Vorschau 102. Lüttich-Bastogne-Lüttich

Steile Anstiege, ein klarer Favorit und das Wetter als Unbekannte

Von Daniel Brickwedde

Foto zu dem Text "Steile Anstiege, ein klarer Favorit und das Wetter als Unbekannte"
Lüttich-Bastogne-Lüttich 2015 | Foto: Cor Vos

23.04.2016  |  (rsn) - Eigentlich dürfte die Sache klar sein. Wenn Alejandro Valverde (Movistar) den Flèche Wallonne gewann, triumphierte er wenige Tage später auch meist bei Lüttich-Bastogne-Lüttich. So geschehen 2006 und 2015 – nur 2014 schaffte er das Doppel nicht. Gelingt dem Spanier in diesem Jahr der dritte Streich und der vierte Sieg insgesamt?

>Die Wiederholung des Doubles aus dem Vorjahr wäre zudem historisch: In der langen Geschichte der Ardennen-Klassiker gelang das zuletzt Ferdy Kübler in den Jahren 1951 und 1952 – lange ist es her. Mit seinem Erfolg beim Flèche Wallonne hat der Spanier zumindest den ersten Teil erfüllt und sich zum großen Favoriten für Lüttich-Bastogne-Lüttich aufgeschwungen.

Die Strecke: Das Rennen trägt den ehrfürchtigen Beinamen "La Doyenne“ – die Älteste. Kein Monument ist älter und besonders unter den drei Ardennen-Klassikern gilt Lüttich-Bastogne-Lüttich als das Schwerste. 1892 ins Leben gerufen, begeben sich die Profis in diesem Jahr zum 102. Mal auf den Ritt durch die Ardennen. Die Strecke ist beinahe dieselbe wie im Vorjahr: Start ist in Lüttich, das Ziel in Ans und dazwischen liegen 253 Kilometern mit 4.500 Höhenmetern und einem Wendepunkt in Bastogne.

Entscheidend ist der Rückweg nach Lüttich: Neun der zehn kurzen, aber extrem steilen Anstiege stehen auf den letzten 100 Kilometern im Profil und folgen teils in schneller Abfolge aufeinander. Keine Chance zum Ausruhen – gefahren wird am Anschlag. Das Finale dürfte auch diesmal wieder an der Côte de la Redoute (max. 17 Prozent Steigung) bei Kilometer 216 eingeläutet werden. Im Anschluss warten mit der Côte de la Roche-aux-Faucons (max. 11 Prozent), der berüchtigten Côte de Saint-Nicolas (8,6 Prozent) und dem neuen Anstieg Côte de la Rue Naniot (max. 10,5 Prozent) weitere Schwergewichte, bevor die Fahrer an der Schlusssteigung zum Ziel im Lütticher Vorort Ans den Sieg unter sich ausmachen.

In der Regel läuft hier vieles wieder zusammen, das Taktieren beginnt und der Fahrer mit der explosivsten Mischung aus Kletterhärte und Sprintspritzigkeit kann sich Hoffnungen auf den großen Sieg machen. Oder gelingt diesmal doch ein überraschender Ausreißercoup?

Das Besondere: Eine entscheidende Komponente in diesem Jahr könnte das Wetter spielen. Oft mit hervorragenden Frühlingsbedingungen gesegnet, sagt der Wetterbericht in diesem Jahr einen Temperatursturz, Regen und teilweise sogar Schnee voraus. Bedingungen, die das Rennen ordentlich durcheinanderbringen könnten.

Die Favoriten: Der ganz große Favorit ist Alejandro Valverde. Dass seine Form stimmt, zeigte er mit seinem überragenden Sieg beim Flèche und gerade das Finale von Lüttich ist maßgeschneidert für den Spanier. Am Schlussanstieg kaum abzuschütteln, verfügt der 36-Jährige auch noch über explosive Sprintfähigkeiten.

Noch am dichtesten Valverde auf den Fersen war beim Flèche das Etixx-QuickStep-Duo Julian Alaphilippe und Daniel Martin. Der 23-jährige Alaphilippe scheint sich zur festen Größe für die Ardennen zu entwickeln. Mit Platz zwei beim Flèche bewies der kleine Franzose, dass seine überraschenden Podiumsplätze aus dem Vorjahr keine Eintagsfliege waren. Bei Lüttich musste Alaphilippe sich vergangenes Jahr nur Valverde geschlagen geben. Bereits ganz oben auf dem Podium in Ans stand Daniel Martin.

Der Dritte des diesjährigen Flèche Wallonne setzte sich 2013 am Schlussanstieg ab, schüttelte mit Joaquim Rodriguez (Katusha) seinen letzten Begleiter ab und gewann in beeindruckender Manier. Ein Jahr später wäre dem Iren beinahe der zweite Coup in Folge gelungen, doch in der letzten Kurve rutsche Martin weg, fand sich auf den Boden wieder und musste mit ansehen, wie Simon Gerrans (Orica- GreenEdge) sich den Sieg holte.

Der Australier ist mit seinen Fähigkeiten auch in diesem Jahr zu beachten. Zusätzlich zur schweren Strecke trägt auch das Starterfeld zur Schwere des Rennens bei. Kein anderer Klassiker versammelt so eine hohe Dichte an Top-Fahrern, da der Kurs auch Chancen für die Rundfahrer bietet. Die Startliste ist gespickt mit weiteren großen Namen wie Chris Froome (Sky), Richie Porte (BMC) oder Vincenzo Nibali (Astana), der das Rennen 2012 bereits auf Platz zwei beendete. Auch der Spanier Rodriguez sah in der Vergangenheit immer gut aus. Zwei zweite und ein dritter Platz stehen in seiner Vita – der große Sieg fehlt dem 36-jährigen Katalanen allerdings noch.

Mit seinem Triumph beim Amstel Gold Race konnte sich Enrico Gasparotto (Want-Groupe Gobert) nach langer Durststrecke wieder ins Rampenlicht fahren. Der 34-jährige Italiener hat im Spätherbst seiner Karriere noch einmal Auftrieb erhalten und dürfte im Finale ebenso zu beachten sein wie der nimmermüde Tim Wellens (Lotto Soudal) oder explosive Fahrer wie Diego Ulissi (Lampre-Merida), das Ag2r-Duo Romain Bardet und Domenico Pozzovivo oder der Zweite vom Amstel Gold Race, Michael Valgren (Tinkoff).

Ein Fragezeichen steht hinter Ex-Weltmeister Michal Kwiatkowski (Sky). Eigentlich ein Mann für die Ardennen, verlor der Pole beim Amstel Gold Race früh den Anschluss und zog es danach vor, in Spanien zu trainieren anstatt am Flèche teilzunehmen. Fraglich, ob Kwiatkowski seine Form wieder gefunden haben wird. Vielleicht baut Sky aber auch auf Wouter Poels. Der Niederländer wusste mit Platz vier beim Flèche überzeugen.

Von den sieben deutschen Startern gehört keiner zu den Top Ten-Kandidaten. Das ProContinental-Team Bora-Argon 18 hat erneut eine Wildcard erhalten und setzt auf das deutsche Trio Dominik Nerz, Emanuel Buchmann und Paul Voß. Außerdem stehen Björn Thurau (Wanty-Groupe Gobert), Simon Geschke, Johannes Fröhlinger (Giant-Alpecin) und Paul Martens (LottoNL) am Start in Lüttich. Beste Chancen der insgesamt sieben Teilnehmer dürften Geschke - der 2013 Neunzehnter wurde - und Martens - 2011 auf Rang 13 - haben.

Die Anstiege:
Name km Länge Steigung
1) Côte de La Roche-en Ardenne 78,5km 2,8km 6,2%

2) Côte de Saint-Roch 125,0km
 1,0km 11,2%

3) Côte de Wanne 168,5km 
2,8km 7,4%

4) Côte de la Haute-Levée 179,0km 
 3,6km 5,6%

5) Col du Rosier 192,0km 
 4,4km 5,9%

6) Col du Maquisard 204,5km 
 2,0km 5,0%

7) Côte de La Redoute 216,5km 
 2,0km 8,9%

8) Côte de La Roche-aux-Faucons 232,5km 
 1,3km 11,0%

9) Côte de Saint-Nicolas 246,5km 
 1,2km 8,6%

10) Côte de la Rue Naniot 250,5km 
 0,6km 10,5%


Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

23.04.2022Poels bescherte Team Sky den ersten Sieg bei einem Monument

(rsn) – Wout Poels bescherte 2016 dem Team Sky im siebten Jahr des Bestehens endlich den ersten Sieg bei einem der fünf Radsport-Monumente. Der 28-jährige Niederländer verwies bei der unter extre

25.04.2016Alaphilippe: "Wir Fahrer haben manchmal ein Hundeleben"

(rsn) – Ohne einen Sieg in einem der großen Klassiker endet für Etixx-Quick-Step die Frühjahrssaison. Auch bei der 102. Auflage von Lüttich-Bastogne-Lüttich gelang keinem Fahrer des belgischen

25.04.2016Valverde wurde an der Côte de la Rue Naniot überrascht

(rsn) – Alejandro Valverde (Movistar) wäre es wahrscheinlich lieber gewesen, wenn die Organisatoren beim 102. Lüttich-Bastogne-Lüttich auf die Côte de la Rue Naniot verzichtet hätten. Der zwar

25.04.2016Schneestürme, Kälte und ein Überraschungssieger

(rsn) - Heftige Schneestürme, bittere Kälte, strahlender Sonnenschein und einen Überraschungssieger - die 102. Auflage von Lüttich-Bastogne-Lüttich bot den Zuschauern am Sonntag ein großes Spekt

25.04.2016Kostete ein zu kleiner Gang Albasini in Ans den Sieg?

(rsn) – Das australische Orica-GreenEdge-Team war bei den Ardennen-Klassikern mit dem Ziel angetreten, eines der drei Rennen zu gewinnen. Die besten Chancen gestand die Sportliche Leitung dabei Mich

24.04.2016Geschke: "So schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt"

(rsn) - Ein kleiner Becher heißer Tee war für Simon Geschke (Giant-Alpecin) nach der 102. Austragung des Klassikers Lüttich-Bastogne-Lüttich die größte Wohltat. Obwohl der Etappensieger der letz

24.04.2016Erst auf der Zielgeraden in Ans ging Konrad die Kraft aus

(rsn) – Patrick Konrad (Bora-Argon 18) hat seine herausragende Form vom Giro del Trentino mit nach Belgien genommen und bei der 102. Auflage von Lüttich-Bastogne-Lüttich einen erstklassigen 15. Pl

24.04.2016Poels triumphiert bei "La Doyenne", Albasini knapp geschlagen

(rsn) – Wout Poels (Sky) hat die 102. Auflage von Lüttich-Bastogne-Lüttich gewonnen. Der 28 Jahre alte Niederländer entschied bei extrem schlechten Witterungsbedingungen den letzten der drei Arde

24.04.2016Bora-Chef Denk: "Bei Valverde bleiben, ist die beste Taktik"

(rsn) - Auf den drei Bergetappen des Giro del Trentino, der Freitag zu Ende ging, glänzten die Bora-Argon-18-Talente Emanuel Buchmann (23) und Patrick Konrad (24) in Spitzengruppen. Heute stehen die

24.04.2016Nibali: "Die Beine werden nicht viel besser reagieren"

(rsn) – Vincenzo Nibali (Astana) zählt Jahr für Jahr zu den Profis, die in der Favoritenliste zu Lüttich-Bastogne-Lüttich auftauchen. Auch bei der heute stattfindenden 102. Auflage des Ardennen-

24.04.2016Thurau plant Angriff an der Redoute - wenn die Beine mitmachen

(rsn) - In den Ardennen ist Björn Thurau (Wanty – Groupe Gobert) auf der Flucht. Beim Amstel Gold Race und dem Flèche Wallone attackierte der Sohn des ehemalige Tour-Stars Didi Thurau aus dem Feld

24.04.2016Valverde sorgt sich mehr ums Wetter als um den neuen Anstieg

(rsn) – Alejandro Valverde (Movistar) kann am heutigen Sonntag zum Abschluss der Ardennen-Kampagne ein weiteres Kapitel Radsport-Geschichte schreiben. Sollte der Titelverteidiger die 102. Auflage vo

Weitere Radsportnachrichten

21.11.2024Tarling will Fokus auf Klassiker legen

(rsn) – Wenn Josh Tarling (Ineos Grenadiers) erfolgreich ist, dann im Zeitfahren. Als der heute 20-Jährige vor zwei Jahren den Sprung von den Junioren direkt zu den Profis machte, überzeugte der B

21.11.2024GPS-Tracking: Tour de Suisse und Tour of Austria wollen UCI zuvorkommen

(rsn) – Die tödlichen Unfälle von Gino Mäder, André Drege und Muriel Furrer in den vergangenen 17 Monaten werden zumindest bei Rundfahrten in der DACH-Region, also in Deutschland, Österreich un

21.11.2024Wiggins-Schulden deutlich höher als zunächst angenommen

(rsn) – Offenbar sind die Schulden von Bradley Wiggins deutlich höher als bisher angenommen. Als im Juni ein Insolvenzverfahren gegen den Tour-de-France-Sieger von 2012 eröffnet wurde, weil seine

21.11.2024Uijtdebroeks denkt über Rallye-Karriere nach

(rsn) – Seine Profikarriere als Radsportler hat kaum begonnen, da macht sich Cian Uijtdebroeks schon Gedanken über die Zeit danach. Der 21-Jährige hat jüngst in einem Interview mit Het Nieuwsblad

21.11.2024Pogacar schließt Start bei Paris-Roubaix nicht aus

(rsn) – Fährt er, oder fährt er nicht? Zuletzt schien es so, als wolle Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) für die nächsten Jahre noch einen Bogen um Paris-Roubaix machen. Doch neue Aussagen des 2

21.11.2024Nach Dopingsperre jetzt Haft auf Bewährung gefordert

(rsn) - Nach vier Jahren Dopingsperre aufgrund eines positiven Test auf Epo im Jahr 2019 droht der früheren französischen Radsportlerin Marion Sicot jetzt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung.

21.11.2024Amador beendet Karriere trotz Vertrag, Movistar macht Nägel mit Köpfen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

20.11.2024Pieterse gibt ihr Cross-Programm bekannt

(rsn) – Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) hat auf ihren Social-Media-Kanälen ihr Programm für den Winter bekannt gegeben. Die 22-Jährige steigt erst Mitte Dezember be

20.11.2024Das Pech zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr

(rsn) – Nach einer starken Saison 2023, als er Deutscher U23-Meister auf der Straße und im Zeitfahren wurde sowie einen sechsten Platz im WM-Straßenrennen der Espoirs einfuhr, ging Moritz Kretschy

20.11.2024Die negativen Erlebnisse übermalten die positiven

(rsn) - Eigentlich hatte sich Marco Schrettl (Tirol - KTM) 2024 vorgenommen mit tollen Leistungen eine starke Empfehlung an die besten Teams des Straßenradsports abzugeben, doch ganz klappte der ambi

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

20.11.2024Drei Mal Gold zu holen bleibt ein Traum

(rsn) – Madison-Gold bei EM und WM, dazu zwei Podien in UCI-Rennen auf der Straße. Für Roger Kluge (rad-net – Oßwald) lief die Saison 2024 eigentlich perfekt, wäre da nicht die Enttäuschung b

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine