's Tour (37 Punkte)
1. Punktewertung Women's Tour (8 Punkte)
1. Gesamt Women's Tour (50 Punkte)
2. DM Zeitfahren (8 Punkte)
3. DM Straße (6 Punkte)
1., 3., 1., 5., 7. auf Etappen der Thüringen Rundfahrt (40 Punkte)
5. Bergwertung Thüringen Rundfahrt (1 Punkt)
5. Gesamt Thüringen Rundfahrt (17 Punkte)
6. La Course by Le Tour (14 Punkte)
2. Weltcup Mannschaftszeitfahren Vargarda (10 Punkte)
3. Weltcup Vargarda (42 Punkte)
1., 1., 3. auf Etappen der Boels Ladies Tour (36 Punkte)
4. Punktewertung Boels Ladies Tour (2 Punkte)
1. Gesamt Boels Ladies Tour (50 Punkte)
1. WM Mannschaftszeitfahren (20 Punkte)
3. WM Einzelzeitfahren (42 Punkte)
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