99. Flandern-Rundfahrt: Auch die Deutschen überzeugen

Kristoff krönt bei der „Ronde“ ein außergewöhnliches Frühjahr

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Alexander Kristoff (Katusha) feiert seinen Sieg bei der 99. Flandern-Rundfahrt. | Foto: Cor Vos

05.04.2015  |  (rsn) – Nach den Plätzen vier und fünf in den vergangenen beiden Jahren hat Alexander Kristoff (Katusha) bei der 99. Auflage der Flandern-Rundfahrt alle Konkurrenten hinter sich gelassen. Der Norweger setzte sich am Ostersonntag nach 264,2 Kilometern von Brügge nach Oudenaarde im Sprint zweier Ausreißer souverän gegen den Niederländer Niki Terpstra (Etixx-Quick-Step) durch und feierte seinen fünften Sieg innerhalb einer Woche und den zweiten bei einem der fünf Radsport-Monumente. 2014 hatte er Mailand-Sanremo - ebenfalls als erster Norweger - für sich entscheiden können.

„Ich bin überglücklich. Die ganze Saison läuft schon sehr gut. Das Team hat heute hervorragend gearbeitet“, strahlte der 27-jährige Katusha-Kapitän, der bereits die Generalprobe zur „Ronde“ in beeindruckender Weise dominiert hatte. Bei den Drei Tagen von De Panne nämlich gewann er bis auf das Zeitfahren alle Etappen und schloss auch die Gesamtwertung auf Rang eins ab.

Nun gelang dem Norweger auch der Triumph bei der Kür, nachdem er am Kruisberg gut 25 Kilometer vor dem Ziel als einziger auf eine Attacke von Terpstra reagiert hatte und den Niederländischen Zeitfahrmeister und Paris-Roubaix-Gewinner von 2014 nach einigen taktischen Spielereien auf den letzten Kilometern schließlich deutlich auf Rang zwei verwies.

„Am Ende wollte Terpstra nicht mehr so richtig mit mir zusammenarbeiten, aber ich kann das verstehen. Schließlich hat es doch noch für uns gereicht. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich gewonnen habe“, strahlte Kristoff im Siegerinterview, bei dem er seinen kleinen Sohn auf dem Schoß hielt und auf eine entsprechende Frage des Reporters scherzhaft meinte: „Die Zukunft des norwegischen Radsports ist gesichert.“

Als fairer Verlierer zeigte sich der geschlagene Terpstra. „Er hat den Sieg verdient und ich muss mit dem zweiten Platz zufrieden sein. Es ist ein großes Ergebnis in einem Monument“, sagte der 30-Jährige, der aber gestärkt das Unternehmen Titelverteidigung bei Paris-Roubaix in Angriff nehmen wird. „Natürlich hatte ich schon zu viele zweite Plätze und mein Ziel ist der Sieg. Aber in Anbetracht der Umstände bin ich zufrieden und freue mich jetzt schon auf Paris-Roubaix nächste Woche.“

Bester heimischer Fahrer beim großen belgischen Radsport-Feiertag war Greg Van Avermaet (BMC), für den es nach Rang zwei im vergangenen Jahr auch diesmal wieder zum Podium reichte. Der 29-Jährige schüttelte auf den letzten Metern den erneut schwächelnden Slowaken Peter Sagan (Tinkoff-Saxo) ab und sicherte sich sieben Sekunden hinter Kristoff den dritten Platz. Sagan wurde mit 16 Sekunden Rückstand Vierter, gefolgt vom jungen Belgier Tiesj Benoot (+0:36), der überraschend bester Fahrer der starken Lotto Soudal-Auswahl war, die mit seinem Landsmann Jürgen Roelandts als Achten einen weiteren Fahrer in die Top Ten brachte.

Nicht viel zum erhofften Podiumsplatz fehlte John Degenkolb (Giant-Alpecin). Der Mailand-Sanremo-Gewinner zeigte eine erneut überzeugende Leistung und entschied hinter dem sechstplatzierten Niederländer Lars Boom (Astana/+0:36) den Sprint der ersten Verfolgergruppe vor Roelandts, dem Tschechen Zdeněk Štybar (Etixx – Quick-Step) sowie dem Schweizer Meister Martin Elmiger (IAM) für sich.

„Mir blieb nur der Sieg aus meiner Gruppe, aber unterm Strich können wir zufrieden sein. Wir haben eine wahnsinnig gute Mannschaftsleistung gezeigt“, sagte Degenkolb, der 49 Sekunden nach Kristoff ins Ziel kam und schon auf Paris-Roubaix schaute: „Wir haben Geschlossenheit gezeigt und zusammengehalten. Das lässt für nächste Woche hoffen.“

Leer ging dagegen das hoch gehandelte Sky-Team aus, dessen Kapitän Geraint Thomas zwar im Finale einer der stärksten Fahrer war und bei der dritten und letzten Überquerung des Oude Kwaremont zur Jagd auf Terpstra und Kristoff blies, doch am Ende als letzter Fahrer der Degenkolb-Gruppe ankam – was Platz 14 bedeutete, noch hinter den Italienern Daniel Oss (BMC/11.) und Filippo Pozzato (Lampre-Merida/12.) sowie dem Belgier Stijn Devolder (Trek/13.), dem zweifachen Ronde-Gewinner (2008/09), der ein würdiger Vertreter seines verletzten Kapitäns Fabian Cancellara war.

Mehr als nur ansprechend war der Auftritt von André Greipel (Lotto Soudal). Der Deutsche Meister imponierte in der entscheidenden Rennphase, attackierte mehrmals aus der Favoritengruppe heraus, opferte sich für seinen Kapitän Roelandts in der Tempoarbeit auf und wurde mit 2:28 Minuten Rückstand sogar noch Fünfzehnter, unmittelbar gefolgt von Marcus Burghardt (BMC), dem dritten Deutschen unter den besten 20. „Ich habe mein Bestes gegeben, damit wir aufs Podium kommen oder eventuell sogar gewinnen können“, kommentierte Greipel im Ziel seine bärenstarke Vorstellung.

Und auch der mit sechs Deutschen angetretene Zweitdivisionär Bora-Argon18 konnte zufrieden sein, denn mit Ralf Matzka platzierte das Team aus dem oberbayerischen Raubling wie gewünscht einen Fahrer in der Gruppe des Tages, die sich bei strahlend blauem Himmel innerhalb der ersten Stunde formiert hatte.

Nach schnellem Beginn und hartem Kampf waren es der Ire Matthew Brammeier (MTN – Qhubeka), der Neuseeländer Jesse Sergent (Trek), die Franzosen Damien Gaudin (Ag2R) und Clément Venturini (Cofidis), der Niederländer Dylan Groenewegen (Roompot), der Italiener Marco Frapporti (Androni), der routinierte Däne Lars Bak (Lotto Soudal) sowie der Frankfurter Matzka, die sich aus dem Feld lösen und schnell einen Vorsprung von maximal sieben Minuten herausfahren konnten.

Den Tiegemberg, den ersten der 19 Hellinge des Tages, der nach knapp 90 Kilometern anstand, erreichte die um Venturini reduzierte Spitzengruppe 6:30 Minuten vor dem Feld, in dem zunächst Trek, Etixx, Katusha und vor allem Sky für die Tempoarbeit verantwortlich zeigten. Als das Feld in die 90-Grad-Kurve einbog, nach der die Oude Kwaremont-Passage beginnt, stürzte Bradley Wiggins (Sky) an vorderer Position. Der Brite verletzte sich am Handgelenk und musste das Rad wechseln. Kurz nachdem er wieder zum Feld aufgeschlossen hatte, wechselte er wieder zurück auf seine alte Rennmaschine.

Schlimmer als den Tour-Sieger von 2012, der als Helfer für Thomas angetreten war, erwischte es Sergent, der von einem neutralen Materialwagen auf der ersten von drei Runden um Oudenaarde herum in einer Kurve umgefahren wurde und mit Verdacht auf Schlüsselbeinbruch ausschied.

Kurz darauf erging es Sebastien Chavanel (FDJ) nicht viel besser, als er, nach einem Defekt am Straßenrand auf Hilfe wartend, von seinem eigenen Teamfahrzeug umgefahren wurde. Grund war auch hier der neutrale Materialwagen, dessen Fahrer unaufmerksam war, als FDJ-Teamchef Marc Madiot wegen Chavanel bremste, und das Teamauto rammte. Der Franzose kam nach Angaben von FDJ glücklicherweise ohne schlimmere Blessuren davon.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ausreißer noch rund 3:30 Minuten Vorsprung, der in der Folge weiter schnell schrumpfte, ehe Bak im Kaperij-Helling mit seiner Attacke die Spitzengruppe sprengte. Nur Gaudin konnte dem routinierten Dänen folgen, während Team Sky im Feld den Druck erhöhte. Das hielt Greipel allerdings nicht davon ab, im Kanarienberg rund 70 Kilometer vor dem Ziel zum bereits zweiten Mal zu attackieren und so eine Verfolgergruppe zu initiieren, die allerdings nicht lange Bestand hatte.

Auch als sich bei der zweiten Überfahrt über den Oude Kwaremont um Greipels Teamkollegen Jens Debusschere (Lotto Soudal) eine weitere Gruppe formierte, reagierte das Feld und stellte nicht nur dieses Quatett, sondern kurz darauf am bis zu 20 Prozent steilen Paterberg auch Bak und schließlich Gaudin.

Prompt startete Greipel seinen nächsten Angriff, und zwar kurz vor dem Koppenberg. Zum vierten Mal zog der 32-Jährige davon (oder besser nach), als in der Anfahrt zum Taaienberg der Kasache Alexej Lutsenko (Astana) attackierte. Doch die zu diesem Zeitpunkt nur noch rund 30 Fahrer starke Favoritengruppe vereitelte auch diese Aktion, ehe Terpstra auf der Kuppe des Kruisberg das Tempo verschärfte und lediglich Kristoff folgen konnte oder wollte.

Die erste Ratlosigkeit unter den Verfolgern nutzte das Duo, um sich schnell einen Vorsprung von rund 20 Sekunden herauszufahren, den es dann sogar noch auf bis zu eine halbe Minute ausbauen konnte. Bei der finalen Überfahrt über den Oude Kwaremont - erst hier musste übrigens der unermüdliche Greipel passen – attackierte Thomas und reduzierte schnell den Rückstand um die Hälfte.

Doch dem Waliser am Hinterrad klebte Terpstras Teamkollege Stybar, der sich nicht an der Tempoarbeit beteiligte, so dass das Duo wieder gestellt wurde. Wieder zeigten sich die Verfolger zu lange unschlüssig, wer nun weiter Verantwortung übernehmen sollte.

Das brachte Terpstra und Kristoff letztlich die entscheidenden Sekunden. Am Paterberg, dem letzten Anstieg des Tages, zogen Van Avermaet und Sagan aus der Gruppe davon, doch um den Anschluss zum Spitzenduo herzustellen, reichte es nicht mehr.

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