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23.05.2020 | (rsn) - Es ist ein Drama in zwei Akten, das zum völligen Kollaps des Hauptdarstellers führt, ehe im Epilog doch noch seine große Glanzstunde folgt: der Giro d'Italia 2005 des Ivan Basso.
Am Morgen des 21. Mai, der 13. Etappe von Mezzocorona im Trentino nach Sankt Ulrich in Südtirol, saß der damals 27-jährige Italiener in der Pole Position. Basso hatte bis dato zwar noch keine Etappe gewonnen, doch der Tour-de-France-Dritte des Vorjahres, der zu Ehren seiner im Januar an Krebs gestorbenen Mutter die Italien-Rundfahrt als erstes Saisonziel anvisiert und letztlich als Top-Favorit in Kalabrien am Start gestanden hatte, hielt das Ruder beim Giro fest in der Hand.
Nach Rang zwei im Einzelzeitfahren von Florenz und Platz zwei bei der Bergankunft am Zoldo Alto streifte er das Maglia Rosa über, und auch wenn Paolo Savoldelli (Discovery Channel) nur 18 Sekunden hinter ihm lag, so schien der CSC-Kapitän auf dem Weg in Richtung Gesamtsieg zu sein. Doch irgendwo zwischen der Eroberung des Rosa Trikot und dem Etappenstart in Mezzocorna rund 40 Stunden später, war offenbar etwas schiefgelaufen.
Denn auf dem Weg nach Südtirol beginnt Basso zu wanken. Lange Zeit konnte er es auf dieser 218 Kilometer langen Etappe über sieben Pässe - darunter der berüchtigte Pordoi und der Passo delle Erbe - kaschieren. Doch im Schlussanstieg von Waidbruck (Ponte Gardena) hinauf nach Sankt Ulrich (Ortisei) gehen ihm die Kräfte aus. Als dann rund fünf Kilometer vor dem Ziel Damiano Cunego beschleunigt und einen Angriff von Gilberto Simoni vorbereitet, hat er nichts mehr entgegenzusetzen. Während die Favoritengruppe explodiert und hinter Simoni herspurtet, was nur Savoldelli richtig gelingt, bleibt Basso sitzen, tritt sein Tempo weiter und fällt Meter um Meter zurück.
Er verliert 1:08 Minuten auf den "Falken" Savoldelli, der wegen seiner famosen Abfahrtskünste diesen Spitzname trägt und nun Rosa übernimmt, ist aber mit 50 Sekunden Rückstand weiterhin Gesamtzweiter. Bassos Fans glauben weiter fest an den Giro-Sieg, doch im Nachhinein ist dieser Tag in Südtirol nur der Anfang vom Ende der Gesamtsiegs-Ambitionen.
Die 13. Etappe nach Ortisei im Video (Text geht danach weiter):
Über Nacht bessert sich Bassos Befinden kaum - eher im Gegenteil. Der Italiener kämpft mit schweren Magenproblemen, kommt kaum zum Schlafen und weiß schon am Start der Königsetappe in Neumarkt (Egna), dass ihm ein grauenvoller Tag blüht. Über das Stilfserjoch und den Passo di Foscagno geht es auf 210 Kilometern nach Livigno. In der ersten Rennhälfte hält Basso mit, quält sich im Peloton und hält die Hoffnungen am Leben. Doch am berüchtigten Stelvio gehen ihm die Lichter aus.Schon im unteren Teil der 23 Kilometer langen Steigung fällt Basso aus dem noch recht großen und von Savoldellis Discovery Channel-Team angeführten Hauptfeld zurück. Die CSC-Helfer um Fränk Schleck versammeln sich in voller Mannschaftsstärke um ihren Kapitän, und Christian Vandevelde versucht ihn vor den TV-Kameras zu schützen. Basso ist geschlagen, doch seine Teamkollegen erweisen ihm eine besondere Ehre und geben moralische Unterstützung in der hoffnungslosen Situation - gerade mit Blick auf die Tour de France im Juli, wo Basso ebenfalls gewinnen will, ein wichtiges Signal.
Comeback nach nur drei Tagen
Warum tut er sich das an, musste man sich fragen, wenn man Basso auf dieser 14. Etappe des Giro 2005 wie ein Häufchen Elend den Stelvio hinaufpedalieren sah. Doch der Italiener gab nicht auf, im Gegenteil: In dieser dunklen Stunde am Stelvio versprach er Teamchef Bjarne Riis, noch während dieses Giro eine Etappe zu gewinnen. Er quälte sich, biss sich durch und erreichte nach 7:28:48 Stunden das Ziel in Livigno - 42:15 Minuten nach Tagessieger Ivan Parra (Colombia - Selle Italia) und 38:32 Minuten nach Savoldelli, der eine Woche später in Mailand den Giro gewinnen sollte.
Savoldelli und Gilberto Simoni (Lampre - Caffita) sowie José Rujano (Colombia - Selle Italia) und Danilo Di Luca (Liquigas) lieferten sich bis zum Schluss einen harten Vierkampf um den Giro-Sieg, doch Basso machte sein Versprechen wahr: Zwei Flachetappen und einen Ruhetag nach seinem K.O. am Stilfserjoch entschied er als Solist die 17. Etappe in Limone Piemonte für sich, um tagsdrauf auch noch das Einzelzeitfahren von Turin zu gewinnen.
Zwei Monate danach wird Basso hinter Lance Armstrong Tour-Zweiter und ein Jahr später kehrt er zum Giro zurück, um das Magen-Darm-Aus vergessen zu machen: Er gewinnt das Rennen 2006 in schier unglaublicher Dominanz mit über neun Minuten Vorsprung, kurz bevor ihn die Operacion Puerto um Dopingarzt Eufemiano Fuentes stoppt.
Bassos totaler Einbruch am Stilfserjoch 2005 im Video:
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