Radsport News-Teamcheck - Teil 7

Lampre-Merida: Eine neue Ära einleiten

Von Christoph Adamietz

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Lampre bei der Straßen-WM 2012 im Teamzeitfahren von Valkenburg | Foto: ROTH

10.01.2013  |  (rsn) – Nach einer enttäuschenden Saison mit nur sieben Siegen erfolgte beim Team Lampre der große Umbruch. Gleich elf neue Fahrer holte Manager Giuseppe Saronni, zwölf mussten gehen, darunter auch die große ukrainische Fraktion, die wegen des Co-Sponsors ISD verpflichtet werden mussten. Den ukrainischen Stahlkonzern ersetzt der taiwanesische Fahrradhersteller Merida .

„Mit der Saison 2013 wollen wir im Team eine neue Ära einleiten. Wir haben uns 2012 genau angeschaut, wer uns weiterhelfen kann und dementsprechend unseren Kader verändert“, erklärte Saronni gegenüber Radsport News.

„Nach 20 Jahren im Radsport, war es für das Team Lampre an der Zeit, dass man größeren Veränderungen vornimmt, um es geeigneter für den modernen Radsport zu machen“, so der Italiener weiter. Neben den zahlreichen Ukrainern, die nicht mehr als zur Kaderauffüllung dienten, beendeten mit dem 37-jährigen Italiener Alessandro Spezialetti, seinem einem Jahr jüngeren Landsmann Daniele Righi und dem 32-jährigen Marco Marzano drei Routiniers ihre Karrieren, die allesamt den Zenit schon überschritten hatten.

Schmerzen werden dagegen der Verlust des Slowenen Grega Bole (zu Vacansoleil-DCM) und von Danilo Hondo (zu RadioShack-Trek). Besonders den Abschied des mittlerweile 39 Jahre alten Hondo bedauerte Saronni. „Danilo war in den letzten drei Jahren ein wichtiges Element des Teams und dank seiner Erfahrung und Qualität haben wir tolle Erfolge feiern können, darunter das Grüne Trikot von Alessandro Petacchi bei der Tour de France“, sagte er.

Künftig sollen die jungen Talente im Team ihre Chancen bekommen. „Wir werden auf andere Fahrer bauen, die uns ebenso nützlich sein werden, wie es Danilo war. Sie werden zwar nicht so viel Erfahrung haben, aber dennoch zum Teamerfolg beitragen“, kündigte der Lampre-Teamchef an.

So achtete Saronni bei der Personal-Akquise vor allem darauf, junge, hungrige Fahrer an Bord zu holen: Sechs der elf Neuzugänge sind jünger als 25 Jahre. „Eines unserer Hauptziele war schon immer, jungen Fahrern die Chance zu geben, zu einem Topsportler aufzusteigen“, erklärte der 55-Jährige, weshalb Lampre verstärkt auf Nachwuchsfahrer wie die beiden Neo-Profis Luca Wackermann (22/ 2012 Fünfter bei Tre Valli Varesine) und Mattia Cattaneo (22/ Dritter Tour de L`Avenir) setzen wird.

„Mit diesen beiden Talenten, aber auch weiteren jungen Fahrern wie Ella Favilli (23/ Sechster Scheldeprijs, d. Red.) und Andrea Palini (23/ Etappensieger Settimana Coppi e Bartali, d. Red.) oder auch den schon in jungen Jahren siegreichen Adriano Malori und Diego Ulissi haben wir eine tolle Riege an hoffnungsvollen Fahrern“, so Saronni stolz.

Zudem gab der Ex-Profi unumwunden zu, bei der Auswahl der Fahrer auch auf deren Weltranglistenpunkte geachtet zu haben. „Diese Vorgehensweise ist ein fundamentales Element des modernen Radsports. Nur so kann man sicherstellen, dass man auch weiterhin Teil der WorldTour ist“, so Saronni, der deshalb auch einige ältere Fahrer wie den Kolumbianer José Serpa, den Venezolaner Miguel Ubeto (jeweils 36 Jahre alt) und den 30-jährigen Argentinier Ariel Richeze, aber auch den  25-jährigen Kroaten Kristijan Durasek zu ihrem WorldTour-Debut verhalf. Allesamt hatten bei unterklassigen Teams fleißig Punkte gesammelt, die nun Lampre zugute kommen.

Für die Spitzenergebnisse sind aber weiterhin vornehmlich die alten Haudegen  verantwortlich. Der mittlerweile 39 Jahre alte Alessandro Petacchi soll in den Sprints zu früherer Stärke zurückfinden. Der Italiener konnte 2012 nur drei Siege herausfahren - allesamt bei der bayern-Rundfahrt - , dennoch hielt die Teamleitung am alternden Star fest.

„Alessandro ist immer noch in der Lage Massensprints zu gewinnen, seine Siege kann er aber auch nach ein schweren Rennverlauf aus kleineren Gruppen holen“, hält Saronni nach wie vor große Stücke auf Petacchi, auch wenn er anfügte: „In chaotischen Sprints ist Alessandro etwas benachteiligt. Die hat er noch nie gemocht und mit zunehmendem Alter wird er sicherlich auch keine größeren Risiken als in der Vergangenheit eingehen.“

Das Team setzt in den Sprints aber nicht ausschließlich auf Petacchi, sondern hat mit den Italienern Roberto Ferrari (von Androni-Giocattoli) und Elia Favilli (von Farnese Vini) sowie dem Argentinier Ariel Richeze (von Nippo) gleich drei schnelle Fahrer eingekauft, die ebenfalls vordere Platzierungen herausfahren. können. Der 29 Jahre alte Ferrari etwa gewann in diesem Jahr eine Giro-Etappe.

Für die schweren Eintagesrennen steht Damiano Cunego als Kapitän parat. „Er hat die Fähigkeiten, um in Rennen wie der Lombardei-Rundfahrt oder in den Ardennen-Klassikern ganz vorne zu landen. Deshalb wird er sich hauptsächlich auf diese Art von Rennen konzentrieren“, erläuterte Saronni die Saisonplanung des 31-Jährigen, der bereits dreimal das "Rennen der fallenden Blätter" und auch einmal das Amstel Gold Race gewinnen konnte.

Aber auch bei den großen Rundfahrten wird der Giro-Sieger von 2004 am Start stehen. Dabei wird Cunego allerdings hauptsächlich Etappensiege anpeilen. „Vielleicht schafft Damiano es auch in die Top Ten. Aber die Gesamtwertung sollte keinesfalls das sein, worauf er sich konzentriert", kündigte Saronni an.

Dafür wird Michele Scarponi, Giro-Sieger von 2011, nach abelaufener Dopingsperre wieder alles auf die großen Rundfahrten setzen. Ebenfalls zur Rundfahrerfraktion zählen der Pole Przemyslaw Niemiec, Neuzugang Serpa, der Kolumbianer Winner Anacona und der Australier Matthew Lloyd.

Die bis dato schwächelnde Fraktion für die flämischen Klassiker wird durch die Verpflichtung von Filippo Pozzato (von Farnese Vini), 2012 Zweiter der Flandern-Rundfahrt, deutlich aufgewertet. „Er hat die Chancen, bei den Nord-Klassikern ganz vorne zu landen, Rennen, bei denen wir in der Vergangenheit kaum Land gesehen haben“, setzt Saronni große Hoffnungen in den 31-Jährigen und fügte an: „Er ist der Neuzugang, von dem man am meisten erwarten kann.“

Viel erwartet Saronni aber auch von seinem Landsmann Diego Ulissi. Der 23-Jährige geht bereits in seine vierte Saison bei Lampre und gewann 2011 eine Etappe beim Giro. 2012 konnte er mit Rang neun beim Amstel Gold Race sowie mit Etappenerfolgen bei der Settimana Coppi e Bartali überzeugen. „Es ist ein großer Wunsch von mir, dass er den nächsten Schritt macht. Diego hat das Zeug und mittlerweile auch die nötige Reife, um zu einem Top-Fahrer zu werden, der die großen Rennen mitbestimmt“, erklärte der Teamchef.

Eine klare Ansage zur Zielsetzung für die Saison 2013 wollte Saronni nicht machen. „Es wäre nicht in Ordnung, einfach eine Anzahl von Siegen zu nennen, die wir erreichen wollen. Uns ist es wichtig, hart zu arbeiten, um in jedem Rennen wettbewerbsfähig zu sein. Wir wollen unseren Fans unser Kämpferherz zeigen und es zugleich unseren Kapitänen ermöglichen, dass sie bei den Rennen, in denen sie ihre Stärken ausspielen können, ganz vorne landen können", so der Lampre-Teamchef. 

Radsport News Prognose: Lampre-Merida hat viel an Erfahrung verloren, dafür aber Talent dazu gewonnen und ist gegenüber dem Vorjahr vielseitiger aufgestellt. Von Pozzato kann man in den flämischen Klassikern  Spitzenergebnisse erwarten. Petacchi wird zwar wohl für nicht mehr als eine Handvoll Siege gut sein, dafür aber wurde die Sprinterfraktion vergrößert, was zu mehr Podiumsplatzierungen führen wird. Vor allem Ferrari ist, wenn er ins Rollen gekommen ist, nur schwer zu stoppen, was er 2012 mit drei Siegen innerhalb von zwei Wochen zeigte.

Cunego wird in den Hügelrennen und auf schweren Etappen seine Erfolge feiern, Scarponi in den großen Rundfahrten zumindest um einen Podiumsplatz mitfahren. Dazu kann man von der jungen Reihe um Ulissi, Malori sowie den hochveranlagten Wackermann, Cattaneo, Favilli und Palini auch außerhalb von Italien einige Top-Ergebnisse erwarten.

Lampre-Merida 2013: Matteo Bono, Mattia Cattaneo, Davide Cimolai, Damiano Cunego, Luca Dodi, Elia Favilli, Roberto Ferrari, Adriano Malori,Manuele Mori, Andrea Palini, Alessandro Petacchi, Daniele Pietropolli, Filippo Pozzato, Michele Scarponi, Simone Stortoni, Diego Ulissi, Davide Vigano, Luca Wackermann (alle Italien), Winner Anacona, Jose Serpa (beide Kolumbien), Miguel Ubeto (Venezoela), Przemyslaw Niemiec (Polen), Matthew Lloyd (Australien), Kristijan Durasek (Kroatien), Ariel Richeze (Argentinien)

Zugänge: Roberto Ferrari, José Serpa, Miguel Ubeto (alle Androni-Giocattoli), Ella Favilli, Filippo Pozzato (beide Farnese Vini), Luca Dodi, Andrea Palini (beide Team Idea), Kristijan Durasek (Adria Mobil), Ariel Richeze (Team Nippo), Matti Cattaneo, Luca Wackermann (beide NeoProfis)

Abgänge: Danilo Hondo (Radioshack-Trek), Grega Bole (Vacansoleil-DCM), Vitaly Buts (Team Kolss), Marco Marzano, Daniele Righi, Alessandro Spezialetti (alle Karriereende), Denys Kostyuk, Dmytro Krivtsov, Yuri Krivtsov, Oleksandr Kvachuk, Morris Possoni, Oleksandr Shedyk (alle Ziel unbekannt)

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