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18.08.2019 | (rsn) - Tour de France-Organisator ASO erweitert mächtig sein Einsatzgebiet. Vom Polarkreis bis in die Wüste, von Australien bis Kalifornien und Kolumbien veranstaltet das Unternehmen Radsportevents. Eine Analyse aus Anlass des Arctic Race of Norway.
Räder sind in Norwegen durchaus beliebt. Am Samstag jagten zahlreiche Amateurathleten den Storheia hoch. Dieser Berg in der nordnorwegischen Region Vesteralen wird, seit das Arctic Race of Norway ihn im Programm hat, der “norwegische Mont Ventoux“ genannt. Er ist tatsächlich ein wenig kahler als die Anhöhen ringsum. Er wird wie der Ventoux von einem Antennenmast gekrönt. Und vom Gipfel aus hat man einen tollen Rundumblick, eindrucksvoller noch als vom “Giganten der Provence“ aus. Denn man blickt auf die von Fjorden zerklüftete und von kantigen Höhenzügen bedeckte Inselgruppe der Lofoten. Die Räder, mit denen die Radsportfans den Storheia erklommen, hatten allerdings kleineres Format. Es waren Skiroller, auf denen das Wintersportvolk im nordischen Sommer “seinen“ Ventoux eroberte.
Volkssportevents wie dieser gehören zum Beiprogramm des Arctic Race. Bei den flacheren Etappen waren an Start und Ziel Mountainbike-Rennen für Kinder organisiert. Höhepunkt für die Kinder war, dass sie am Ende durch das Spalier der Königlichen Garde fahren konnten. Das Musikkorps dieser Eliteeeinheit hatte sich mit seinen hohen Mützen, den überdimensionierten Epauletten und den blitzblank gewienerten Musikinstrumenten vom Hauptquartier Oslo aus in den hohen Norden begeben.
Kinder für den Radsport zu gewinnen, ist die neue Maxime von Tourausrichter ASO. Das Pariser Unternehmen baut sein weltweites Netz aus Rundfahrten und Eintagesrennen immer weiter aus. “Wir haben das Saitama Criterium in Japan, das Shanghai Criterium in China. Wir haben die Tour de Yorkshire entwickelt und die Deutschland Tour“, sagt Claude Rach, oberster Rennentwickler bei der ASO, zu radsport-news.com.
Auch die Spanien-Rundfahrt und die belgischen Klassiker Lüttich – Bastogne – Lüttich und Wallonischer Pfeil sowie die Oman-Rundfahrt gehören zum Portfolio. Weniger bekannt sind manche Kooperationen in Sachen Logistik, Sponsoring und TV-Rechten. “Wir kooperieren mit der Tour Down Under in Australien, mit der Kalifornien-Rundfahrt und seit jüngerer Zeit auch mit der Katalonien-Rundfahrt“, erzählt Rach. Kaum ein Kontinent also, der nicht mit Rennen bestückt ist, auf denen irgendwo das Logo des Tour de France-Ausrichters klebt.
Immer wieder dabei: Tourteufel Didi Senft
In Lateinamerika, wo die ASO noch kein Profirennen hat, betreibt sie immerhin Ableger des Jedermann-Events l’Etape du Tour. Mexiko, Brasilien und Kolumbien zählt Rach als Stationen auf. Immer wieder dabei ist übrigens auch Tourteufel Didi Senft. Er soll das von den Fernsehübertragungen gewohnte Tour-Flair verbreiten. “Ich war schon mehrfach in Mexiko, Kolumbien und auch Brasilien bei den Jedermannrennen. Sie buchen mich, ich fliege hin und sie bringen mich dann an die Strecke“, erzählt der Teufel radsport-news.com. In seinem rotschwarzen Outfit war er natürlich auch beim Arctic Race zugegen, begleitet übrigens vom Grünen Teufel, der seit ein paar Jahren ebenfalls die Tour unsicher macht.
Die Jedermannrennen Marke l’Etape du Tour und die Profirennen – oft genug sind sie auch verbunden, wie etwa bei der Tour selbst oder bei Paris – Roubaix, noch so ein ASO-Rennen – sollen den Bekanntheitsgrad der Tour weiter erhöhen und eine langfristige Bindung an den großen Rennevent kreieren.
“Wir wollen, dass die Champions von Morgen im Publikum hier in Norwegen und dann auch in Deutschland sind. Eines Tages, wenn ein deutscher Fahrer bei der Tour de France jubelt, soll er sagen können: Ich war als Kind auf den Straßen von Karlsruhe oder Frankfurt bei der Deutschland Tour. Und ein norwegischer Profi, der bei der Tour erfolgreich ist, hat vielleicht gerade jetzt in Straßen von Leknes gestanden“, malt Laurent Lachaux, Marketingchef für alle ASO-Rennen, ein ganz idyllisches Zukunftsbild.
Leknes war der erste Etappenort der diesjährigen Ausgabe des Arctic Race. In seiner unnachahmlichen Art, mit einem langgezogenen Sprint, überraschte dort der große Disziplinenwechsler Mathieu van der Poel seine Konkurrenz und holte sich auch gleich das Führungstrikot. Mit der Gesamtwertung am Ende hatte er – das hatte er auch so erwartet – allerdings nichts zu tun. Der Storheia war zu lang und zu steil für den explosiven Moutainbiker. Die gelernten Straßenfahrer Alexej Lutsenko und Warren Barguil machten den Sieg unter sich aus. Der Kasache gewann mit einer Sekunde Vorsprung. Norwegische Profis gewannen im Feld der vier World Tour-Teams, 13 Pro Kontinental- und drei Kontinental-Rennställe immerhin zwei der vier Etappen. Das erfreute das Publikum. Und es zeigt auch, wie stimulierend größere Rennen für die Entwicklung der Basis ist. Das Arctic Race gibt es immerhin schon seit 2013. Und gut möglich, dass die Etappensieger einst selbst an der Strecke standen.
Rach: “Deutschland war ein weißer Fleck auf der Karte“
Das Rennen in Norwegen war das erste, dass Rach in Eigenregie für die ASO entwickelte. Es folgte einem von drei Grundszenarios, die der ASO-Expansion zugrunde liegen. “Eine Möglichkeit ist, dass Anfragen an uns herangetragen werden. Das war hier in Norwegen der Fall. Wir haben das Projekt dann ausdiskutiert und gemeinsam entwickelt“, erzählt Rach. Manchmal trifft die ASO aber auch selbst eine strategische Entscheidung und will sich einen Markt erobern, Beispiel Deutschland Tour.
“Deutschland war ein weißer Fleck auf der Karte, für uns jedenfalls. Es war klar für uns, dass wir mit dem Potenzial, das wir in Deutschland sehen, dort etwas machen müssen“, blickt Rach auf die Entstehung des im letzten Jahr zum ersten Mal ausgetragenen Rennens zurück. Im Gegensatz zu Norwegen, wo Sponsoren aus der Privatwirtschaft und die öffentliche Hand komplett für die Finanzierung des Rennens aufkommen, schreibt die ASO bei der Deutschland Tour noch rote Zahlen. Das gibt Rach auch unumwunden zu. “Die Richtung aber stimmt. Wir machen große Schritte, und können in diesem Jahr einen neuen wichtigen Sponsor begrüßen und haben mit Julian Alaphilippe, Geraint Thomas, Vincenzo Nibali und allen deutschen Fahrern ein noch attraktiveres Starterfeld als letzte Saison“, meint Rach.
Die Gründe dafür, dass die Deutschland Tour finanziell noch nicht recht läuft, sehen Rach und Lachaux in der anhaltenden Vorsicht der Großsponsoren. Rach führt aber auch den Kostenfaktor Sicherheit ins Spiel. “Rennen in Deutschland sind sehr teuer. Ein Grund sind all die Absperrmaßnahmen. Man kriegt sehr viele zusätzliche Auflagen. Das sind Steckenpläne, die man erstellen und Streckenposten, die man selber aufbringen muss. Auch für Terrorsperren muss man aufkommen. Das ist ein extremer Kostenaufwand“, sagt Rach, und lässt durchblicken, dass in Frankreich und Belgien größeres Entgegenkommen gegenüber Rennveranstaltern herrsche. “Dass wir nach Deutschland gegangen sind, hat eben auch damit zu tun, dass viele kleinere Veranstalter es gar nicht mehr gepackt haben, all diese Auflagen einzuhalten“, meint Rach. Er hofft, dass im Falle einer erfolgreichen Deutschland Tour “die Politik hier etwas sensibler wird“, wie er sagt, und allen Rennveranstaltern, auch den kleineren, bei den Rahmenbedingungen entgegen kommt.
ASO auf demWeg zum Monopolisten?
Ein weiteres Expansionsszenario ist direkt mit der Tour de France verknüpft. Die Tour de Yorkshire in England ist ein direkter Spin-Off des Grand Departs 2014. “Wir wollten unbedingt in diese Radsport-verrückte Region. Jetzt gibt es dort nicht nur das Etappenrennen, sondern in diesem Herbst auch die Weltmeisterschaft“, beschreibt Rach die Synergieeffekte.
Der Tour de France-Organisator hat sich ein ganz eigenes Ökosystem des Rennsports zusammengebaut. Etwa zwei Drittel des weltweiten Rennkalenders gehört zur ASO oder ist über Kooperationen mit dem Tourorganisator verbunden. Das sieht sehr nach Markt beherrschender Stellung aus. “Nein, wir streben hier kein Monopol an, das ist nicht unser Interesse“, wehrt Marketingchef Lachaux den Vorwurf ab. “Wir wollen einfach nur Rennen von hoher Qualität organisieren, mit Zugang für möglichst viele Menschen und auf die Bedürfnisse der jeweiligen Städte und Regionen zugeschnitten“, sagt er.
Ganz praktisch, dass sich dabei die Fanbasis der Tour de France fast automatisch vergrößert, engere Kooperationen mit den TV-Stationen der Ausrichterländer eingegangen werden und der größere Publikumszuspruch und die erhöhten medialen Reichweiten dann auch neue Sponsoren anlocken. Eine echte Zauberformel. Wie hoch das Budget der Tour de France ist, will Lachaux aber auch in der relativen Einsamkeit nördlich des Polarkreises nicht verraten. Sind es 100 Millionen, 120 Millionen, gar 150 Millionen Euro? “Zu den Zahlen geben wir generell keine Auskunft“, meint er lächelnd. Für die strategische Alimentierung der Deutschland Tour reichen die Einnahmen aber wohl locker.
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