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18.07.2017 | (rsn) - John Degenkolb (Trek-Segafredo) in einem hart umkämpften Finale Dritter, André Greipel (Lotto Soudal) und Marcel Kittel (Quick-Step Floors) abgehängt - die deutschen Sprinter zogen aus unterschiedlichen Gründe am Ende der 16. Tour-Etappe lange Gesichter.
Dagegen strahlte Michael Matthews nach seinem bereits zweiten Tagessieg dieser Frankreich-Rundfahrt, der zugleich der dritte für das deutsche Team Sunweb war. Der Australier setzte sich im kurvigen Finale über 165 Kilometer von Le Puy-en-Velay nach Romans-sur-Isère im Sprint einer reduzierten Spitzengruppe knapp vor dem Norweger Edvald Boasson Hagen (Dimension Data) und Degenkolb durch und verkürzte damit seinen Rückstand im Kampf um das Grüne Trikot gegenüber Kittel um gleich 50 Zähler.
Dank einer Gala-Vorstellung seines Sunweb-Teams, das bereits am ersten Berg des Tages das Feld mit einer gewaltigen Tempoverschärfung gesprengt und Kittel früh abgehängt hatte, reduzierte der U23-Weltmeister von 2010 seinen Rückstand gegenüber dem enttäuschten Kittel auf nur noch 29 Punkte: Matthews gewann zunächst den Zwischensprint und triumphierte schließlich auch in einem Finale, in dem er mit Degenkolb aneinandergeriet - zunächst auf der Strecke, als er den Deutschen immer weiter nach rechts drängte und kurz hinter der Ziellinie, als der verärgerte Degenkolb seinen Rivalen am Nacken packte.
Davon ließ sich Matthews die Laune aber nicht verderben. "Das war ein richtig guter Tag für uns. Wir wollten natürlich in der Fluchtgruppe dabei sein. Wir wussten, dass wir Quick-Step attackieren müssen, um ihnen das Leben schwer zu machen. Als ich dann gehört habe, dass Kittel abgehängt ist, haben wir richtig Gas gegeben. Später kam dann noch der Wind hinzu. Da haben wir gesagt, 'jetzt müssen wir alles reinlegen und mit der ganzen Mannschaft arbeiten'. Damit hat es bei der Sprintwertung für uns geklappt und im Ziel dann auch“, kommentierte er seinen insgesamt dritten Tagessieg bei einer Frankreich-Rundfahrt.
Beim Sprint selber war sich Matthews keiner Schuld bewusst. "Ich bin einfach meine Linie gefahren. Wenn er (Degenkolb) schneller gewesen wäre als ich, hätte er ja überholen können. Ich habe die Tür nicht zugemacht“, betonte er.
Dagegen beurteilte der 28-jährige Degenkolb die Situation ganz anders. "Ich war an seinem Hinterrad und in der perfekten Position, um den Sprint 200 Meter vor dem Ziel zu eröffnen. Ich kam mit eindeutig höherem Tempo von seinem Hinterrad, er sah mich auf der rechten Seite und machte die Lücke auf der Seite zu. Darum musste ich meinen Sprint kurz unterbrechen“, sagte der 28-Jährige, dessen Team gegen die Wertung Protest einlegte - der aber wurde von der Jury abgelehnt. "Natürlich ist man sauer, wenn man nicht um den Sieg fahren kann, vor allem, wenn man merkt, dass man die Beine dazu hat. Für mich ist das ganz klar. Er verlässt seine Linie und fährt in meine“, so der Oberurseler, der weiter auf seinen ersten Tour-Etappensieg wartet.
Davon hat Boasson Hagen zwar schon zwei auf seinem Konto - die allerdings datieren beide aus dem Jahr 2011, wogegen sich der 30-jährige Skandinavier bei der aktuellen Tour zum zweiten Mal mit Rang zwei begnügen musste. "Es war eine schwere Etappe, aber das Team hat einen sehr guten Job gemacht und mich den ganzen Tag vorne gehalten. Ich war etwas zu weit hinten in der letzten Kurve, ich wusste, dass ich ganz vorne hätte sein müssen, aber manchmal passiert es, dass man etwas zu weit zurück ist. Heute hat es fast geklappt, aber ich habe es nicht ganz geschafft“, sagte Boasson Hagen nach einer erneut formidablen Vorstellung seiner Mannschaft, die ihm am "Mandela Day", dem südafrikanischen Nationalfeiertag, den Weg zum Sprint perfekt geebnet hatte.
Bevor es morgen in die Alpen geht, verbrachten die Klassementfahrer einen bis auf die letzten 15 Kilometer unaufgeregten Tag. Dann aber zerriss eine Windkantenaktion von Team Sky die erste große Gruppe. Chris Froome konnte auf seine schärfsten Konkurrenten dabei zwar keine Zeit gutmachen, doch der Gesamtfünfte Daniel Martin (Quick-Step Floors) und der Südafrikaner Louis Meintjes (UEA Team Emirates) verpassten den Postabgang und kamen mit Rückstand ins Ziel.
Martin fiel auf Rang sieben zurück, Meintjes behauptete immerhin Platz acht. An der Spitze der Gesamtwertung gab es keine Änderungen, Froome führt mit 19 Sekunden vor Fabio Aru (Astana) und 23 auf Romain Bardet (AG2R). Warren Barguil (Sunweb) sammelte unterwegs noch einen Zähler und baute seine Führung in der Bergwertung aus. Simon Yates (Orica-Sott) bleibt im Weißen Trikot des besten Jungprofis und rückte im Gesamtklassement auf Platz sechs vor.
Beim "Wiedereinstieg“ nach dem Ruhetag machte Sunweb von Anfang an das Rennen schwer und sorgte mit einer Tempobeschleunigung an der 4,5 Kilometer langen und 6,3 Prozent steilen Côte de Boussoulet dafür, dass sich das Feld früh teilte und Kittel und weitere Sprinter wie Nacer Bouhanni (Cofidis) oder Dylan Groenewegen (LottoNL-Jumbo) abgehängt wurden. In fast voller Mannschaftsstärke jagten Matthews & Co. einer fünfköpfigen Spitzengruppe um Thomas De Gendt (Lotto Soudal) und Sylvain Chavanel (Direct Energie) nach und stellten mit Chavanel den letzten der Ausreißer nach knapp 50 Kilometern auf dem der Bergwertung der 3. Kategorie folgenden Hochplateau.
Dabei erhielt Sunweb zumindest phasenweise noch Unterstützung von weiteren Teams wie BMC oder Katusha-Alpecin, wogegen Quick-Step Floors in der rund 50 Fahrer starken Verfolgergruppe meist allein für das Tempo sorgen musste. Auf zunächst noch welligem Terrain konnte das erste Feld seinen Vorsprung beständig ausbauen. Am Col du Rouvay (4. Kat.), wo sich 100 Kilometer vor dem Ziel Barguil den einzigen zu vergebenden Bergpunkt holte, betrug der Abstand bereits zwei Minuten. Hier etwa gab der Gesamtzwölfte George Bennett (LottoNL-Jumbo) das Rennen auf. Der Neuseeländer, der sich nach Angaben seines Team seit einigen Tagen nicht wohl fühlt, war noch hinter die Kittel-Gruppe zurückgefallen, als er vom Rad stieg.
Bei der nun folgenden langen Abfahrt ins Rhône-Tal hielt Sunweb weiter das Tempo an der Spitze hoch, so dass der Vorsprung bis zum Zwischensprint nach 121,5 Kilometern in Chantemerle-Les Blés auf rund fünf Minuten anstieg. Den holte sich Matthews kampflos vor Greipel und Sonny Colbrelli (Bahrain-Merida).
Zu dem Zeitpunkt hatte Nacer Bouhanni (Cofidis) eine beeindruckende Aufholjagd erfolgreich abgeschlossen: Der Franzose war aus der Kittel-Gruppe mit zunächst zwei Helfern davongefahren und erreichte mit Nils Politt (Katusha-Alpecin) im Schlepptau 57 Kilometer vor dem Ziel das erste Feld. Bei danach einsetzendem Seitenwind beteiligten sich auch weitere Sprinterteams an der Tempoarbeit im Feld, so dass der Vorsprung auf die Verfolger weiter zunahm.
Dann spannte sich erstmals an diesem Tag das Sky-Team vor das Feld, und wie: Froome und seine Helfer gingen 15 Kilometer vor dem Ziel auf die Windkante und sprengten prompt die große Gruppe. Leidtragende dieser Aktion waren nicht nur Sprinter wie Greipel und Alexander Kristoff (Katusha-Alpecin), sondern überraschenderweise auch Martin, Meintjes, Emanuel Buchmann (Bora-hansgrohe) sowie Alberto Contador (Trek-Segafredo), der noch weiter zurückfiel. Auf den letzten Kilometern schaffte die Martin-Gruppe trotz aller Bemühungen nicht mehr den Anschluss und kam schließlich mit 51 Sekunden Rückstand ins Ziel. Contador büßte sogar 1:33 Minuten ein.
Aus der Spitzengruppe heraus setzte im kurvigen Finale der Italiener Daniele Bennati (Movistar) auf den letzten zwei Kilometern eine Attacke, die aber 500 Meter vor dem Ziel dank der Zusammenarbeit von Dimension Data und Sunweb vereitelt war. Dabei war sich Barguil nicht zu schade, auch noch auf den letzten Metern für Matthews zu arbeiten, um dem Teamkollegen den Sprint zu ermöglichen. Dann lancierte Nikias Arndt seinen Kapitän Matthews, der prompt reagieren musste, als im minimal ansteigenden Finale Olympiasieger Van Avermaet den Sprint eröffnete - etwas zu früh, wie sich herausstellen sollte. Der Belgier wurde letztlich nur Vierter.
Matthews konterte sofort, gefolgt von Degenkolb, der auf den letzten knapp 200 Metern an seinem Rivalen auf der Innenbahn vorbeiwollte. Matthews zog dabei nach rechts hinüber, so dass der Deutsche seinen Sprint kurz unterbrechen musste. "Das hat mich den Sieg gekostet“, befand Degenkolb im Ziel. Doch von vorne gesehen auf der rechten Seite lieferte auch Boasson Hagen eine erneut erstklassige Vorstellung ab, zog noch an Degenkolb vorbei und kam ganz knapp an Matthews heran. Der wusste zunächst nicht, dass er gewonnen hatte - brach dann aber in Jubel aus, als er kurz darauf die gute Nachricht erhielt.
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