"Irgendwann muss man einfach umdenken"

Jörg Ludewig beendet seine Karriere

30.08.2007  |  Jörg Ludewig beendet am Jahresende seine Karriere als aktiver Radprofi. Dies teilte der 31-jährige Wiesenhof-Profi Radsport aktiv im Interview mit. Außerdem sprach Ludewig über seine Nicht-Nominierung für die Deutschland-Tour, seine letzten Wochen als Radprofi und seine Zukunft.

Jörg, bei der Regio-Tour lief es zuletzt bei dir nicht richtig rund. Woran hat es gelegen?

Ludewig: Ja, die Regio-Tour lief recht ernüchternd für mich. Ich habe förmlich stillgestanden. Mir ging es nicht gut, also habe ich mich untersuchen lassen. Die Blutwerte waren soweit in Ordnung, nur wurde ein Pilz in meinem Darm diagnostiziert. Den habe ich mir wahrscheinlich in China bei der Tour of Quinghai Lake eingefangen. Was für den chinesischen Magen gut ist, muss nicht unbedingt für meinen geeignet sein. Mein Magen reagierte vor allem auf süße Lebensmittel nicht wirklich gut. Jetzt geht es mir ein klein wenig besser, die Rennen in der nächsten Woche werde ich aber wohl nicht bestreiten können.

Die letzten Monate vor der Regio Tour liefen eigentlich recht gut bei dir…

Ludewig: Ja, auf einem schweren Kurs bei den Deutschen Meisterschaften bin ich sechster geworden. In China habe ich auf 3000 Meter Höhe eine Etappe gewonnen. Auf dem vorletzten Teilstück befand ich mich gemeinsam mit José Luis Rubiera von Discovery an der Spitze und war schon im virtuellen Gelben Trikot, ehe mich ein doppelter Platten innerhalb kürzester Zeit um den Gesamtsieg gebracht hat. Auf jeden Fall hatte ich dort richtig Zug drauf.

Bei der anschließenden Deutschland-Tour und den Cyclassics standest du aber nicht am Start. Warum?

Ludewig: Schon in China habe ich mich bei der Teamleitung erkundigt, wer denn bei der D-Tour starten würde. Da nannte man mir sechs Namen - Ich war nicht dabei. Mir wurde gesagt, dass ich mit drei anderen Fahrern noch in der Verlosung für letzten beiden Plätze wäre. Da war ich schon erstaunt, schließlich war ich in guter Form. Nach nochmaligem Nachfragen hat die Teamleitung mir dann mitgeteilt, dass man noch nicht sicher sei, ob man mich aufgrund meiner „Vergangenheit“ mitnehmen könne. Schließlich hat man mich zu Hause gelassen….

Die Enttäuschung war sicher groß…

Ludewig: Natürlich. Zum einen war ich traurig, dass ich bei den großen Rennen nicht starten konnte, zum anderen hatte ich mir auch mehr Unterstützung von Seiten der Teamleitung erhofft. Man hatte zwar bei Tourdirektor Kai Rapp angefragt. Als dieser mitteilte, dass man über mich nicht nur Loblieder singen würde, hat die Teamleitung um Raphael Schweda entschieden, mich rauszunehmen. Man wollte die neue Sponsorensuche nicht gefährden.

Warum hat Wiesenhof dich dann überhaupt verpflichtet?

Ludewig:Gute Frage. Ich halte den Jungs aber zu Gute, dass die Situation zum Jahresbeginn noch anders war. Da hatten die Medien noch keinen so großen Einfluss auf das Starterfeld von Rennen.

Wie geht es jetzt für dich weiter?

Ludewig:Am Samstag findet in meiner Heimat Steinhagen zunächst ein Rennen für Profis und Jedermänner statt, an dem auch Linus Gerdemann teilnehmen wird. Auf diesen Event freue ich mich besonders. Danach werde ich auf jeden Fall noch die 3-Länder-Tour fahren. Dort möchte ich noch mal richtig einen raushauen. Am 29. September werde ich dann mein letztes Radrennen der Saison bestreiten.

Was hast du für das nächste Jahr geplant?

Ludewig:Ich habe mich entschieden, mit dem aktiven Radsport aufzuhören. Ich stehe vor einer Unterschrift bei dem Unternehmen Lightweight – bleibe dem Radsport also erhalten. Dort könnte ich als Repräsentant tätig sein und beispielsweise Kunden betreuen Das Angebot ist sehr gut. Unterschrieben ist noch nichts – wir sind uns aber prinzipiell einig.

Wann ist die Entscheidung gefallen und was waren die Gründe?

Ludewig:Die Entscheidung ist eigentlich vorgestern auf dem Rad gereift. Es gab mehrere Gründe. Mit meinen dann 32 Jahren hätte ich sicherlich noch zwei oder drei Jahre fahren können. Viele Teams stehen am Jahresende jedoch ohne Sponsor da, so dass sehr viele gute Fahrer quasi auf der Straße stehen. Da können sich die verbliebenen Mannschaften die besten raussuchen. Da ist es schwer ein Team zu finden. Und wenn es eins gäbe, dann wäre die Bezahlung sicherlich sehr schlecht. In Deutschland würde ich wohl kein Team mehr finden. Was bringt es den Mannschaften, wenn sie mich unter Vertrag nehmen, ich dann aber bei den Rennen im Zwielicht stünde. Irgendwann muss man einfach umdenken. Ich habe seit sechs Jahren eine Lebensgefährtin, wir haben zusammen ein kleines Häuschen. Da möchte man nicht mehr 250 Tage im Jahr unterwegs sein oder Berge mit 90 Sachen hinunterstürzen. Dazu kam natürlich auch die Enttäuschung, dass ich nicht bei der D-Tour starten durfte. Das hat mir so ein wenig das Genick gebrochen, die Moral geraubt.

Welchen Einfluss haben Familie und Freunde auf die Entscheidung genommen?

Ludewig: Meine Eltern haben mir auch zu diesem Schritt geraten. Sogar meine Kumpels wie Linus (Gerdemann, d. Red.) haben mir bei dieser Entscheidung geholfen.

Wie fühlst du dich nach dieser Entscheidung?

Ludewig:Vom Kopf her bin ich auf jeden Fall befreiter. Natürlich tut mir mein Herz ein wenig weh. Den Sport habe ich über Jahre ausgeübt und ich habe ihn geliebt. Da wird einem schon etwas fehlen. In dieser Situation musste aber einfach der Verstand über das Herz siegen.

Raphael Schweda und Jens Heppner haben noch immer keinen neuen Sponsor gefunden. Wie wird es mit dem restlichen Team weitergehen. Hast du etwas gehört?

Ludewig: Ich denke, dass beispielsweise ein Peter Velits keine Probleme hat ein neues Team zu finden. Er kann ein richtig guter Rundfahrer werden. Ich möchte mich vor allem für die jungen Fahrer wie Christian Leben, Felix Odebrecht oder Robert Wagner einsetzen. Sie sollen nicht schon in so frühen Jahren ihre Karriere beenden müssen. Da hoffe ich, dass ich ihnen mit meinen „Connections“ weiterhelfen kann.

Wie siehst du deine Karriere rückblickend?

Ludewig: Ich würde eigentlich alles wieder so machen, wie ich es getan habe – Es gibt Fehler im Leben, die man bereut und aus denen man lernt. Meine Zeit in Italien war toll, auch wenn man dort nicht richtig viel Geld verdient hat. Auch bei T-Mobile habe ich mich sehr wohl gefühlt. Der Zusammenhalt in diesem Jahr bei Wiesenhof war jedoch sensationell. Wenn ich da an manche Momente zurückdenke, dann bekomme ich Gänsehaut. Im Radsportzirkus war ich über die Jahre eine kleine Nummer, zu Hause in meiner Region fieberten die Menschen aber stets mit mir mit. Dies werde ich schon sehr vermissen. An dieser Stelle möchte ich mich aber auch noch herzlich bei allen bedanken, die mich in den letzten Jahren so super unterstützt haben, sei es moralisch oder finanziell. Es war echt eine geile Zeit!

Du wurdest oft als „ein Radprofi zum Anfassen“ bezeichnet, hast die Nähe zu den Fans gesucht. Wie sehr wird dir dies fehlen?

Ludewig: Natürlich sehr. Es war einfach toll, vor vielen Zuschauern zu fahren. Sogar bei Kriterien waren bis zu 15000 Menschen an der Strecke. Das war großartig. Dieser Enthusiasmus am Streckenrand, den man als Fahrer genießen kann, wird mir sehr fehlen.

Mit Jörg Ludewig sprach Christoph Adamietz

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.08.2009Rapp: 2010 wohl keine Deutschland Tour

(rsn) - Nachdem ARD und ZDF in diesem Jahr doch von der Tour de France berichtet hatten, war auch die für 2009 abgesagte Deutschland Tour wieder in den Mittelpunkt von Spekulationen gerückt. Im Inte

20.08.2009"Für ganz vorne fehlte noch ein bisschen was"

(rsn) – Nach schwachem Saisonstart hat Gerald Ciolek (Milram) in den vergangenen Monaten beständig gute Leistungen gezeigt, auch wenn es bisher erst zu einem Sieg reichte. Im Interview mit Radsport

20.04.2009"Ich bin froh, dass im Radsport soviel kontrolliert wird"

(sid) - Linus Gerdemann gehört zu den deutschen Hoffnungsträgern bei der diesjährigen Tour de France. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) spricht der Milram-Kapitän über seine F

19.03.2009"Wir sind als böse Ketzer dargestellt worden"

(sid) - Der wochenlangen Schlammschlacht folgt der Showdown im Nobelhotel: BDR-Präsident Rudolf Scharping stellt sich am Samstag auf der Bundesversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer zur Wiederwah

17.03.2009Claußmeyer: "Wir leben von unserer Stärke als Team"

(rsn) - Aus dem Continental-Team Sparkasse wurde zur neuen Saison das Team Nutrixxion Sparkasse. In Gespräch mit Radsport News erklärte Teamchef Mark Claußmeyer die Zusammensetzung des Teams, die S

04.03.2009„Letztendlich geht es immer um den Erfolg“

(rsn) – Mit neuem Hauptsponsor und einigen namhaften Neuzugängen wie Sebastian Sielder und René Haselbacher ist das österreichische Team Vorarlberg-Corratec in die neue Saison gegangen. Im Interv

26.02.2009„Kein Sieg im letzten Jahr – das hat mich gewurmt“

(rsn) – Paul Martens steht in seiner zweiten Saison beim niederländischen Rabobank-Team. Im letzten Jahr gelang dem 25-Jährigen trotz guter Leistungen kein Sieg. Das soll in dieser Saison anders w

24.02.2009„Ich habe mich als Co-Kapitän sehr wohl gefühlt“

(rsn) – Als Vierter der Andalusien-Rundfahrt zeigte Martin Velits (Milram) schon früh in der Saison sein großes Potenzial. Im Interview mit Radsport News sprach der 24-jährige Slowake über seine

13.02.2009"Schlimmer kann es nicht mehr kommen"

(rsn) - Der Australier William Walker, 2005 Vize-Weltmeister in der U23-Klasse, zählt zu den großen Talenten des Radsports. Das konnte der 23-Jährige in den letzten beiden Jahren im Rabobank-Trikot

11.02.2009"Ich will mich 2009 für höhere Weihen empfehlen"

(rsn) - Christian Müller (26) galt in seiner U23-Zeit als eines der größten deutschen Zeitfahrtalente. Nach einer guten Neo-Profi-Saison 2005 bei CSC lief in den folgenden drei Jahren nur wenig zus

07.02.2009"Wir sind eines der jüngsten Continental-Teams"

(rsn) - Das Bochumer Continental-Team Vlassenroot startet 2009 unter dem Namen Seven Stones. Im Gespräch mit Radsport News erklärt der Sportliche Leiter Lars Diemer, was hinter der Namensänderung s

05.02.2009"In Topform zu den Ardennenklassikern"

(rsn) - Robert Gesink ist das größte niederländische (Kletter-)Talent seit vielen Jahren. 2008 machte der 22-jährige Rabobank- Profi in mehreren großen Rennen mit Spitzenplatzierungen bereits von

Weitere Radsportnachrichten

23.11.2024Archibald und Richardson gelingt makelloser TCL-Auftakt

(rsn) – Katie Archibald, Emma Finucane, Matthew Richardson und Dylan Bibic heißen die ersten vier Führenden der diesjährigen Track Champions League. Das britische Trio und der Kanadier waren beim

23.11.2024Iserbyt krönt cleveres Zusammenspiel mit Vanthourenhout

(rsn) – Nachdem Fem van Empel (Jumbo – Visma) im Frauenrennen ihren Vorjahressieg wiederholen konnte, hat auch Eli Iserbyt (Pauwels Sauzen – Bingoal) beim Excact Cross in Kortrijk seinen Titel v

23.11.2024Van Empel ist bereit für den ersten Cross-Weltcup

(rsn) – Fem van Empel (Jumbo – Visma) hat nach ihrer Rennpause schnell wieder in die Erfolgsspur zurückgefunden. Die Weltmeisterin gewann wie bereits im vergangenen Jahr den Exact Cross in Kortri

23.11.2024Dank Freiheiten bei Stevens für vier Teams im Einsatz

(rsn) – Hinter Tillman Sarnowski liegen zwei turbulente U23-Jahre. Der U19-Bundesliga-Gesamtsieger von 2022 hatte sich im Jahr darauf dem Team Dauner Akkon angeschlossen, das dann aber doch nicht wi

23.11.2024Scott David: Trotz Traumwerten keine WorldTour

(rsn) – “Mein Ziel ist ein WorldTour- oder ProTeam-Vertrag. Ich habe mir ein Limit von zwei Jahren gesetzt, so lange möchte ich es auf Kontinental-Niveau versuchen“, hatte Scott David im letzte

23.11.2024Red-Bull-Neuzugang Pithie will van der Poel herausfordern

(rsn) – Laurence Pithie gewann im Januar mit dem Cadel Evans Great Ocean Road Race sein erstes WorldTour-Rennen und beeindruckte bei den Frühjahrsklassikern. Der 22-jährige Neuseeländer belegte b

23.11.2024Olympia-Reservistin Pröpster: Gelingt bei TCL der nächste Schritt?

(rsn) – Mit drei Rennsiegen, dem zwischenzeitlichen Tragen des Führungstrikots und schließlich Gesamtrang zwei in der Sprint League hat Alessa-Catriona Pröpster bei der Track Champions League 202

23.11.2024Track Champions League: Format, Kalender, Punktesystem

(rsn) – Nach Olympia in Paris im Sommer und den Weltmeisterschaften im Oktober im dänischen Ballerup endet das internationale Bahnjahr an den kommenden drei Wochenenden mit der Track Champions Leag

23.11.2024Britisches Duo fordert Lavreysen und Andrews heraus

(rsn) – Mit Ausnahme der fehlenden deutschen Stars um die zweimalige Olympiamedaillengewinnerin Lea Sophie Friedrich hält die Auflistung der Athletinnen und Athleten der diesjährigen Sprintsaison

23.11.2024Wafler: Rückkehr nach Paris weckt Olympia-Erinnerungen

(rsn) - Tim Wafler hat es erstmals in das illustre Feld der Ausdauerfahrer der UCI Track Champions League geschafft. Der Österreicher startet am Samstagabend im Velodrome National in Saint-Quentin-en

23.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

22.11.2024Top-Favoritin? Archibald nach schwerem Jahr eine “7 von 10“

(rsn) – Katie Archibald ist die Königin der Track Champions League. 2021 und 2023 gewann sie jeweils souverän den Titel in der Endurance League und auch 2022 wäre das wohl gelungen, wenn sie dama

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine