Die große Strade-Bianche-Nachlese

Alaphillippe stoppten fünf Defekte, Fuglsang überhitzte

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Szene aus 14. Strade Bianche | Foto: Cor Vos

02.08.2020  |  (rsn) – Vor der Strade Bianche hatte Wout Van Aert (Jumbo – Visma) zwei Kommentare abgegeben, die er im Rennen eindrucksvoll belegte. Er habe im Höhentrainingslager seine Kletterfähigkeiten verbessert und wisse, dass er die Strade Bianche nur als Solist gewinnen könne und deshalb attackieren müsse, so der Belgier.

Gesagt, getan. In der letzten bergaufführenden Schotterpassage 13 Kilometer vor dem Ziel zog der Jumbo-Kapitän aus der kleinen Spitzengruppe davon und sicherte sich nach zwei dritten Plätzen in den letzten beiden Jahren in der Altstadt von Siena seinen ersten Sieg in einem Eintagesrennen der WorldTour-Kategorie.

“Es ist schön sagen zu können, dass meine Saison schon nach dem ersten Rennen nach der Pause ein Erfolg ist. Ich wollte mir die Chance nicht entgehen lassen. Ich war sehr fokussiert auf das Renne und das zahlte sich aus“, meinte Van Aert nach einem brutal harten Rennen bei extrem hohen Temperaturen und elf schwer zu befahrenden Schotterpassagen, auf denen es Defekte nur so hagelte.

Hinter dem Belgier landeten mit rund 30 Sekunden Rückstand der Italiener Davide Formolo (UAE Team Emirates) und Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) auf den Positionen zwei und drei. Bereits 2019 hatten die beiden – damals noch Teamkollegen - bei Lüttich – Bastogne – Lüttich die gleichen Platzierungen herausgefahren. "Das war eine exzellente Attacke von Van Aert. Er hat heute eindeutig seine Crosserqualitäten unter Beweis gestellt“, lobte der Deutsche Meister den Mann des Tages.

Schachmann und Formolo kamen mit der Hitze gut zurecht

Auch wenn sie die entscheidende Attacke von Van Aert nicht parieren konnten, zeigten sich Formolo und Schachmann mit ihren Ergebnissen zufrieden. "Ich habe mich gut gefühlt und bin am Ende etwas Risiko eingegangen, um es aufs Podium zu schaffen“, erklärte der Italienische Meister, der sich etwas weniger entschlossen wie Schachmann an der Nachführarbeit beteiligte, dann aber im Schlussanstieg hinauf seinem früheren Mannschaftskollegen davon zog. "Es war ein hartes Rennen und ganz sicher bin mit dem Podiumsplatz nicht enttäuscht“, so Schachmann über seinen dritten Platz, den er bei Temperaturen bis zu 37 Grad herausfuhr.

Dem Spitzentrio machten die extremen Bedingen vergleichsweise wenig zu schaffen. “Ich dachte, es würde wegen der Hitze schlechter laufen“, meinte etwa Schachmann, Formolo fügte an: "Mir machte die Hitze nicht wirklich was aus, da ich gerade von einem Training in Sestriere angereist bin.“ Weniger besser lief es dagegen bei den Konkurrenten. Der Vorjahreszweite Jakob Fuglsang (Astana) etwa, der gut 50 Kilometer mit seiner Attacke die vorentscheidende Spitzengruppe initiiert hatten, "explodierte danach wegen der Hitze“, wie er anmerkte. "Ich war überhitzt und es war schwierig, meine Beine wieder zu finden“, so der routinierte Däne, der noch einen guten fünften Platz belegte – allerdings fast drei Minuten hinter dem Sieger.

Vor Fuglsang landete noch der Italiener Alberto Bettiol (Education First). Der Gewinner der letztjährigen Flandern-Rundfahrt hatte es kurz vor Van Aerts Attacke vergeblich probiert, als die Spitzengruppe noch aus sechs Fahrern bestand. Und als der dreimalige Crossweltmeister schließlich antrat, musste auch Bettiol passen und nicht nur Van Aert, sondern kurze Zeit später auch Schachmann und Formolo ziehen lassen. "Am Ende wurde ich von Kletterern an einem Anstieg abgehängt. Ich habe mir also nichts vorzuwerfen. Vielleicht musste ich meinen Anstrengungen von zuvor Tribut zollen, als ich Schachmann und Formolo nicht mehr folgen konnte. Der vierte Platz ist für mich ein tolles Ergebnis für den Re-Start“, freute sich Bettiol dennoch über sein Ergebnis.

Titelverteidiger Alaphilippe mit fünf Defekten

Pechvogel des Tages war Titelverteidiger Julian Alaphilippe (Deceuninck – Quick-Step), der von gleich fünf Defekten heimgesucht wurde. Bereits nach zehn Kilometer musste der Franzose dem Feld das erste Mal hinterherjagen. Es entpuppte sich als kein gutes Omen für die Jagd durch die Toskana, die er letztlich auf Rang 24 abschloss, 15 Minuten hinter Van Aert. “Es war heute unmöglich zu gewinnen. Als ob das Rennen schon so nicht hart genug gewesen wäre, machten es die Defekte noch schwerer. Aber aus Respekt vor dem Rennen, das ich so sehr liebe, wollte ich es zu Ende fahren“, erklärte Alaphilippe, der dennoch zumindest die erste ernstzunehmende Attacke gesetzt und somit für eine erste Selektion gesorgt hatte.

Etwas besser lief es für seinen Teamkollegen Zdenek Stybar, der das Rennen 2015 gewonnen hatte und diesmal als Sechster zumindest in den Top Ten landete, nachdem er im vergangenen Jahr bei Alaphilippes Sieg Vierter geworden war. “Das ist ein schönes Ergebnis, auch wenn ich auf mehr gehofft hatte.“ Auch der Tscheche war aufgrund der Hitze nicht in der Lage zu reagieren, als sich Van Aert, Formolo, Schachmann, Bettiol, Fuglsang und Greg Van Avermaet (CCC) absetzten. “Ich wusste, dass es wichtig war, ruhig zu bleiben. Ich bin dann mein eigenes Tempo gefahren, das hat sich dann ausgezahlt“, meinte Stybar nach seinem sechsten Top-Ten-Platz in Folge.

Van Avermaet: 30 Kilometer vor dem Ziel "gingen die Lichter aus"

Auf seinen ersten Sieg in Siena hatte Van Avermaet gehofft. Dann jedoch flog der Olympiasieger auf den letzten 30 Kilometern aus der Spitzengruppe heraus, um in Siena Achter zu werden. “Das war einer der härtesten Tage auf dem Rad überhaupt. Ich mag das Rennen immer noch. Aber fragt mich besser morgen noch mal, ob ich froh bin, wieder im Rennsattel zu sitzen“, spielte der erfahrene Belgier auf die extrem schwierigen Bedingungen an, die den Fahrern alles abverlangten.

“Die Hitze und die ersten Tempoverschärfungen haben mir die Kraft geraubt. Ich habe versucht, so lange wie möglich in der Sechserspitzengruppe zu bleiben. Aber da spürte ich schon, dass ich nicht gewinnen konnte“, sagte Van Avermaet und fügte an, dass es ihm schon immer schwer gefallen sei, nach einer längeren Pause gleich ein großes Rennen bestreiten zu müssen. “Das heute war eben nicht die Valencia-Rundfahrt. Ich hatte schon in der U23 Probleme damit, wenn als erstes ein großer Klassiker anstand“, gestand er.

"Als van der Poel Defekt hatte, erhöhten die anderen Teams das Tempo"

Deutlich mehr erhofft hatte man sich bei Alpecin – Fenix, zumal Strade-Debütant Mathieu van der Poel von einigen gleich zum Top-Favoriten erklärt worden war. Doch auch der Niederländer konnte nicht in die Entscheidung eingreifen und musste sich mit Rang 15 begnügen – mehr als zehn Minuten hinter seinem langjährigen Cross-Kontrahenten Van Aert. Verantwortlich für das für ihn enttäuschende Abschneiden machte van der Poel einen Defekt 40 Kilometer vor dem Ziel.

"Dort habe ich ein gutes Ergebnis liegen lassen. Es war wirklich der ungünstigste Zeitpunkt. Mit Alaphilippe und anderen habe ich alles versucht, um wieder zurückzukommen. Aber es war so unglaublich heiß und wir waren schon über unserem Limit“, erklärte der 25-Jährige. Teamkollege Floris De Tier, der seinem Kapitän in diesem Moment sein Rad überlassen hatte, machte dagegen den Konkurrenten Vorwürfe. "Natürlich wurde über den Funk mitgeteilt, dass Mathieu Defekt hatte. Da haben die anderen Teams sicherlich das Tempo noch mal erhöht“, vermutete De Tier.

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