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27.03.2019 | (rsn) - Aus der Vogelperspektive war es gut zu beobachten: Das eine hellblaue Trikot schaffte während der letzten drei Kilometer zum Ziel in De Panne mehrmals den Anschluss an das andere hellblaue Trikot. Doch nach wenigen Sekunden riss der Kontakt zwischen den beiden Profis des Teams Katusha - Alpecin immer wieder ab. Marcel Kittels Tank war am Ende von Driedaagse Brugge-De Panne leer. Es fiel dem 30-Jährigen sehr schwer, das Hinterrad seines Anfahrers Marco Haller zu halten und sich damit im hektischen Finale gegen die Konkurrenz zu behaupten.
"Nach all den Stürzen im Feld waren wir Mitte der letzten Runde wirklich weit hinten. Es hat viel Energie gekostet, um wieder zurückzukommen", versuchte Kittel zu erklären, warum im Finale die Kraft fehlte, stellte dann aber klar: "Das ist keine Entschuldigung: Dylan Groenewegen war an unseren Rädern zu dem Zeitpunkt (Mitte der Schlussrunde) und wie man sieht, war es noch möglich, von da aus zu gewinnen."
Für Kittel war es aber nicht einmal mehr möglich, an seinem Anfahrer dran zu bleiben. Er rollte auf Platz 30 ins Ziel. Der Österreicher hatte sich immer wieder umgeblickt um ihn wieder ans Hinterrad zu bekommen. Auf dem Schlusskilometer beschleunigte Haller dann, fuhr in beeindruckender Manier rechts an der Konkurrenz vorbei und positionierte sich vor der engen letzten Kurve rund 600 Meter vor dem Ziel an einem Bahnübergang innerhalb der ersten acht. Ideal könnte man meinen, doch Kittel war nicht mehr an seinem Hinterrad.
"Es war sehr hektisch, aber ja, ich weiß nicht was los ist", gab sich der enttäuschte Sprint-Kapitän schließlich sehr offen: "Ich will keine Entschuldigungen finden oder sagen, dass alles in Ordnung ist. Ich bin nicht glücklich mit heute, nicht glücklich mit dem, was im Finale passiert ist. Ich muss wieder nachdenken und versuchen, etwas zu verbessern. Es ist auf jeden Fall eine sehr schwierige Zeit."
Erinnerungen ans schwarze Vorjahr werden wach, als Kittel zwar im März bei Tirreno - Adriatico stark aussah und zwei Etappen gewann, danach aber bis zum vorzeitigen Saisonende bei der Deutschland Tour im August meist ein Schatten seiner selbst war.
Im Winter klang er zuversichtlich, das Blatt 2019 wenden zu können - und gleich beim ersten Sprint des Jahres auf Mallorca gewann Kittel die Trofeo Palma. Zwei Wochen später folgte Rang zwei bei der Clasica Almeria auf dem spanischen Festland. Doch anstatt dem geplatztem Knoten, ging es anschließend wieder bergab.
Sitzt das Problem im Kopf oder in den Beinen - oder ganz woanders?
"Ich weiß nicht, ob es mental oder physisch ist - wahrscheinlich eine Kombination aus beidem. Aber es ist momentan schwer, damit umzugehen. Da bin ich ehrlich", sagte Kittel nun in De Panne. Dass er bei der UAE Tour auf der 5. Etappe inmitten der aktuellen Sprint-Weltspitze um Elia Viviani (Deceuninck - Quick-Step) und Fernando Gaviria (UAE Team Emirates) nur um Zentimeter geschlagen Dritter wurde, könnte man als positiven Ausreißer nach oben bezeichnen. Oder eben als den Beweis, dass der Thüringer seine Schnelligkeit und Sprinter-Qualitäten eben doch nicht ganz eingebüßt hat.
Trotzdem haben Misserfolge und Enttäuschungen bei Kittel auch 2019 inzwischen wieder die Oberhand gewonnen. De Panne hat das, nachdem er bei Paris-Nizza an den ersten drei auf dem Papier sprinterfreundlichen Tagen kein Glück mit Rennverlauf und Wetter hatte und dann auf der 4. Etappe nach einem frühen Sturz ausstieg, noch einmal unterstrichen.
Nächste Station: Lieblingsrennen
Die Komponente "Kopf" scheint auf der Suche nach den Gründen für das Ausbleiben des Erfolgs bei Kittel genauso wichtig zu sein wie die Beine. Und wenn das bei Athleten der Fall ist, hängt es meist mit dem Umfeld zusammen. Kittels Team Katusha - Alpecin jedenfalls ist in der aktuellen Weltrangliste der schlechteste WorldTour-Rennstall, und der einzige, vor dem sogar drei ProContinental-Teams rangieren. Der Sprint-Kapitän ist nicht der Einzige, der in der Krise steckt. Fragen nach dem Warum sollten daher wohl eher auf Team- als auf Fahrerebene gestellt werden.
Von De Panne aus wurde Kittel am späten Mittwochnachmittag zum Flughafen gebracht, um wie geplant nach Hause zu fliegen. Dort will er sich nun nach Rücksprache mit Team-Cheftrainer Kevin Poulton konzentriert auf ein Rennen in genau zwei Wochen vorbereiten, bei dem er Rekordsieger ist: der Scheldeprijs. Fünfmal hat Kittel dort schon gewonnen, und seine Fans werden hoffen, dass ihn die positiven Erinnerungen beflügeln und in die Erfolgsspur zurückbringen. Momentan sieht es aber so aus, als müsste man im Falle eines sechsten Erfolgs am 10. April von einer großen Überraschung sprechen.
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