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03.02.2019 | (rsn) - Marcel Kittel ist ein Hüne. Der 1,88 Meter große Blondschopf hat keine Statur einer Bergziege, sondern ist eher der Typ "Modellathlet", bepackt mit Muskeln, um im Sprint möglichst viel Kraft aufbringen zu können. Am Berg wird ihm das oft zum Verhängnis.
Deshalb gab es einen Abschnitt im Streckenprofi der Trofeo Palma, der ihm nicht wirklich gefiel: der Coll sa Creu, ein 371 Meter hoher Pass am Ende einer 6,4 Kilometer langen Steigung. 35 Kilometer vor dem Ziel des Abschlussrennens der Mallorca Challenge mussten Kittel und die anderen Sprinter dort hinüber, wenn sie anschließend unten in Palma de Mallorca an der Promenade um den Sieg sprinten wollten.
Und deshalb bereitete sich Kittel darauf speziell vor. "Wir sind diesen Anstieg im Trainingslager gefahren und Marcel ist vor vier Tagen nochmal alleine hergekommen, um ihn zu fahren", erklärte Katusha - Alpecins neuer Performance Manager Erik Zabel in einer Pressemitteilung des Teams zum ersten Saisonerfolg von Kittel, dem ersten Sieg nach 328 Tagen - errungen vor Timothy Dupont (Wanty - Gobert) und Hugo Hofstetter (Cofidis), aber eben auch vor André Greipel (Arkéa - Samsic), John Degenkolb (Trek - Segafredo) und Alexander Kristoff (UAE Team Emirates). "Ich glaube, es war wichtig, dass er daran glaubte, es schaffen zu können."
Der Coll sa Creu, etwas nordwestlich von Palma de Mallorca gelegen, ist den meisten Radprofis, die schon mal im Trainingslager auf der Balearen-Insel waren, ohnehin bestens bekannt. Doch Kittel bereitete sich offenbar nochmal akribisch auf ihn vor - auch daran ist zu erkennen, wie viel Bedeutung in diesem ersten Massensprint des Jahres 2019 für ihn lag.
"Das ist mehr als ein Etappensieg, es ist ein kleines Comeback"
"In den letzten Tagen spürte ich, dass ich gute Beine habe und ich bin sehr glücklich, dass ich meinen Teamkollegen diesen Sieg schenken kann - und über das Selbstvertrauen, das er mir so früh in der Saison gibt. Das ist sehr wichtig", erklärte Kittel selbst. "Ich bin sehr, sehr glücklich. Das ist mehr als einfach nur ein Etappensieg, es ist auch ein kleines Comeback nach dem letzten Jahr."
Kittel hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr ihm die Rückschläge der Vorsaison zugesetzt hatten. Er sprach auch Anfang Dezember in Koblenz bei der Teampräsentation noch einmal relativ offen darüber. Auf Mallorca war nun die Erleichterung riesig, dass es mit dem Gewinnen 328 Tage nach seinem letztem Sieg bei Tirreno-Adriatico in Fano im März 2018 endlich wieder geklappt hat.
Dafür, dass es funktionieren würde, gab aber nicht nur er alles. Das gesamte Team Katusha - Alpecin mit Nils Politt, Rick Zabel, Ilnur Zakarin, Enrico Battaglin, Jetnthe Biermans und Ian Boswell stand an diesem Tag voll hinter ihm. Auch Kletter-Ass Ilnur Zakarin nutzte den Coll sa Creu nicht für einen Angriffsversuch, sondern blieb an der Seite seines Sprinters.
Nächstes Rennen: Clasica de Almeria
"Vor dem Abendessen gestern hatten wir ein kurzes Meeting und haben ihn (Kittel, Anm. d. Red.) gefragt, wie er sich fühlt. Er war sehr optimistisch, auch heute am Morgen. Also haben wir unsere Kletterer gebeten, nah bei ihm zu bleiben am Berg, um ihn zu beschützen und ihn drüber zu bringen. Das Team hat sehr gut zusammengearbeitet und am Ende ist er einen großartigen Sprint gefahren", erklärte Erik Zabel, und auch Kittel lobte: "Das Team hat mich so gut unterstützt! Sie alle sind an dem schweren Anstieg bei mir geblieben und ich bin sehr glücklich."
Nun geht es für gut zwei Wochen zurück ins Training, bevor am 17. Februar mit der Clasica de Almeria auf dem spanischen Festland Kittels nächster Renneinsatz wartet - auch dort mit guten Chancen auf einen Massensprint, aber in der ersten Rennhälfte auch einigen Anstiegen. Die dürfte er bisher weniger gut kennen als den Coll sa Creu.
Kittels erste Reaktionen auf den Sieg im Video: