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06.01.2024 | (rsn) – Ein Etappensieg bei einer Grand Tour oder ein Erfolg bei einem großen Klassiker ist Marc Hirschi (UAE Team Emirates) in der vergangenen Saison verwehrt geblieben. In der gesamten WorldTour-Saison 2023 stand der Schweizer nie auf dem Podium, und trotzdem kletterte er nach zwei schweren Jahren 2021 und 2022 in den letzten zwölf Monaten in der Weltrangliste ständig weiter nach oben und beendete das Jahr schließlich auf Rang zwölf. Damit ist er der beste deutschsprachige Straßenradsportler der Welt und auch mit großem Vorsprung Gewinner der RSN-Jahresrangliste 2023.
Denn Hirschi stand zwar bei den ganz großen Rennen meist im Schatten von Kapitän Tadej Pogacar, nutzte seine eigenen Chancen bei kleineren Wettkämpfen der ProSeries oder auch 1.1-Wettkämpfen hervorragend. Insgesamt sieben Saisonsiege feierte er, dazu kamen sechs zweite Plätze und sieben weitere Top-5-Ergebnisse. Wo auch immer Hirschi am Start stand, musste man ihn weit oben auf der Favoritenliste markieren.
"Das Einzige, was gefehlt hat, war, bei den ganz großen Rennen vorne mitzufahren. Da hoffe ich, dass ich da in der neuen Saison auch mal wieder einen Sieg herausfahren kann. Aber ansonsten kann ich mich wirklich nicht beklagen", sagte der 25-Jährige, der vor drei Jahren für Sunweb eine Tour-Etappe und den Flèche Wallonne gewonnen hatte und anschließend zu UAE wechselte, nun im Gespräch mit radsport-news.com.
___STEADY_PAYWALL___Seine Saison 2023 begann Marc Hirschi (rechts) erstmals in Australien, wo er zum Gesamtsieg von Jay Vine (2. von links) beitrug und selbst Elfter wurde. | Foto: Cor Vos
"Ich bin sehr zufrieden – mit so vielen Siegen, und das nach dem Sturz am Jahresanfang", so Hirschi weiter. "Ich bin schnell zurückgekommen und konnte danach eigentlich die ganze Saison beschwerdefrei durchfahren."
Nachdem ihn in den vergangenen zwei Jahren erst das Knie und ein Weisheitszahn, dann Corona und seine Schulter sowie vor allem Hüftprobleme und schließlich eine Operation an derselben ausgebremst hatten, kam Hirschi von 2022 auf 2023 endlich gut durch den Winter und startete bei der Tour Down Under, die Teamkollege Jay Vine gewann, auch stark in die Saison. "Das war auch ein schönes Erlebnis, dort mal dabei zu sein. Und dann habe ich den Jetlag gut verdaut und war megamotiviert auch für die Algarve, aber dann kam's leider anders…", blickte er nun auf den Beginn der Saison zurück.
Auf der 1. Etappe der Algarve-Rundfahrt kam Hirschi zu Fall und brach sich das Handgelenk – der nächste Tiefschlag in einer langen Serie an Verletzungen. Er wurde operiert, bekam eine Platte und drei Schrauben eingesetzt und musste seinen Rennplan im Frühjahr umstellen. Doch immerhin: Lange fiel er diesmal nicht aus und so konnte er das Radsportjahr 2023 anschließend doch noch sehr genießen.
Kurz vor seinem Sturz: Marc Hirschi auf der 1. Etappe der Volta ao Algarve im Februar. | Foto: Cor Vos
"Es war die erste Saison, in der ich mich wieder richtig wohlgefühlt habe und den Fokus auf Training und Leistung legen konnte", sagte er nun zum Jahreswechsel und ließ sogar einen Vergleich seiner Leistungen mit seinem internationalen Durchbruch 2020 zu.
"Ich denke schon, dass ich genauso stark war. Der Unterschied ist halt, dass ich letztes Jahr mehr Rennen gefahren bin und mein Fokus meist mehr auf den kleinen Rennen lag, wo ich die Leaderrolle hatte, als auf den großen, wo ich wusste, dass ich nicht Leader bin. Ich musste einen Kompromiss finden und das hat dieses Jahr auch gut geklappt. Aber nächste Saison will ich mich auch wieder mehr auf die großen Rennen fokussieren", kündigte Hirschi an.
Nach dem frühen Rückschlag in Portugal – zwei Tage vor dem Sturz war er beim Sieg von Kapitän Pogacar Vierter bei Jaen Paraiso Interior (1.1) geworden – und der anschließenden Operation kämpfte sich Hirschi über viel Rollentraining und die Baskenland-Rundfahrt zurück, um bei seinem großen ersten Saison-Highlight, den Ardennenklassikern am Start zu stehen. Nur war er da noch nicht ganz so in Top-Form, wie er es vor dem Sturz erhofft hatte. Heraus sprangen Position 36 beim Amstel Gold Race, Platz 80 beim Flèche Wallonne und Rang zehn bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, bevor er dann Vierter bei Eschborn-Frankfurt wurde.
In den Ardennen war Hirschi noch nicht ganz in der Form, in der er gerne gewesen wäre. | Foto: Cor Vos
"Es war mühsam, weil ich im Winter viel trainiert hatte und wirklich gut drauf war. Deshalb war das dann vor allem frustrierend, weil Du dann eben wieder von vorne anfangen musst und so ein Sturz auch immer viele Rollentrainings bedeutet, die auch nicht so angenehm sind", kommentierte er diese Phase nun rückblickend und fügte an: "Der Zeitpunkt war einfach leider nicht der Beste für die Ardennenklassiker."
Doch Hirschi biss sich durch und fuhr sich in Form, um dann am 12. Mai auf der 3. Etappe der Ungarn-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Saisonsieg und tagsdrauf auch den Gesamtsieg zu feiern. Zum ersten Mal in seiner Karriere hatte er eine Rundfahrt gewonnen – und der zweite Klassement-Coup gelang vier Monate später mit der Skoda Tour de Luxembourg (2.Pro).
Dazwischen fuhr Hirschi im Juni beim Giro dell'Appennino (1.1) in Italien und bei den Schweizer Meisterschaften Ende Juni als Erster über die Linie. Es war sein erster Schweizer Meistertitel und ein ganz besonderer Sieg: Zehn Tage nach dem Tod seines langjährigen Wegbegleiters widmete er das Meistertrikot Gino Mäder.
Hirschi trägt seit Ende Juni erstmals das Trikot des Schweizer Meisters – auch wenn das bei seinem Team nicht besonders markant aussieht. | Foto: Cor Vos
Abgesehen von den Meisterschaften fuhr Hirschi nach der Tragödie bei der Tour de Suisse bis Ende Juli kein Rennen, doch dann kam er erneut erfolgreich zurück – mit dem nächsten Sieg beim spanischen Eintagesrennen Ordiziako Klasika (1.1). Es folgte Rang 13 bei der Klasikoa in San Sebastian, doch bei der WM in Glasgow hatte Hirschi keinen guten Tag und stieg frühzeitig vom Rad.
Über Platz zehn bei den Bemer Cyclassics in Hamburg (1.UWT) und Gesamtrang sechs bei der Renewi Tour (2.UWT) sowie drei Top-Ten-Ergebnisse bei den WorldTour-Eintagesrennen von Plouay (6.), Quebec (8.) und Montreal (10.) ging es nach Italien, wo Hirschi die Coppa Sabatini (1.Pro) gewann und Zweiter des Memorial Marco Pantani (1.1) und Fünfter der Trofeo Matteotti (1.1) wurde, bevor er dann die Luxemburg-Rundfahrt für sich entschied.
Im italienischen Herbst fuhr er außerdem noch drei zweite Plätze bei der Coppa Agostoni (1.1), bei Gran Piemonte (1.Pro) und beim Veneto Classic (1.Pro) ein, wurde Vierter bei der Coppa Bernocchi (1.Pro), Fünfter beim Giro del Veneto (1.Pro) und bei Pogacars Sieg bei Il Lombardia (1.UWT) landete Hirschi auf Rang 19.
Noch ungewohnt: Marc Hirschi im Gelben Trikot – hier als Gesamtsieger der Skoda Tour de Luxembourg. | Foto: Cor Vos
Die Gesamtsiege in Ungarn und Luxemburg bezeichnete Hirschi rückblickend sogar als die Highlights seiner Saison. "Es war das erste Mal, seit ich bei den Profis bin, dass ich Rundfahrten gewinnen konnte. Das hat mir gezeigt, dass ich mich auch in puncto Erholung verbessere und einen Schritt vorwärts gemacht habe. Deshalb waren Ungarn und Luxemburg meine Highlights, die auch leistungsmäßig herausstechen", meinte er.
Längerfristig würde es ihn auch reizen, einwöchige Rennen wie die Tour de Suisse, Paris-Nizza oder Tirreno-Adriatico mal mit Blick auf die Gesamtwertung anzugehen, erklärte er. "Ich bleibe da dran und wenn ich dann irgendwann merke, dass ich das Potenzial dafür habe, dann versuche ich das auch mal. Aber der Hauptfokus liegt momentan, weil ich da gute Chancen habe, auch zu gewinnen, auf den Eintagesrennen", so Hirschi.
"Meistens habe ich bei den ganz langen Bergen etwas Mühe, und die sind bei Rundfahrten ja oft auch wichtig. Und der andere Punkt ist auch, dass es bei uns im Team megaschwierig ist, eine Leaderrolle für eine Rundfahrt in Anspruch zu nehmen. Da sind viel zu viele Fahrer vor mir: Tadej, Adam Yates, Ayuso, Almeida…", fügte er erklärend an.
2023 stand Hirschi (rechts) bei den großen Rennen oft im Schatten von Tadej Pogacar (links) – 2024 wird das nicht mehr ganz so oft der Fall sein. | Foto: Cor Vos
Bei den Klassikern dagegen hat Hirschi mehr Freiheiten – vor allem auch, weil Tadej Pogacar 2024 dort weniger Raum einnehmen wird. Der Slowene visiert sein Debüt beim Giro d'Italia an und wird daher voraussichtlich erstens nicht alle Ardennenklassiker fahren und zweitens auf eine Titelverteidigung bei der Flandern-Rundfahrt verzichten. "Amstel und Flèche sind ein großes Ziel, wo ich hoffe, dass ich gut drauf bin und dann auch die Leaderrolle bekomme", meinte Hirschi, der Mailand-Sanremo ebenfalls im Programm stehen hat und in Flandern erstmals dabei sein will.
"Das war schon 2023 geplant, ist dann aber wegen des Handgelenks nicht passiert. Ich will E3 Harelbeke, Dwars door Vlaanderen und die Flandern-Rundfahrt probieren, nachdem dort immer härter gefahren wird und Bergfahrer auch ganz vorne dabei sind. Vielleicht mache ich es danach nie mehr wieder – oder eventuell gehört es dann auch jedes Jahr zu meinem Programm. Es reizt mich auf jeden Fall sehr, gerade Flandern von der Atmosphäre her", erklärte er. "Wir haben viele gute Fahrer dafür, aber niemand, der ganz eindeutig Leader sein muss. Wir können dort mit mehreren Optionen starten."
Spannend wird, wie Hirschi sein extrem vollgepacktes Frühjahr verkraftet. "Die flämischen Rennen mit den Ardennen zu kombinieren, ist immer schwierig, weil man da nicht mehr viel Zeit hat, im Training noch etwas an der Form zu machen", erklärte er. "Ich brauche auf jeden Fall eine sehr gute Basis, denn von der Algarve im Februar bis zu den Ardennen gibt es eigentlich keine großen Trainingsmöglichkeiten mehr."
Marc Hirschi feiert seinen Sieg bei der Coppa Sabatini im September. | Foto: Cor Vos
Die kommen dann eher wieder im Mai und im Juli, wenn er vor Tour de Suisse und Schweizer Meisterschaften sowie vor den Olympischen Spielen voraussichtlich nochmal längere Rennpausen haben wird – wahrscheinlich auch mit einem zweiten Höhentrainingslager, das erste bezieht er im Januar auf Teneriffa.
Schön wäre für Hirschi, wenn er im August auch bei den Olympischen Spielen in Paris dabei wäre. Doch er weiß, dass dieser Wunsch angesichts der sehr starken aktuellen Fahrergeneration mit beispielsweise Mauro Schmid, Stefan Küng, Stefan Bissegger in der Schweiz nicht automatisch in Erfüllung geht – zumal Swiss Cycling aufgrund der neuen Startplatz-Verteilungen in diesem Jahr nur zwei Mann an den Start schicken darf.
"Wir haben mit Bissegger und Küng ja auch zwei sehr gute Medaillenkandidaten fürs Zeitfahren. Da könnte es im Straßenrennen eng werden mit den zwei Plätzen, die wir nur haben", befürchtete er. "Aber ich hoffe einfach, wenn ich gute Leistungen zeige, dass ich selektioniert werde."
Das fixere Ziel ist dagegenim September die Heim-Weltmeisterschaft in Zürich, wo die Teams mit größeren Aufgeboten antreten werden und Hirschi von seinem Start daher auch fest ausgehen kann: "Das ist sicher das größte Highlight, das größte Ziel in diesem Jahr!"
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