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18.07.2024 | (rsn) – Irgendwann kommen sie bei der Tour de France auf den Träger des Gelben Trikots immer zu, wenn der mögliche Tour-Sieg näherkommt und die Überlegenheit deutlicher wird: die unangenehmen Fragen auf Pressekonferenzen nach der Plausibilität der eigenen Leistung.
Das ging Jonas Vingegaard nach seinem Fabel-Zeitfahren im vergangenen Jahr so, das ging Chris Froome in den Jahren seiner Dominanz so und auch Pogacar selbst sorgte bei der Tour schon für offenstehende Münder, als er 2020 an der Planche des Belles Filles seinen ersten Tour-Sieg klarmachte und Landsmann Primoz Roglic sensationell übertrumpfte. Da das damals aber erst auf Etappe 20 geschah, blieb den Journalisten wenig Zeit für kritische Nachfragen.
Auch bei der 111. Frankreich-Rundfahrt ist die Stimmung inzwischen etwas umgeschlagen, seit Pogacar am Sonntag am Plateau de Beille in die Rekordbücher fuhr. "Eine Dominanz, die Fragen aufwirtft", titelte die L'Equipe am Mittwochmorgen etwa.
Mitauslöser für den entstandenen Diskurs der letzten Tage war neben Pogacars reiner Leistung auf dem Rad auch die durch Recherchen des US-Radsportportals "Escape Collective" ans Licht gekommene Benutzung sogenannter Kohlenmonoxid-Rebreather zu Blutwertbestimmungen bei den Top-Mannschaften UAE Team Emirates und Visma – Lease a Bike sowie Israel – Premier Tech – mehr zur Thematik hier. ___STEADY_PAYWALL___
Vingegaard wurde am Montag, dem zweiten Ruhetag der 111. Frankreich-Rundfahrt, in einem Interview mit der dänischen Politiken zur Benutzung eines Kohlenmonoxid-Rebreathers befragt – einer Praxis, die in jeglicher Anwendungsform durch die Regularien der Welt Anti Doping Agentur nicht verboten ist. Der Däne erklärte, dass "daran nichts verdächtiges sei".
Jonas Vingegaard (vorne) und Tadej Pogacar auf dem Weg zum Plateau de Beille am Sonntag. | Foto: Cor Vos
Nach der 16. Etappe am Dienstag dann wurde auch Pogacar auf der Pressekonferenz des Gelben Trikots mit dem Thema konfrontiert. "Am Ruhetag hat Jonas den dänischen Medien ein Interview gegeben, in dem er über die Kohlenmonoxid-Rückatmungs-Technik gefragt wurde. Sind Sie damit vertraut und haben Sie sie jemals benutzt?", so die auf Englisch vorgetragene Frage im Wortlaut, ins Deutsche übersetzt.
Der Slowene antwortete etwas zögerlich und dann mit Humor: "Ich.. Als ich davon hörte, dachte ich an den Autoauspuff. Ich weiß nicht viel darüber und habe keinen Kommentar zu verstecken. Ich weiß nicht, was es ist. Ich dachte immer, das wäre das, was aus dem Auspuff kommt. Vielleicht bin ich dafür einfach zu ungebildet."
24 Stunden später hakte David Walsh von der Sunday Times, jener irische Journalist, der einst als eine der wichtigsten Personen in den Aufdeckungen rund um Lance Armstrong galt, nach. Schließlich hatte Adriano Rottuno, medizinischer Direktor beim UAE-Team, bereits erklärt, dass seine Mannschaft Kohlenmonoxid-Rückatmung zum Zweck von Bluttests im Umfeld von Höhentrainingslagern nutzt – aber eben einzig die Rückatmungs-Methode für Tests, nicht das regelmäßige Inhalieren von Kohlenmonoxid, das zur Leistungssteigerung führen kann und als künstliches Blutdoping interpretiert werden könnte und nach Meinung der norwegischen Wissenschaftler, die das "Rebreathing" bei Visma und Israel betreuen, auch sollte.
Pogacar fährt Vingegaard und Remco Evenepoel am Col du Noyer am Mittwoch davon. | Foto: Cor Vos
Auf Walshs Frage am Mittwoch in Superdévoluy antwortete Pogacar nun mit Worten, die denen vom Dienstag entgegenstehen. "Gestern habe ich die Frage nicht richtig verstanden", erklärte Pogacar und führte aus:
"Es ist ein Test im Höhentrainingslager, um zu sehen, wie man auf die Höhe reagiert. Man muss diesen Test machen, er dauert so etwa zwei oder drei Minuten. Du atmest in einen Ballon für eine Minute und dann sieht man die Hämoglobinwerte und man muss es zwei Wochen später wiederholen. Aber ich habe nur den ersten Teil des Tests gemacht. Zum zweiten Teil kam es nie, weil die Frau, die nach zwei Wochen kommen sollte, nie kam. Es ist aber nicht so, dass wir Abgaspfeifen jeden Tag in den Autos einatmen. Es ist nur ein ziemlich simpler Test, um zu sehen, wie man aufs Höhentraining reagiert."
Diese Antwort hätte man sich wohl vorher schon gewünscht. Dass Pogacar sie am Dienstag nicht gab und sich am Mittwoch dann direkt widersprach, tat der Glaubwürdigkeit des Slowenen sicher nicht gut. Allerdings ist die Thematik vielschichtig: Die Benutzung von Kohlenmonoxid-Rebreathern ist nicht verboten, WADA und UCI haben dazu noch keinen klaren Standpunkt. Und wieso sollte ein Profi-Team seine legalen Methoden, um Sportler so leistungsstark wie möglich zu machen, alle von vorneherein offenlegen? Kein Fußball-Trainer dieser Welt legt seine Trainingspläne und Taktiken der Konkurrenz vor, kein Formel-1-Team veröffentlicht seine Windkanal-Daten.
Pogacar (links) und Evenepoel beim Ausfahren nach der 17. Etappe in Superdévoluy. | Foto: Cor Vos
Dass Pogacar sich am Dienstag bedeckt hielt, könnte schlicht daher rühren, dass er nicht wusste, was sein Rennstall davon halten würde, wenn er Interna ausplaudert. Dass er die Frage am Dienstag wirklich falsch verstanden habe, ist dagegen kaum vorstellbar. Sie war sehr klar und deutlich vorgetragen und in ihrer Wortwahl von einem englischen Muttersprachler leicht verständlich auf den Punkt gebracht.
Worüber der Tour-Spitzenreiter am Mittwoch jedenfalls gut aufgeklärt schien, waren die via Social Media und im Forum von cyclingnews.com aufgekommenen Gespräche über durch eine Person mit dem Pseudonym "Mou" verbreiteten, angeblichen Interna zu Pogacars Trainingsdaten. Das hatte der 25-Jährige ganz offensichtlich mitbekommen. Er lächelte und sagte:
"Vielleicht sollte ich Euch fragen, wer das ist, denn ich habe keine Ahnung. Aber ja, ich habe mitbekommen, dass er in den letzten zwei Tagen viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Ich denke ein paar Dinge hat er richtig dargestellt, aber das meiste auch falsch. Ich weiß nicht, wer es ist und was seine Absicht ist. Ich denke, er versucht nur auf Twitter und in Foren wichtig zu sein oder so, aber ich verfolge das nicht. Ich habe nur viel gehört. Die Leute fragen. Vielleicht finden wir alle zusammen raus, wer das ist."
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