Bei Visma ist der Wurm drin

Van Aert macht “dummen Fehler“ und stürzt “härter als gedacht“

Von Felix Mattis aus Harelbeke

Foto zu dem Text "Van Aert macht “dummen Fehler“ und stürzt “härter als gedacht“"
Wout van Aert (Visma - Lease a Bike) als Dritter im Ziel des E3 Saxo Classic. | Foto: Cor Vos

23.03.2024  |  (rsn) – Nachdem Wout van Aert für ein Höhentrainingslager auf Mailand-Sanremo verzichtet hatte, waren die belgischen Fans vor dem E3 Saxo Classic voller Vorfreude: Alle erwarteten ihren Liebling als großen Herausforderer von Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) im Kampf um den Sieg zum Auftakt der 'Heiligen Wochen' von Flandern.

Das war schon vor dem Start in Harelbeke bei der Teampräsentation zu spüren, und genauso im Verlauf des Tages am Rande der Strecke. Als radsport-news.com am Oude Kruisberg mit einer Gruppe Zuschauern plauderte und erzählte, dass es eine Spitzengruppe gibt, war die erste Nachfrage: "Ist Wout dabei?"

Knapp drei Stunden später stand Van Aert im Ziel auf dem Podium und wurde natürlich gefeiert – jedoch nicht als Sieger, sondern als Pechvogel des Tages auf Rang drei. Der 29-Jährige selbst sprach nach dem Rennen jedoch weniger von Pech, als viel mehr von Dummheit auf seiner eigenen Seite. Denn Van Aert wusste: Dass er am Paterberg stürzte, anstatt Mathieu van der Poels (Alpecin – Deceuninck) entscheidendem Angriff zu folgen, war kein Pech sondern einzig und allein sein eigener Fehler.

"Es war ein dummer Fehler", gab der Belgier ganz offen zu. "Ich wollte auf dem Pflaster vorspringen, um Plätze gut zu machen und habe dann die Kante erwischt." Dass Van Aert aber überhaupt Plätze gut zu machen hatte, als er in den Paterberg einbog, das war wohl schon der erste Fehler.

Schlechte Position sorgte vor Paterberg-Sturz wohl für Stress

Während Van der Poel nämlich die gefürchtete, steile Rampe an der Spitze in Angriff nahm und von vorne weg hinaufspurtete, war Van Aert einen Tick schlechter positioniert. Und nachdem er schon am Taaienberg Probleme hatte, dem Niederländer auf dem steilen Kopfsteinpflaster zu folgen, dürfte er in diesem Moment durchaus etwas in Panik geraten sein.

Anders als bei der Flandern-Rundfahrt ist der Paterberg beim E3 Classic seitlich nicht mit Gittern abgesperrt. Das macht es denjenigen, die freie Fahrt haben, möglich auf dem Randstreifen zu fahren, der besser rollt, als das grobe Kopfsteinpflaster. Geht dann eine Lücke auf, müssen die dahinter zunächst auf dem Pflaster langsamere Fahrer überholen, um wieder Anschluss nach vorne zu finden. "Wenn man den Randstreifen hat, kann man am Paterberg besser einen Unterschied machen", sagte auch Van der Poel auf der Pressekonferenz in Harelbeke. Er hatte das taktisch einfach geschickt gemacht, Van Aert nicht.

Mit Blick auf die Antritte seines Widersachers musste der Belgier auch im Ziel anerkennen: "Van der Poel war superstark. Er hat mir mit seinen Attacken heute wirklich wehgetan. Er verdient den Sieg komplett." Zwar fuhr Van Aert nach seinem Sturz wieder zur Verfolgergruppe hin und ließ die dann am Oude Kwaremont hinter sich, um allein Jagd auf den Weltmeister zu machen – und dabei kam er von 30 sogar wieder bis auf elf Sekunden an ihn heran. Doch als es in der Karnemelkbeekstraat zum nächsten Helling hinaufging, dem E3 Col, brach ihn Van der Poel mit einer weiteren Beschleunigung und öffnete die Lücke ab da wieder kontinuierlich.

Van Dongen sah trotz allem einen starken Wout van Aert

"Der Sturz war entscheidend. Es hat viel Kraft gebraucht, um zurückzukommen. Als ich dann hinter van der Poel alleine hergefahren bin, schienen wir eine Weile gleichstark zu sein, aber nach der Karnemelkbeekstraat war es schwer, meine Geschwindigkeit zu halten", sagte Van Aert im Ziel und sein Sportlicher Leiter Arthur van Dongen erklärte: "Wenn eine Lücke, die man gerade verkleinert hat, dann wieder aufgeht, dann bricht man. Das ist ganz normal."

Van Dongen befand, dass er trotz der Niederlage und des Sturzes einen starken Van Aert beim E3 Classic gesehen habe. Das und die gute Leistung von Matteo Jorgenson, der Fünfter wurde und am Kwaremont für Van Aert Vollgas gefahren war, bevor der die Verfolgung von Van der Poel aufnahm, waren aber auch schon die einzigen positiven Dinge, die Visma – Lease a Bike an diesem Freitag zum Vergessen aus Harelbeke mitnahm.

Hagenes, Van Baarle, Benoot, Van Aert und Jorgenson – alle gestürzt

Denn von Beginn an war der E3 Saxo Classic für die Männer in Gelb wie verhext: Per Strand Hagenes und Dylan van Baarle stürzten früh. Hagenes musste aufgeben und van Baarle spielte anschließend ebenfalls keine Rolle mehr, weil ihn noch mehrere Defekte stoppten.

Im weiteren Rennverlauf ging dann nach dem Stationberg etwa 52 Kilometer vor Schluss auch Tiesj Benoot gemeinsam mit Marc Hirschi (UAE Team Emirates) zu Boden und gab anschließend auf. Er war zu diesem Zeitpunkt neben Van Aert und Jorgenson noch die dritte Visma-Kraft in den vorderen Gruppen. Dann stürzte Van Aert am Paterberg – und quasi als Symbolbild für den verkorksten Tag landete auch Jorgenson nach dem Ziel auf dem Weg zum Mannschaftsbus noch auf dem nassen Asphalt.

"Ein anderer Fahrer ist vor mir sehr plötzlich zu seinem Bus abgebogen und dadurch bin ich gestürzt. Aber wir sind mit 15 km/h gerollt – ich bin okay", so der US-Amerikaner entwarnend gegenüber cyclingnews.com. Er hatte im Finale des Rennens in der ersten Verfolgergruppe hinter den Solisten Van der Poel und Van Aert gesessen, spielte da den Aufpasser für Visma – Lease a Bike. Doch als dann Jasper Stuyven (Lidl – Trek) attackierte, um zu Van Aert vorzufahren, konnte Jorgenson diesen Aufpasser-Job nicht mehr erfüllen. "Mir wurde kälter und kälter und meine Beine haben zugemacht. Ich konnte Stuyven nicht folgen, obwohl ich an seinem Rad war, als er losgefahren ist", gab er zu.

Van Aert: "Ich bin härter gefallen, als ich dachte"

Van Aert wiederum nahm die Begleitung durch Stuyven auf den letzten Kilometern gerne an. Denn der Belgier war, nachdem der Rückstand zu Van der Poel immer größer wurde und auch der Sturz Schmerzen verursachte, mental angeschlagen. "Ich war froh, eine Zeit lang an Jasper Stuyvens Rad fahren zu können, um es ins Ziel zu schaffen", sagte er später. "Ich bin härter gefallen, als ich dachte – habe Schmerzen an der Hüfte und im Ellenbogen. Meine ganze rechte Seite ist geprellt, das müssen wir checken."

Das ganze Ausmaß des Desasters von Harelbeke war für Visma – Lease a Bike am Freitagabend also noch gar nicht ganz klar. Deutlich wurde beim E3 Classic nur: Das auf dem Papier stärkste Klassiker-Team hat vor den Frühjahrs-Highlights Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix nicht nur sehr starke Gegner, sondern auch selbst einige Probleme. Denn neben den Sturzwunden bei Hagenes, Van Baarle, Benoot und Van Aert gilt es auch die Krankheit von Christophe Laporte ja noch zu kurieren.

Am Sonntag bei Gent-Wevelgem ist von ihnen nur Benoot mit von der Partie. Dort soll bei Wind und Wetter nun das Ruder rumgerissen werden – mit Sprinter Olav Kooij und Omloop-Sieger Jan Tratnik sowie Benoot, Edoardo Affini, Tosh van der Sande und Mick sowie Tim van Dijke.

Mehr Informationen zu diesem Thema

23.03.2024Lidl - Trek glänzt beim E3: Großer Wurf jetzt in Wevelgem?

(rsn) – Mit vier Fahrern unter den besten elf bei der E3 Saxo Classic in Harelbeke hat das US-amerikanische Team Lidl – Trek seine Ansprüche, eine tragende Rolle bei den noch folgenden Klassikern

23.03.2024Steimle bei E3 kurz vor Ziel eingeholt: “Wäre etwas Großes gewesen“

(rsn) – Als Jannik Steimle in Harelbeke das Ziel des E3 Saxo Classic erreichte, war er schwer enttäuscht und völlig leer. Der 27-Jährige vom Team Q36.5 hatte bis zum Schluss alles aus seinem Kör

23.03.2024Brussenskiy fährt auf dem Heimweg durchs Ziel des E3 Classic

(rsn) – Kurz nach Biniam Girmay (Intermarché – Wanty) und noch vor dem ersten größeren Fahrerfeld erreichte am Freitagnachmittag im Regen von Harelbeke der Kasache Gleb Brussenskiy (Astana Qaza

23.03.2024E3-Gala macht Van der Poel zum Top-Favoriten für die Ronde

(rsn) – Zwei Rennen, rund 500 Kilometer und zwei Siege für sein Team sind die Auftaktbilanz von Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) bei seinem Straßensaisoneinstieg. Während er sich be

22.03.2024Märkl: Gut vorbereitet bei “Fritz-Walter-Wetter“ E3 mitgeprägt

(rsn) – Platz 50 in Harelbeke mit 5:35 Minuten Rückstand auf den Sieger – die Ergebnisliste legt nicht nahe, dass Niklas Märkl (dsm-firmenich – PostNL) beim 66. E3 Saxo Classic eine besondere

22.03.2024Politt beweist beim E3 Classic beste Klassikerform seit 2019

(rsn) – Platz vier für Tim Wellens aus der ersten und Rang sieben für Nils Politt aus der zweiten Verfolgergruppe von Solo-Sieger Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) heraus: Das UAE Team

22.03.2024Herzog vor dem Kwaremont aus der Favoritengruppe geworfen

(rsn) - Es war schon mehr als eine Talentprobe, die Emil Herzog (Bora - hansgrohe) vor neun Tagen mit seinem siebten Platz bei Mailand-Turin ablieferte. Und auch bei der E3 Saxo Classic in Belgien zei

22.03.2024Van der Poel attackiert, imponiert und triumphiert in Harelbeke

(rsn) – Er ritt Attacke um Attacke – und am Paterberg konnte Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) den Widerstand seiner Konkurrenten endlich brechen und nach 207 Kilometern, von denen er

22.03.2024Zimmermann: Mangels Alternativen in Flandern gelandet

(rsn) – Ein kleines Experiment wagt Intermarché – Wanty mit Georg Zimmermann. Der Augsburger soll die E3 Saxo Classic, Gent-Wevelgem sowie die Flandern-Rundfahrt für sein Team bestreiten. Die Te

22.03.2024Politt: “Jetzt fangen die schönen zwei Wochen an“

(rsn) – Mit der E3 Saxo Classic (1.UWT) steht heute die ’Kleine Flandern-Rundfahrt‘ im Programm. Der flämische Klassiker führt über schwere 207 Kilometer um Harelbeke herum und hat insgesamt

22.03.2024Erstmals in dieser Saison heißt es Van Aert vs. van der Poel

(rsn) – In Harelbeke, bei der 66. E3 Saxo Classic kommt es zum einzigen Aufeinandertreffen von Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) und Weltmeister Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) vo

21.03.2024E3 Saxo Classic im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Aufgrund ihres ebenfalls schweren Profils, aber der deutlich kürzeren Distanz wird die E3 Saxo Bank Classic (1.UWT) auch als "kleine Flandern-Rundfahrt" bezeichnet. Der flämische Klassiker

Weitere Radsportnachrichten

21.11.2024Uijtdebroeks denkt über Rallye-Karriere nach

(rsn) – Seine Profikarriere als Radsportler hat kaum begonnen, da macht sich Cian Uijtdebroeks schon Gedanken über die Zeit danach. Der 21-Jährige hat jüngst in einem Interview mit Het Nieuwsblad

21.11.2024Pogacar schließt Start bei Paris-Roubaix nicht aus

(rsn) – Fährt er, oder fährt er nicht? Zuletzt schien es so, als wolle Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) für die nächsten Jahre noch einen Bogen um Paris-Roubaix machen. Doch neue Aussagen des 2

21.11.2024Nach Dopingsperre jetzt Haft auf Bewährung gefordert

(rsn) - Nach vier Jahren Dopingsperre aufgrund eines positiven Test auf Epo im Jahr 2019 droht der früheren französischen Radsportlerin Marion Sicot jetzt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung.

21.11.2024Amador beendet Karriere trotz Vertrag, Movistar macht Nägel mit Köpfen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

20.11.2024Pieterse gibt ihr Cross-Programm bekannt

(rsn) – Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) hat auf ihren Social-Media-Kanälen ihr Programm für den Winter bekannt gegeben. Die 22-Jährige steigt erst Mitte Dezember be

20.11.2024Das Pech zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr

(rsn) – Nach einer starken Saison 2023, als er Deutscher U23-Meister auf der Straße und im Zeitfahren wurde sowie einen sechsten Platz im WM-Straßenrennen der Espoirs einfuhr, ging Moritz Kretschy

20.11.2024Die negativen Erlebnisse übermalten die positiven

(rsn) - Eigentlich hatte sich Marco Schrettl (Tirol - KTM) 2024 vorgenommen mit tollen Leistungen eine starke Empfehlung an die besten Teams des Straßenradsports abzugeben, doch ganz klappte der ambi

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

20.11.2024Drei Mal Gold zu holen bleibt ein Traum

(rsn) – Madison-Gold bei EM und WM, dazu zwei Podien in UCI-Rennen auf der Straße. Für Roger Kluge (rad-net – Oßwald) lief die Saison 2024 eigentlich perfekt, wäre da nicht die Enttäuschung b

20.11.2024Rundfahrtchefs Pupp, Senn und Wegmann heute im “Windschatten“

(rsn) – Zum fünfjährigen Bestehen der österreichischen Radsport-Initiative "Österreich dreht am Rad" finden in dieser Woche in der Medienhalle Hall in Tirol täglich Podiumsdiskussionen und Live

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

20.11.2024Van Gils und Lotto - Dstny sprechen über Vertragsauflösung

(rsn) – Letzten Winter forcierte der Belgier Cian Uijtdebroeks seinen vorzeitigen Wechsel vom deutschen Bora - hansgrohe zu Visma - Lease a Bike. Eine ähnliche Geschichte könnte sich auch jetzt an

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine