RSN-Rangliste, Platz 34: Matthias Brändle

Im Giro-Sprintzug fehlte der letzte schnelle Mann

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "Im Giro-Sprintzug fehlte der letzte schnelle Mann"
Matthias Brändle (Israel Start-Up Nation) | Foto: Cor Vos

03.12.2020  |  (rsn) - Seine zwölfte Saison als Profi absolvierte der Vorarlberger Matthias Brändle (Israel Start-Up Nation). Mit der israelischen Mannschaft stieg er zu Jahresbeginn in die höchste Ebene des Radsports auf, stand in der durch Corona lang unterbrochenen Saison beim Giro d’Italia am Start und durchlebte einige Höhen und Tiefen.

Der am kommenden Montag 31 Jahre alt werdende Hohenemser eröffnete sein Jahr auf Mallorca und auf dem spanischen Festland. "Wir hatten dort ein Trainingslager und ich wollte gleich ein paar Rennen fahren. Ich brauche immer ein paar Tage, bis ich reinkomme und das habe ich auch 2020 wieder gesehen. In Valencia war es dann auch noch hart, aber in der Provence ist es schon richtig gut gerollt", erzählte Brändle, der 2019 nach Israel wechselte, mit Blick auf die Tour de La Provence Mitte Februar.

Auf der 4. Etappe von Avignon nach Aix-en-Provence hätte er fast aus einer erfolgreichen Ausreißergruppe heraus seinen ersten Saisonsieg gefeiert Wenige Sekunden vor dem herannahenden Hauptfeld bezwang ihn allerdings der Brite Owain Doull (Ineos) im Sprintduell: "Es war schade, aber zumindest wusste ich, dass die Form gut ist", sagte Brändle dazu.

Danach folgte mit der UAE Tour sein erstes WorldTour-Rennen der Saison, das allerdings auch das für längere Zeit letzte werden würde - was Brändle damals noch nicht wissen konnte. "Die UAE Tour war für uns der erste Kontakt mit dem Coronavirus. Davor wusste man ja nur, dass in China irgendwas ausgebrochen sein sollte, ganz weit weg von uns und in Europa. Plötzlich gab es die ersten Ansteckungen bei der Rundfahrt und wir mussten im Hotel bleiben", erinnerte er sich an die turbulenten Ereignisse vom Frühjahr.

Als wenige Wochen später die Fernfahrt Paris-Nizza auch abgebrochen wurde, war für den Radsport eine lange Pause angesagt. "Es hat sich schon viel geändert seit damals. Wenn ich denke, dass wir in den Emiraten noch mit allen Teams gemeinsam im Speisesaal waren. Auch damals waren wir Kontaktpersonen, wurden dann einmal getestet und durften heimfliegen. Mittlerweile ist im Radsport alles viel isolierter", erzählte der ehemalige Stundenweltrekordler.

Knappes Rennen um Österreichischen Zeitfahrtitel

In der Pause bereitete Brändle sich in seiner Heimat vor, verzichtete auf Trainingslager in der Höhe, auch weil sein Vater einen schweren Motorradunfall erlitt und drei Wochen auf der Intensivstation verbrachte. "Da wollte ich natürlich in der Nähe bleiben und ihn regelmäßig besuchen", erklärte er. Mitterweile erholt sich der Vater zu Hause von seinen Sturzfolgen.

Seinen perönlichen Re-Start absolvierte Brändle bei der Sibiu Tour. "Der Auftakt nach der Pause in Rumänien war eine willkommene Abwechslung für mich. Ich wollte den Prolog gewinnen, aber als dann leider der Regen einsetzte, war es vorbei mit diesem Traum", erinnerte sich Brändle, der am nassen Kopfsteinpflaster in der siebenbürgischen Stadt nichts riskieren wollte: "Ein Familienmitglied auf der Intensivstation genügt."

Knapp einen Monat später feierte er in seiner Spezialdisziplin dann doch noch einen Sieg. Brändle gewann zum siebten Mal die Nationalen Zeitfahrmeisterschaften seines Landes, und zwar elf Sekunden vor Patrick Gamper (Bora - hansgrohe). "Ich wusste, dass es heuer eine knappe Geschichte sein wird. Im letzten Jahr hatte ich viel mit Patrick trainiert und kannte seine Fähigkeiten. Er war zweimal im Höhentrainingslager davor, meine Vorbereitung war nicht ideal", schilderte Brändle die Ausgangslage vor den nationalen Titelkämpfen, die in Lutzmannsburg im Burgenland ausgetragen wurden.

Nachdem Brändle bei den ersten Zwischenzeiten auf dem 28,5 Kilometer langen Parcours noch hinter Gamper lag, konnte er den Neoprofi auf den letzten Metern doch noch abfangen. Elf Sekunden betrug sein knapper Vorsprung im Ziel.

Cooler Giro trotz Ärger über die Organisation

Zum Saisonende wartete noch eine dreiwöchige Landesrundfahrt auf Brändle. Mit einem großen Sprinterzug reiste die Israel Start-Up Nation zum Giro. "Es war ein cooles Rennen, wir hatten viel Spaß im Team und der Zusammenhalt war großartig. Leider hat uns der letzte schnelle Mann im Zug gefehlt, dann wäre wohl mehr gegangen“, bilanzierte der Österreicher, der sogar am Etappensieg seines Teamkollegen Alex Dowsett auf dem achten Abschnitt von Giovinazzo nach Vieste beteiligt war.

Nachdem es schon aus der Spitzengruppe zurückgefallen war, arbeitete sich das Duo im Stil von Paarzeitfahrern wieder an die anderen Ausreißer heran. Kurz danach lancierte Brändle die entscheidende Attacke für Dowsett, der sich dann als Solist durchsetzte.

Weniger Freude bescherten Brändle aber die Giro-Organisatoren. Positive Coronafälle wurden erst kurz vor dem Start der Etappen durchgegeben, insgesamt habe es keinen vernünftigen Austausch mit den Sportlern gegeben. "Bei jeder Entscheidung hat einfach die Transparenz gefehlt und es gab durch die Infos so spät vor Rennstart auch keine Möglichkeit, für uns darauf zu reagieren", erinnerte sich Brändle.

"Wir sind uns wie Spielfiguren vorgekommen. Vor allem am Ende, wenn du so lange Etappen fahren musst und dann noch zusätzlich drei Stunden im Bustransfer sitzt", sagte er. Auf dem vorvorletzten Abschnitt organisierten die Fahrer noch einen Streik und sorgten für eine Verkürzung des fast 300 Kilometer langen Abschnitts auf 124 Kilometer: "Es hätte nichts genützt, wenn wir vorher mit den Veranstaltern diskutiert hätten. Die hätten nur wieder Druck auf die kleinen Teams ausgeübt. Es war richtig mal zu zeigen, dass man nicht alles mit uns machen kann", kommentierte Brändle den Eklat der 20. Etappe.

Mit dem Briten Christopher Froome bekommt die Israel Start-Up Nation prominenten Zuwachs. "Er hat sicher etwas zu beweisen und wird sich sicher sein, dass er sein Level wieder erreichen kann. Es wird spannend werden, wie ihm das gelingt. Ich kenne ihn aus dem Fahrerfeld, freue mich aber, diese Bekanntschaft nun vertiefen zu können", sagte Brändle, der 2021 vor allem auf eine etwas normalere Saison hofft: "Natürlich wird es sich auch ein wenig entscheiden, wo man Rennen fahren kann und ich fürchte, es wird alles ein bisschen auf Abruf bleiben."

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