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26.09.2021 | (rsn) - Julian Alaphilippe hat den favorisierten Belgiern zum Abschluss der Weltmeisterschaften in Flandern einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht und mit einem fabelhaften Auftritt wie schon 2019 in Imola das Regenbogentrikot gewonnen. Der 29-jährige Franzose schüttelte mit einer ganzen Reihe von Attacken im Finale alle seine Konkurrenten ab und erreichte nach 268,3 Kilometern von Antwerpen nach Leuven als Solist das Ziel.
“Im letzten Jahr ging für mich schon ein Traum in Erfüllung. Ich bin diesmal entsprechend entspannt, aber mit großer Motivation angetreten. Es ging einfach darum, das bestmögliche Resultat herauszuholen, noch heute früh hatte ich mich nicht damit beschäftigt, ob ich hier Weltmeister werden könnte. Ich habe mich gut gefühlt, in den letzten Wochen gut gearbeitet. Im Finale konnte ich dann eine Selektion herbeiführen und hatte dabei die Unterstützung von Florian Senechal und Valentin Madouas“, sagte Alaphilippe, der seine entscheidende Attacke 17 Kilometer vor dem Ziel am St. Antoniusberg setzte und seinen Vorsprung souverän bis ins Ziel verteidigte.
“Mir fehlen die Worte, ich bin einfach sehr glücklich. Als ich als Solist vorne war, war es schrecklich, brutal hart. Ob ich wie Sagan drei Mal in Folge Weltmeister werden kann? Das wird sich zeigen“, beantwortete er die Frage, ob er dem Slowaken, der von 2015 bis 2017 jeweils das Regenbogentrikot holen konnte, wird nachfolgen können. Der 31-jährige Sagan belegte in Leuven Platz 26.
Belgier und Italiener gehen leer aus
32 Sekunden hinter dem überragenden Alaphilippe blieb einer vierköpfigen Verfolgergruppe nur noch der Sprint um Silber, den der Niederländer Dylan van Baarle vor dem Dänen Michael Valgren, dem Belgier Jasper Stuyven und dem überraschend starken US-Amerikaner Neilson Powless für sich entschied. “Das ist echt verrückt. Vor drei Wochen konnte ich noch nicht richtig laufen (Beckenriss bei der Vuelta, d. Red). Wäre die WM fünf Tage früher gewesen, hätte ich es wohl nicht rechtzeitig geschafft. Aber das Rennen war heute und ich habe jetzt Silber", strahlte der 29-jährige van Baarle im Ziel.
"Diese Bronzemedaille ist also super cool. Eines Tages will ich aber auch Weltmeister werden", sagte der gleichaltrige Valgren, der die starke kollektive Leistung der Dänen mit Edelmetall krönte
Dagegen gingen die tief enttäuschten Gastgeber leer aus. "Als Alaphilippe wegfuhr, sagte mir Van Aert, dass er nicht seinen besten Tag hatte. Plan A war, für Wout zu fahren. Vielleicht bin ich dadurch am Ende nicht ganz vorne gelandet. Ich sprint um Platz zwei sind wir förmlich gekrochen. Dass ich es nicht auf das Podium geschafft habe, ist bitter. Ich hätte gerne eine Medaille geholt. Dass ich es nicht geschafft habe, ist aber nicht die Schuld von Wout. Wir sind hier angetreten, um mit ihm zu gewinnen", kommentierte der aus Leuven stammende Stuyven seinen vierten Platz.
Van Aert konnte Alaphilippe nicht folgen
Top-Favorit Van Aert konnte Alaphilippes Tempoverschärfungen nicht folgen und wurde 1:18 Minuten hinter dem Titelverteidiger nur Elfter, drei Positionen hinter dem zeitgleichen Mathieu van der Poel, dessen Team sich zumindest über den durchaus überraschenden zweiten Platz von van Baarle freuen konnte. Gleiches galt für die Dänen, die in Gestalt von Valgren die Bronzemedaille mit nach Hause nehmen konnten. Dagegen fuhren auch die hoch gehandelten Italiener ohne Medaille nach Hause. Europameister Sonny Colbrelli war auf Rang zehn ihr Bester.
Durchwachsen fiel die Bilanz des deutschen Teams aus. Maximilian Schachmann und John Degenkolb mussten nach Stürzen das Rennen aufgeben, so dass Kapitän Nils Politt zwei seiner wichtigsten Helfer einbüßte. Der Hürther zeigte aber eine starke Vorstellung, ging mehrfach in die Offensive und wurde schließlich mit 5:25 Minuten Rückstand Sechzehnter. “Es war ein total hartes Rennen. Ich denke, ich habe es eigentlich ganz gut geschafft, vorne auf Position zu fahren. Ich weiß nicht, was heute an den Pflasteranstiegen los war, aber auf jeden Fall waren es heute nicht meine Freunde. Zwei Mal liefen die Beine nicht an dem Pflasteranstieg, ich habe nicht den Druck auf die Kette bekommen“, kommentierte Politt das Ergebnis.
So lief das Rennen:
Auch der krönende Abschluss der diesjährigen Weltmeisterschaften wurde bei besten Wetterbedingungen gestartet. Vom Grote Markt in Antwerpen aus nahmen bei Sonnenschein insgesamt 195 Fahrer aus 45 Nationen das 268 Kilometer lange Straßenrennen in Angriff.
Nach rund 15 Kilometern bildete sich auf flachem Terrain eine siebenköpfige Spitzengruppe, die aus dem Kolumbianer Tito Hernandez, dem Ecuadorianer Joel Burbano, dem Russen Pavel Kochetkov, dem Iren Rory Townsend, dem Esten Oskar Nisu, dem Schweden Kim Magnusson, dem Mongolen Jambaljamts Sainbaya sowie Patrick Gamper aus Österreich bestand.
Das Feld war mit dieser Konstellation zufrieden und gestand den Ausreißern auf dem Weg nach Leuven schnell einen Vorsprung von mehreren Minuten zu. Tim Declercq für das belgische Team übernahm bei den Verfolgern die Kontrolle und erhielt dabei schon früh Unterstützung von den Dänen.
Als es das erste Mal auf den Stadtkurs von Leuven ging, positionierten sich auch weitere Favoritenteams wie Franzosen oder Slowenen an der Spitze des Feldes. Am von Zuschauermassen gesäumten Wijnpers, dem ersten der insgesamt 42 Anstiegen des Tages, betrug der Abstand zwischen Spitze und Feld nach gut 50 Kilometern genau sechs Minuten, der bei der ersten Zieldurchfahrt bei Kilometer 66 bereits um fast eine Minute geschrumpft war und dank der Tempoarbeit der großen Nationen weiter zurück ging.
Alaphilippes Franzosen früh in der Offensive
Schon früh testeten Franzosen und Schweizer auf der ersten der beiden Flandrien-Schleifen mit einigen Tempoverschärfungen die Konkurrenz, ehe nach 90 Kilometern am Smeysberg Franzosen, Belgier und Dänen aus dem Feld heraus das Rennen animierten: Benoit Cosnefroys Attacke folgten Remco Evenepoel und Magnus Cort Nielsen. Im Feld reagierten die Italiener, bei denen zuvor Matteo Trentin und Davide Ballerini zu Boden gegangen waren.
Nach weiteren Attacken aus dem Feld heraus wurde aus dem Verfolgertrio eine hochklassig besetzte Gruppe aus 15 Fahrern, in der noch Kasper Asgreen (Dänemark), Arnaud Démare (Frankreich), Stefan Bissegger (Schweiz), Primoz Roglic, Jan Tratnik (beide Slowenien), Tim Declercq (Belgien), Ben Swift (Großbritannien), Pascal Eenkhoorn (Niederlande), Imanol Erviti (Spanien), Nathan Haas (Australien), Markus Hoelgaard (Norwegen) und Brandon McNulty (USA) dabei waren und die den Rückstand zur Spitzengruppe schnell reduzierten.
Im Feld riegelten die Belgier an der engen Bekestraat ab und reihten sich danach wieder ein, als die Italiener durch den wieder nach vorn gefahrenen Trentin Tempo machten. Die Verfolgung wurde aber dadurch erschwert, dass Trentins Teamkollege Gianni Moscon nach einem Defekt zeitweilig zurückfiel. Als es das zweite Mal durchs Ziel ging, betrug der Rückstand der Verfolger auf die Spitze nur noch rund 50 Sekunden, das Feld folgte rund 1:20 Minuten dahinter.
133 Kilometer vor dem Ziel und damit ziemlich genau zur Rennhälfte hatte das italienische Team auf dem nun wieder erreichten Stadtkurs die - auch für die Deutschen - gefährliche Situation bereinigt und die Evenepoel-Gruppe wieder eingefangen. Kurz darauf waren am Wijnpers-Anstieg auch die Ausreißer um Gamper nach einer Flucht von rund 120 Kilometern gestellt.
Bei der dritten Zielpassage war das Feld bereits auf rund 100 Fahrer geschrumpft, wobei Mathieu van der Poel hier schon zu kämpfen hatte, um den Anschluss wieder zu schaffen.
Attacken durch das deutsche Team
Danach zeigte sich auch das deutsche Team in Gestalt von Georg Zimmermann erstmals an der Spitze des Feldes, das sich nach seiner Tempoverschärfung in die Länge zog. In dieser Phase stiegen unter anderem der Deutsche Meister Maximilian Schachmann und der Schweizer WM-Dritte von Imola, Marc Hirschi sowie der verletzte Ballerini und Trentin vom Rad.
Es waren Alaphilippes Teamkollegen, die auch danach immer wieder attackierten, um das Rennen für den Titelverteidiger schwer zu machen. Und es waren Belgier, Dänen und Slowenen, die sich aufmerksam zeigten. Bei einem der zahlreichen Stürze ging John Degenkolb hart zu Boden und musste nach ersten Meldungen mit Prellungen und Hautabschürfungen auf der Krankenstation der UCI behandelt werden.
Danach übernahm die Heimmannschaft die Kontrolle und dünnte mit einer heftigen Tempoverschärfung das Feld weiter aus. Bevor es zum zweiten Mal auf die Flandrien-Schleife ging, versuchte es Nils Politt mit zwei Attacken, von denen die zweite erfolgreich war und zur Bildung einer neuen Spitzengruppe führte. Zum Hürther schlossen 90 Kilometer vor dem Ziel zehn weitere Fahrer auf, darunter von den favorisierten Nationen wieder Evenepoel, Andrea Bagioli (Italien), Dylan van Baarle (Niederlande), Jan Tratnik (Slowenien), Valentin Madouas (Frankreich) sowie Mads Würtz Schmidt (Dänemark). Die Gruppe vervollständigten der US-Amerikaner Neilson Powless, der Australier Robert Stannard, der Norweger Rasmus Tiller und der Spanier Ivan Garcia Cortina .
Die Ausreißer erarbeiteten sich einen Vorsprung von rund einer Minute auf das Feld, in dem zunächst Briten und dann Franzosen eher halbherzig die Verfolgung organisierten. Am Kopfsteinpflasteranstieg Moskesstraat fiel kurz darauf die Spitzengruppe auseinander, wobei auch Politt den Anschluss verlor. Evenepoel, van Baarle, Powless, Bagioli und Madouas behaupteten dagegen einen Vorsprung von rund 40 Sekunden auf das nur noch rund 60 Fahrer starke Feld, in dem Evenepoels Teamkollegen das Tempo vorgaben.
Alaphilippe eröffnet früh das Finale
58 Kilometer vor dem Ziel zeigte sich erstmals der Titelverteidiger in dem gepflasterten Taymansstraat-Anstieg an der Spitze und sprengte mit seinem Antritt das Feld. Fünf Kilometer später schlossen Alaphilippe, Van Aert, van der Poel, Valgren, Matej Mohoric (Slowenien), Florian Senechal (Frankreich), Sonny Colbrelli, Giacomo Nizzolo (beide Italien), Markus Hoelgaard (Norwegen), Thomas Pidcock (Großbritannien) und Zdenek Stybar (Tschechien) zur Spitze auf, aus der heraus der französische Kapitän am Smeysberg 49 Kilometer vor dem Ziel ein weiteres Mal angriff, aber erneut gestellt wurde.
Italien, Frankreich und Belgien waren mit je drei Fahrern in der rund 20-köpfigen Gruppe vertreten, die Niederlande mit zwei. Eine Minute dahinter ließ Politt in der Verfolgergruppe nicht locker und initiierte eine kleine Gruppe mit Campenaerts, Cosnefroy und Jan Polanc, die aber nicht näher an die Spitze kam, wo Evenepoel sich für seinen Kapitän Van Aert ins Zeug legte.
Bei der sechsten Zieldurchfahrt hatten die 17 Ausreißer eingangs der letzten 31 Kilometer rund 1:50 Minuten Vorsprung auf die Politt-Gruppe und bereits mehr als drei Minuten auf den Rest des Feldes. 26 Kilometer vor dem Ziel war Evenepoels Arbeitstag beendet. Der 21-Jährige musste sich nach einer großartigen Vorstellung aus der Spitzengruppe zurückfallen lassen, so dass Van Aert nur noch Jasper Stuyven an seiner Seite hatte.
Am St. Antoniusberg knackt Alaphilippe die Konkurrenz
An der vorletzten Überfahrt über die Wijnpers lancierte Madouas 21 Kilometer vor dem Ziel eine weitere Attacke von Alaphilippe, die kurz darauf Stuyven entschärfte, nachdem Van Aert zunächst nicht hatte folgen können. Am St. Antoniusberg 17 Kilometer vor dem Ziel griff Alaphilippe ein weiteres Mal an und riss schließlich die Lücke. Zehn Sekunden hinter ihm nahmen Powless, Stuyven, van Baarle und Valgren die Schlussrunde in Angriff, die weiteren Verfolger um Van Aert und van der Poel folgten weitere 15 Sekunden danach.
Auch wenn das Quartett gut zusammenarbeitete, gelang es nicht, den Rückstand gegenüber Alaphilippe auf weniger als zehn Sekunden zu reduzieren. Im letzten Wijnpers-Anstieg, den der Spitzenreiter mit 30 Sekunden Vorsprung in Angriff nahm, ging Valgren in die Offensive, konnte seine Begleiter aber nicht abschütteln. Im folgenden Flachstück versuchte es der Däne vergeblich ein weiteres Mal.
Alaphilippe konnte schon frühzeitig seinen zweiten WM-Sieg in Folge bejubeln und auf der Zielpassage ausgelassen den Fans zuwinken. Eine gute halbe Minute hinter dem alten und neuen Weltmeister entschied van Baarle den Sprint der Verfolger knapp vor Valgren und Lokalmatador Stuyven für sich.
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