Ein Ecuadorianer triumphiert in Verona

Carapaz am (vorläufigen) Cima Coppi seiner Karriere

Von Peter Maurer und Felix Mattis

Foto zu dem Text "Carapaz am (vorläufigen) Cima Coppi seiner Karriere"
Nur sein Name muss noch eingraviert werden - Richard Carapaz, Gewinner des 102. Giro d´Italia | Foto: Cor Vos

02.06.2019  |  (rsn) – Gerade einmal bei zwei Rennen feierte Richard Carapaz in seiner bisherigen Karriere Etappensiege. Zum einen gewann er in den letzten beiden Jahren jeweils einen Tagesabschnitt und die Gesamtwertung der Asturien-Rundfahrt, zum anderen stehen inzwischen drei Etappensiege sowie seit heute nun der Gesamtsieg beim Giro d'Italia in den Palmares des 26-Jährigen. Als erster Ecuadorianer der Radsportgeschichte hat Carapaz eine Grand Tour gewonnen.

In seiner Heimat ist er in den vergangenen drei Wochen zum Sportheld aufgestiegen. Denn das 17 Millionen Einwohner zählende Land in Südamerika war bislang ein fast weißer Fleck auf der Landkarte des Weltsports. Der Leichtathlet Jefferson Pérez wurde im Gehen 1996 Olympiasieger und drei Mal Weltmeister. Neben ihm steht nun Carapaz und sorgte dafür, dass in Verona die ecuadorianischen Flaggen die sehr ähnlich aussehenden Fahnen der kolumbianischen Fans in ihrer Anzahl sogar übertrumpften.

"Dieser Sieg ist für mein ganzes Volk und für Ecuador, für Lateinamerika und für die ganze Welt. Ich habe den Erfolg unserem Land gewidmet, wo ich mit meinen Eltern, meiner Frau und meinen Kindern leben kann. Das ist etwas ganz Besonderes", erklärte der Gewinner der 102. Austragung der Italien-Rundfahrt.

Mit 15 Jahren kam er zum Radsport, als er die ersten Bilder des Giro d’Italia auf dem Handy gesehen hat. Allerdings keine aktuellen, sondern welche aus den Tagen von Marco Pantani, heißt es. Dieses Schlüsselerlebnis habe seinen Wunsch geweckt, Radprofi zu werden und am Giro teilzunehmen - die perfekte Story eines Giro-Siegers für die Tifosi.

Seine Trainerin bereitete ihn auf den Gesamtsieg vor

Auf knapp 3.000 Metern Seehöhe wuchs Carapaz auf, in der Provinz Carchi. Im kleinen Ort Julio Andrade wohnen seine Eltern und eine seiner Schwestern immer noch - nur wenige Kilometer von der kolumbianischen Grenze entfernt. Besonders schwierig gestalteten sich sein Anfangsjahr, da seine Mutter an Brustkrebs erkrankte und er sich deshalb gemeinsam mit seinem Großvater um den Hof kümmern musste. Er stand um vier Uhr morgens auf, molk die Kühe, brachte sie zur Weide, ging dann in die Schule und nutzte die wenig verbliebene Freizeit zum Radtraining, ehe er sich wieder um die Tiere kümmern musste.

Da der Radsport im Nachbarland Kolumbien um vieles größer ist, wechselte er mit 16 Jahren dorthin. Vier Jahre später ging es für ihn nach Spanien. Zu diesem Zeitpunkt war der Ecuadorianer schon Vater eines Sohnes, wenige Jahre später gebar seine Frau noch eine Tochter. Vor sechs Jahren unterschrieb er einen Vertrag im Farmteam von Movistar, wo er auf Iosune Murillo traf. Die ehemalige Profifahrerin wurde seine Trainerin. Sie war es auch, die ihn 2019 noch einmal speziell auf den Giro vorbereitete, nachdem er im letzten Jahr schon Gesamtvierter geworden war.

"Jetzt glaube ich, dass alles möglich ist"

Die Vorbereitung stimmte perfekt, und so sorgte ihr Schützling für den 15. Grand-Tour-Gesamtsieg der spanischen Mannschaft. Carapaz stellte sich damit auf eine Ebene den Teamlegenden Miguel Indurain und Pedro Delgado sowie seinen aktuellen Teamkollegen Nairo Quintana und Alejandro Valverde, nach dessen Ausfall er erst in die Co-Kapitänsrolle für diese Rundfahrt neben Mikel Landa rückte. "Seine allergrößte Stärke ist seine Beständigkeit. Er lässt einfach nicht nach, vor allem in der dritten Woche einer Grand Tour", erklärte der Teammanager des spanischen WorldTeams Eusebio Unzué im Gespräch mit radsport-news.com.

"Es ist für mich der größte Triumph, den ich je in meinem Leben erreichen konnte. Mir sind hier Dinge widerfahren, die man sich nicht vorstellen kann. Es ist die Erfüllung meiner Träume. Jetzt glaube ich, dass alles möglich ist“, strahlte Carapaz in der Arena von Verona, nachdem er mit Rang 36 im Zeitfahren seinen ersten Gesamtsieg fixierte. "Du spielst dein bisheriges Leben im Kopf durch, all die Arbeit, die du geleistet hast, alles was du für deinen Sport geopfert hast um so einen Erfolg zu erreichen. Das ist ein einzigartiges Gefühl und entschädigt für alle Entbehrungen“, fügte Carapaz an.

Amador: "Unser gemeinsames Ziel war immer das Maglia Rosa"

Den Giro-Triumph hat er aber auch seinen Teamkollegen zu verdanken, die sich über drei Wochen für ihren Jungstar aufgeopfert hatten. Sogar der nominelle Kapitän, Mikel Landa, stellte sich voll in den Dienst des 26-Jährigen.

"Richard ist ein toller Kapitän, sehr bescheiden und einfach. Er ist ein guter Typ", beschrieb ihn sein Sportlicher Leiter Max Sciandri. Und auch Andrey Amador, in den Bergen oft an der Seite des Ecuadorianers, wusste einen wichtigen Baustein des Erfolges: "Man darf nie die Hoffnung aufgeben. Ich habe auch nach der ersten Woche noch an unseren Sieg geglaubt. Bei einer dreiwöchigen Rundfahrt kann immer alles passieren. Wir haben als Team toll gearbeitet und unser gemeinsames Ziel war immer das Maglia Rosa", sagte er.

Nächste Station Vuelta - und wohin geht es dann?

Gegenüber radsport-news.com gab ein Teamkollege dann aber doch auch zu, dass er zwischendurch skeptisch gewesen war: "Ich habe nach der ersten Woche ehrlich gesagt nicht mehr daran geglaubt, dass man Roglic noch schlagen kann", erzählte Jasha Sütterlin, der aber anfügte: "Die Teamleitung war die ganze Zeit aber vom Gegenteil überzeugt und hat uns dementsprechend eingestellt. Deshalb sind wir einen so guten Giro gefahren und haben diesen Erfolg nun geschafft."

In den kommenden Tagen wird Carapaz seinen großen Rosa-Coup feiern und genießen, doch dann beginnt bereits die Arbeit für das nächste Ziel. Denn der Giro-Sieger soll Ende August zur Vuelta a Espana starten. In der Zwischenzeit wird sich Unzue aber bemühen müssen, seinen neuen Superstar von einer neuen Vertragsunterschrift zu überzeugen. Carapaz' Vertrag laufe Ende des Jahres aus, heißt es. Und bei Ineos scharre man bereits mit den Hufen, das Kletter-Ass verpflichten zu können. 

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.10.2019Martens wurmt Roglics verpasster Giro-Sieg

(rsn) - Nach 60 Renntagen beendete Paul Martens vor drei Wochen beim belgischen Eintagesrennen Binche - Chimay - Binche ein Radsportjahr, in dem er sich wieder in den Dienst der Mannschaft gestellt ha

01.08.2019Sieg in der Wallonie: Cimolai kämpft sich aus Lebenskrise

(rsn) - Davide Cimolai (Israel Cycling Academy) hat sich aus einer Lebenskrise gekämpft und ist bei der Tour de Wallonie (2.HC) auch sportlich wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Der Italiener

10.07.2019Dumoulins Knieverletzung schlimmer als gedacht

(rsn) - Tom Dumoulins Knieverletzung, die ihn beim Giro d`Italia zum Ausstieg und auch zur Absage der Tour de France zwang, ist schlimmer als befürchtet. Wie die niederländische Zeitung De Telegraa

05.06.2019Wird Lopez für Schlag gegen Zuschauer doch noch bestraft?

(rsn) - Im laufenden Giro d´Italia entging Miguel Angel Lopez (Astana) einer Strafe, als er im letzten Anstieg der Italien-Rundfahrt von einem Zuschauer zu Boden gerissen worden war und diesen deshal

04.06.2019Giro d´Italia 2019: Analyse, Tops & Flops

(rsn) - Im gemeinsamen Podcast von radsport-news.com und meinsportpodcast.de werfen Malte Asmus, Eric Gutglück und Marc Winninghoff einen Blick zurück auf den 102. Giro d’Italia, der mit dem über

04.06.2019Martens: “Movistar hatte immer alles unter Kontrolle“

(rsn) - Zum erhofften Gesamtsieg hat es nicht gereicht, aber Jumbo - Visma scheint auch mit dem dritten Platz von Primoz Roglic beim Giro d’Italia zufrieden zu sein. Routinier Paul Martens etwa, der

04.06.2019Bora - hansgrohe kehrt mit vielen Lorbeeren vom Giro zurück

(rsn) - Mit drei Etappensiegen, dem Maglia Ciclamino sowie einem sechsten Gesamtrang kehrte das deutsche Team Bora - hansgrohe vom 102. Giro d’Italia zurück. Zudem erreichten alle acht Fahrer am

03.06.2019Startet der Giro 2020 im Zwift-Stil?

(rsn) - Seit einiger Zeit kursieren Gerüchte, wonach der Giro d’Italia 2020 mit einem “virtuellen Zeitfahren“, vergleichbar den Zwift-Wettbewerben, beginnen könnte. Möglicherweise handelt es

03.06.2019Gazzetta: Team Ineos will Carapaz´ Gehalt verzehnfachen

(rsn) – Mit Chris Froome und Geraint Thomas hat das Team Ineos die Tour-Sieger der vergangenen vier Jahre in seinen Reihen. Dazu kommen mit den aufstrebenden Egan Bernal und Pavel Sivakov zwei Talen

03.06.2019Cipollini: “Ackermann ist der perfekte Athlet“

(rsn) - Mario Cipollini hält Pascal Ackermann (Bora - hansgrohe) nach dessen Auftritt beim 102. Giro d’Italia für einen potenziellen Mailand-Sanremo-Gewinner. "Ackermann ist der perfekte Athlet un

03.06.2019Roglic empfindet seinen dritten Platz wie einen Sieg

(rsn) - Nach einer grandiosen ersten Giro-Hälfte mit den Siegen in den beiden Zeitfahren und vier Tagen im Rosa Trikot lief bei Primoz Roglic (Jumbo - Visma) seit der 15. Etappe mit dem schlecht orga

03.06.2019Nibali: “Ich habe nichts zu bereuen“

(rsn) - Zwar machte Vincenzo Nibali (Bahrain - Merida) im abschließenden Zeitfahren des 102. Giro d’Italia nochmals deutlich Boden gegenüber Richard Carapaz (Movistar) gut. Die 49 Sekunden, die de

Weitere Radsportnachrichten

05.11.2024Maas künftig Teamkollege von Buchmann?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

05.11.2024Vollerings neues Team hat langfristige Planungssicherheit

(rsn) - Die Equipe FDJ - Suez kann langfristig planen. Wie der ambitionierte französische Frauen-Rennstall bekannt gab, habe man sich mit den beiden Namenssponsoren auf Vertragsverlängerungen bis je

05.11.2024Tod der Mutter verdrängte sportliche Erfolge in den Hintergrund

(rsn) – Hinter Anton Albrecht (P&S Metalltechnik – Benotti) liegt ein schwieriges Jahr. Im Saisonverlauf wusste er zu überzeugen und sich etwa mit einem zweiten Etappenrang bei Belgrade Banjaluka

05.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

04.11.2024Krankheiten und Reisestress raubten die Freude am Radsport

(rsn) – Erst zur Saison 2023 wechselte Mountainbiker Pirmin Eisenbarth auf die Straße und sorgte in Diensten des deutschen Kontinental-Teams Bike Aid mit zahlreichen Spitzenplatzierungen für Furor

04.11.2024Van Anrooij an verengter Beckenarterie operiert

(rsn) - Shirin van Anrooij wird auf Einsätze in dieser Cross-Saison verzichten müssen. Wie die 22-jährige Niederländerin auf Instagram mitteilte, sei sie an einer verengten Beckenarterie ihres lin

04.11.2024Gemischte Gefühle nach größtem Karriereerfolg

(rsn ) – Nach zwei Jahren bei Lotto – Kern Haus wechselte Ole Theiler im vergangenen Winter zu Storck – Metropol, um sich in seinem letzten U23-Jahr als Kapitän für ein Profiteam zu empfehlen.

04.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

03.11.2024Ein Lernjahr mit einem großen Rückschlag

(rsn) – 2024 war ein Jahr mit Licht und Schatten für Fabian Steininger (Maloja Pushbikers). Der 24-jährige Österreicher ging in seine zweite Saison beim deutschen Kontinental-Team und fühlte si

03.11.2024Nys fliegt in Pontevedra zu seinem ersten großen Titel

(rsn) – Nach seinem schwarzen Tag in Pontchateau im letzten Jahr hat der Belgier Thibau Nys im spanischen Pontevedra zum Abschluss der Cross-Europameisterschaften seinen ersten großen Titel in der

03.11.2024Van Empel zum dritten Mal in Folge Europameisterin vor Alvarado

(rsn) – Fem van Empel heißt die alte und neue Cross-Europameisterin. Im spanischen Pontevedra schlug die Niederländerin bei sommerlichen Temperaturen im Sprintduell ihre Landsfrau Ceylin del Carme

03.11.2024Nach Haverdings Pech macht Michels die Titelverteidigung klar

(rsn) – Jente Michels ist bei der Cross-EM im spanischen Ponteverda die Titelverteidigung im U23-Rennen der Männer gelungen. Der 21-jährige Belgier setzte sich auf dem technisch anspruchsvollen un

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine