--> -->
19.07.2017 | (rsn) - 2.067 Meter über dem Meer zerplatzten in der dünnen Alpen-Luft die Träume von Marcel Kittel (Quick-Step Floors). Am Gipfel des Ehrenkategorie-Passes Col de la Croix-de-Fer stieg der Mann im Grünen Trikot vom Rad und ins Teamfahrzeug - keine Chance mehr, die Punktewertung der 104. Tour de France zu gewinnen, keine Chance mehr auf einen abschließenden Etappensieg auf den Champs-Élysées in Paris und das Ende einer bis dato traumhaft verlaufenen Frankreich-Rundfahrt mit dominanten Auftritten in den Massensprints und beeindruckenden fünf Etappensiegen.
Die Stunden danach müssen eine Qual für den Erfuter gewesen sein: ewiges Sitzen im Mannschaftswagen bis zum Ziel. Dort gelangte er durch eine Hintertür ins Mannschaftshotel, den Club Med Serre Chevalier, wo vor dem Haupteingang die internationale Presse auf ihn wartete. Kittel ging auf sein Zimmer, duschte und bereitete sich darauf vor, möglichst gefasst vor die Journalisten zu treten.
Das gelang. Als der 29-Jährige die Treppen hinunterstieg, stand ihm die Enttäuschung deutlich sichtbar ins Gesicht geschrieben, die Augen aber waren trocken. "Ich weiß nicht wirklich, wie ich meine Gefühle beschreiben soll", sagte er. "Es ist eine Riesenenttäuschung - immer noch."
Nach rund 20 Kilometern der 17. Etappe von La Mure nach Serre Chevalier war Kittel in einen Massensturz verwickelt worden, dessen Hergang er kaum beschreiben kann: "Es ging alles so schnell." Nachdem er sich sortiert hatte, stieg er wieder aufs Rad und jagte dem Feld hinterher - die ganze Zeit an seiner Seite: Sprint-Anfahrer Fabio Sabatini und der Mann, der zweieinhalb Wochen lang auf jeder Flachetappe stundenlang für Kittel vor dem Feld im Wind fuhr, Julien Vermote. Über den Col d'Ornon kamen sie noch recht gut, doch am Croix de Fer holten Kittel die Schmerzen ein.
"Nach dem Sturz dachte ich: 'Nicht so geil' - ohne jetzt 'Scheiße' sagen zu wollen. Ich habe versucht, mich durchzukämpfen. Aber irgendwann holt einen die Realität ein", so Kittel, der bis auf Schürfwunden und Schwellungen am Hinterteil und der Schulter wohl keine größeren Verletzungen davongetragen hat. "Das Pedalieren war ziemlich schmerzhaft. Aber ich denke es ist nichts gebrochen", erklärte er. Doch die Schmerzen des Sturzes brachten das Fass schließlich zum Überlaufen. Schon in der zweiten Tour-Woche hatte Kittel mit Darm-Problemen zu kämpfen, die seinen Teamkollegen Philippe Gilbert am Dienstagmorgen aus der Tour beförderten. Am zweiten Ruhetag kam ein Schnupfen hinzu.
"Unser zweiter Ruhetag war eher wie im Krankenhaus, statt fröhlich Kaffee trinkend irgendwo am Pool zu sitzen", scherzte er nun. "Die Darm-Geschichte, die ich jetzt eigentlich wieder überstanden hatte, und dann der Rotz - das sind immer so drei Prozent, die Du verlierst. Jetzt noch gestürzt, dann war ich echt im Eimer. Da war nichts zu machen."
John Degenkolb (Trek-Segafredo) und Marcus Burghardt (Bora-hansgrohe) sowie sicher noch einige andere Kollegen redeten ihm gut zu, doch schon im unteren Teil des Croix de Fer musste Kittel das Feld und auch das Gruppetto der abgehängten Fahrer ziehen lassen. Er quälte sich den Berg hinauf, immer darum kämpfend, am Hinterrad von Vermote und Sabatini zu bleiben. "Er hat wieder und wieder mein Hinterrad verloren - es war sehr hart für ihn", schilderte Vermote gegenüber radsport-news.com den Leidensweg seines Kapitäns. "Ich habe versucht, ihm Mut zu machen und das richtige Tempo zu fahren, damit er noch mitkommt. Aber sobald es etwas schneller wurde, hatte er sofort Probleme. Die Moral war gebrochen."
Gesprochen hat Kittel am Croix de Fer nicht mehr. "Es gab keine Zeit, groß zu sprechen. Wenn jemand so leidet, ist das nicht schön - und fahren muss er am Ende immer noch selbst", so der belgische Helfer. "Wir können ihn nur vor dem Wind schützen und anfeuern." Bis zum Ende des 24 Kilometer langen Anstiegs zum Col de la Croix de Fer verlor das Trio Minute um Minute. Deren 18 standen als Rückstand zum Hauptfeld auf der Uhr, als Kittel sich kurz vor dem Gipfel auf jener langgestreckten Geraden nahe des Linksabzweigs zum Col du Glandon, die auch im fitten Zustand besonders hart für die Psyche ist, weil sie einfach nicht enden will, an seinen Sportlichen Leiter Davide Bramati im Teamwagen wandte.
"Ich habe gesagt, dass es für mich aussichtslos ist und die Beiden probieren müssen, irgendwie noch im Zeitlimit anzukommen", erklärte Kittel radsport-news.com. "Das ist ja auch wichtig für Dan Martin, der heute wieder eine sehr gute Etappe gefahren ist und den Support des Teams morgen braucht." Der Ire Daniel Martin kämpft noch um eine Top-5-Platzierung im Gesamtklassement.
Einen Kilometer vor dem Gipfel sprach dann Bramati mit den beiden treuen Begleitern seines Kapitäns im Grünen Trikot und schickte sie los. Sie sollten Kittel zurücklassen und zu zweit das Gruppetto jagen, um die Tour fortsetzen zu können. "Es war hart, ihn dort zu lassen. Wir hatten keine Zeit mehr, etwas zu ihm zu sagen und sind einfach gefahren, um unsere Ärsche zu retten. Sonst wären wir auch raus gewesen", so Vermote.
Das Duo jagte hinunter ins Maurienne-Tal und den Col du Telegraphe sowie Col du Galibier hinauf, um in der Abfahrt vom 2.642 Meter hohen Dach der Tour endlich nach vorne aufzuschließen und 33:41 Minuten nach Tagessieger Primoz Roglic (LottoNL-Jumbo) mit dem Gruppetto das Ziel zu erreichen. Das Zeitlimit lag bei knapp 40 Minuten. Kittel hätte das wohl tatsächlich nicht mehr geschafft - gerade angesichts von weiteren 29 Kilometern Anstieg: "Es wäre quasi unmöglich gewesen", so Vermote.
Der Traum von Grün und der Traum vom Sieg in Paris, sie sind beide geplatzt. Die Enttäuschung ist riesig, doch in den Stunden zwischen dem Moment, als er vom Rad stieg, bis zum Schritt heraus aus dem Teamhotel konnte Kittel seine Gedanken bereits sortieren. "Ich habe fünf Etappen gewonnen und es wäre falsch, jetzt mit einem schlechten Gefühl nach Hause zu gehen. Ich wäre gerne nach Paris gekommen. Das war mein großes Ziel. Aber was die Ergebnisse angeht, kann ich sehr, sehr stolz auf meine Tour sein", versuchte er das Positive zu sehen, auch wenn die von der Erkältung hörbar belegte Stimme die Trauer nicht verbergen konnte. Fünf Etappensiege, die nimmt dem 29-Jährigen niemand mehr. "Ich bin sicher, dass der Stolz irgendwann die Enttäuschung übersteigt."
(rsn) - Als Michael Matthews (Sunweb) 2017 erstmals in seiner Karriere das Grüne Trikot der Tour de France eroberte, beendete er eine glanzvolle Frankreich-Rundfahrt, in deren Verlauf er auch zwei Et
01.07.2020Video-Rückblick: Valverdes Tour-Sturz von Düsseldorf(rsn) - Vor genau drei Jahren stürzte Alejandro Valverde (Movistar) beim Auftakt der Tour de France in Düsseldorf im Zeitfahren auf regennasser Straße so schwer, dass dem Spanier sogar das Karriere
30.10.2019Düsseldorf muss Tour de France-Vertrag offenlegen(rsn) - Die Stadt Düsseldorf muss den Vertrag, der zwischen der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens und der französischen Amaury Sport Organisation im Zuge es Tour de France-Starts 2017 geschloss
06.12.2017Fall Sagan: Dimension Data kritisiert Vorgehensweise der UCI(rsn) - Mark Cavendishs Dimension Data-Team fühlt sich bei der Entscheidungsfindung im Fall Sagan übergangen. Wie Manager Douglas Ryder in einer Pressemitteilung erklärte, sei man davon ausgegangen
05.12.2017Sagans Tour-Ausschluss beruhte auf einem Fehlurteil(rsn) - Peter Sagans Disqualifikation nach der 4. Etappe der Tour de France war nicht Folge eines Fehlverhaltens des Weltmeisters, der in einem hart umkämpften Sprint in Vittel den Sturz seines Konku
13.11.2017Sagans Tour-Disqualifikation wird vor dem CAS verhandelt(rsn) - Peter Sagans umstrittene Disqualifikation nach der 4. Etappe der Tour de France wird am 5. Dezember vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS verhandelt. Das geht aus CAS-Terminkalender her
06.09.2017Düsseldorf macht mit Grand Depart 7,8 Millionen Euro VerlustDüsseldorf (dpa) - Die Stadt Düsseldorf hat mit dem Start der Tour de France 2017 einen Verlust von 7,8 Millionen Euro gemacht. Diese Zahl nannte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) bei de
28.07.2017Denk: "Das Material gibt es ja, man muss es nur verwenden"(rsn) - Ralph Denk hat mit Verwunderung auf die Forderung von Philippe Mariën, Chef der Jury der Tour de France, reagiert, künftig bei Radrennen auf den Video-Beweis zu setzen. Hintergrund ist der A
28.07.2017Barguil fährt lieber ohne Powermeter(rsn) – Auch in diesem Jahr brodelt nach der Tour de France in Sachen Teamwechsel die Gerüchteküche, vor allem bei denjenigen Fahrern, deren Verträge auslaufen. Letzeres gilt zwar nicht für Warr
28.07.2017Martens: "Roglic und Groenewegen können Weltstars werden"(rsn) - Paul Martens (LottoNL-Jumbo) hatte bei seiner dritten Tour de France allen Grund zum Jubeln. Sein Team kehrte mit zwei Etappensiegen durch Primoz Roglic und Dylan Groenewegen aus Frankreich zu
28.07.2017Jury-Chef der Tour fordert Video-Beweis für Sprints(rsn) - Philippe Mariën, Chef der Jury der Tour de France, die Peter Sagan nach der 4. Etappe in einer heftig kritisierten Entscheidung wegen dessen vermeintlichem Ellbogencheck gegen Mark Cavendish
28.07.2017Dan Martin fuhr die Tour mit zwei gebrochenen Wirbeln zu Ende(rsn) - Daniel Martin (Quick-Step Floors) hat sich bei seinem Sturz auf der 9. Etappe der Tour de France zwei Wirbel gebrochen. Die Verletzung allerdings wurde erst in dieser Woche bei einer Computert
(rsn) – 22 Jahre ist Fabio Christen (Q36.5 Pro Cycling) alt, und der Schweizer kommt aus einer wahren Radsportfamilie. Schon sein Großvater gehörte zu den besten Straßensportlern und auch sein Va
21.12.2024Red-Bull-Sportchef Aldag über die Transfers von Lazkano und Co.(rsn) – Es war abzusehen, dass Red Bull – Bora – hansgrohe auch in diesem Winter wieder allerhand Veränderungen am Kader für die neue Saison vornehmen würde. Neun Profis stoßen 2025 zum Team
21.12.2024Vandeputte mit Start-Ziel-Sieg zum ersten Weltcuperfolg(rsn) – Dank einer technischen Glanzleistung hat Niels Vandeputte (Alpecin – Deceuninck) in Hulst nicht nur einen Start-Ziel-Sieg, sondern auch seinen ersten Weltcup-Erfolg gefeiert. Der Belgier w
21.12.2024Schreiber startet am schnellsten und bleibt bis zum Schluss vorn(rsn) – Schnellstarterin Marie Schreiber (SD Worx – Protime) hat den Cross-Weltcup in Hulst mit einem Start-Ziel-Sieg für sich entschieden. Lucinda Brand (Baloise – Trek Lions) baute als Zweite
21.12.2024Knolle, Groß, John und Zemke zu rad-net - Rembe - Sauerland(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr
21.12.2024Vom Niemandsland nach Alpe d’Huez in wenigen Monaten(rsn) – Als Ruderin stand Valentina Cavallar schon bei den Olympischen Spielen am Start und ihr Einstieg in den Radsport kam dann doch sehr überraschend. Erst im April fand sie einen Platz bei der
21.12.2024“Riesige Erleichterung“: Auf dem Weg zurück zu alter Stärke(rsn) – Er war noch nicht ganz wieder der Alte, doch nach zwei krankheitsbedingt schwarzen Saisons hat Maximilian Schachmann 2024 endlich erneut aufblitzen lassen können, wozu er fähig ist. Das ge
21.12.2024Van Empel muss Cross-Wochenende auslassen(rsn) - Wegen eines Trainingssturzes muss Weltmeisterin Fem van Empel (Visma – Lease a Bike) die beiden Cross-Weltcups in Hulst und Zonhoven an diesem Wochenende auslassen. Wie die Niederländerin a
21.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem
20.12.2024Meisterschaftsdoppel versöhnte nach Olympia-Enttäuschung(rsn) – Die Olympischen Spiele in Paris hatten die Österreicherin Anna Kiesenhofer (Roland) wieder in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit zurückgeholt. Immer wieder wurde ihre Sensationsfahrt v
20.12.2024Van Aert kehrt in Mol zu seiner ersten Liebe zurück(rsn) - Viel Zeit zur Vorbereitung konnte sich Wout van Aert (30) nicht gönnen. Nach nur drei Tagen im Cross-Training will der Belgier am Montag beim Superprestige in Mol starten. Der Cross-Vizeweltm
20.12.2024Van Schip wegen Drohungen und Beleidigungen gesperrt(rsn) - Wegen "Beleidigungen, Drohungen und unangemessenem Verhalten“ bei der Bahn-WM in Ballerup (Dänemark) hat die UCI den Niederländer Jan-Willem van Schip vom 27. Dezember 2024 bis zum 1. Febr