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06.04.2014 | (rsn) – Ohne einen einzigen Saisonsieg im Gepäck reiste Fabian Cancellara (Trek) zur 98. Flandern-Rundfahrt an. Doch auf den 259 Kilometern von Brügge nach Oudenaarde lieferte der Schweizer eine Gala ab und feierte im Sprint einer vierköpfigen Spitzengruppe vor dem Belgier Greg Van Avermaet (BMC) den dritten „Ronde“-Triumph seiner Karriere.
Nachdem er sich 2013 noch als Solist mit großem Vorsprung den Sieg in Oudenaarde gesichert hatte, baute Cancellara diesmal auf seine Sprintfähigkeiten und ließ seinen drei belgischen Konkurrenten auch so keine Chance. Sep Vanmarecke (Belkin), der vor Stijn Vandenbergh (Omega Pharma-Quick Step) Dritter wurde, blieb nicht viel mehr, als den Berner im Ziel zu fragen: „Wann wirst du aufhören?“
Tatsächlich schien Cancellara ein regelrecht schlechtes Gewissen zu haben, als er mit Blick auf das Ergebnis feststellte: „Es tut mir leid für die Belgier, dass ich gleich drei der ihren geschlagen habe. Das war ein Sprint Mann gegen Mann, wie auf der Bahn“, beschrieb der 33-Jährige das hoch spannende Finale und machte dann doch aus seiner überschäumenden Freude keinen Hehl. „Das war ein schwerer Tag, aber ich bin sehr glücklich,denn ich hatte meiner Frau Blumen versprochen.“
Bester deutscher Fahrer war Marcus Burghardt (BMC), der nach einer überzeugenden Vorstellung Zwölfter in Oudenaarde wurde. John Degenkolb (Giant-Shimano), der kurz hinter seinem Landsmann auf Rang 15 ins Ziel kam, fasste zusammen: „Das war ein superschweres Rennen. Wir haben uns gut verkauft. Wir waren zu Zweien vorne, aber im Endeffekt nicht stark genug. Wir waren alle vollkommen K.o.. Cancellara war mit Abstand der Stärkste - mehr war nicht drin.“
Nicht viel drin war auch für zwei der weiteren Top-Favoriten: Tom Boonen (Omega Pharma-Quick Step) wurde Siebter, Peter Sagan (Cannondale) landete hinter Degenkolb nur auf Position 16, nachdem er im vergangenen Jahr noch Zweiter geworden war.
Zur 98. Auflage der „Ronde“ meinte es das Wetter gut mit den 200 Fahrern aus 25 Teams. Ein Mix aus Sonne und Wolken bei Temperaturen von bis zu 15 Grad sorgten für angenehme Bedingungen beim zweiten der fünf Radsport-Monumente.
Doch bereits nach rund 20 Kilometern war die Flandern-Rundfahrt 2014 für Luke Durbridge (Orica-GreenEdge) beendet. Der 22-jährige Australier, zuletzt Zweiter der Drei Tage von De Panne, musste nach einem Sturz mit Verdacht auf Gehirnerschütterung in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Wenig später erwischte es mit dem Belgier Johan Vansummeren (Garmin-Sharp) und dem Schweizer Martin Elmiger (IAM) zwei weitere bekannte Namen. Die beiden verletzten sich, als Vansummeren mit einer Zuschauerin zusammenprallte, die auf einer Verkehrsinsel stand. Die 65-jährige Frau zog sich nach Polizeiangaben lebensgefährliche Verletzungen zu, auch Vansummeren wurde ins Krankenhaus gebracht.
Erst nach gut 40 Kilometern bildete sich eine elfköpfige Gruppe, die den Großteil des Tages bestimmen sollte. Der US-Amerikaner Taylor Phinney (BMC), die beiden Italiener Davide Appollonio (Ag2r) und Andrea Palini (Lampre-Merida), die Belgier Stig Broeckx (Lotto Belisol), Romain Zingle (Cofidis), James Vanlandschoot (Wanty Groupe Gobert) und Jelle Wallays (Topsport-Vlaanderen), der Weißrusse Alexandr Kuchynski (Katusha), der Südafrikaner Daryl Impey (Orica GreenEdge) sowie die niederländischen Cousins Raymond Kreder (Garmin-Sharp) und Wesley Kreder (Wanty-Groupe Gobert) kamen schnell vom Feld weg und erkämpften sich auf den ersten gut 100 flachen Kilometern einen Maximalvorsprung von mehr als sechs Minuten.
Den Oude Kwaremont, die erste Schwierigkeit des Tages, erreichte die Kopfgruppe, nur noch zu zehnt, nachdem Appollonio durch einen Defekt zurückgefallen war und ebenso aufgab wie Sam Bennett (NetApp-Endura), und Alex Dowsett (Movistar), mit knapp 5:30 Minuten Vorsprung. Das Heimteam Omega Pharma-Quick Step sorgte derweil im Feld für die Tempoarbeit. Der Belgier Guillaume Van Keirsbulck, Gesamtsieger der Drei Tage von De Panne, führte die Verfolger in den ersten der insgesamt 17 Hellingen hinein.
Nach rund 135 Kilometern verlor Lotto Belisol, das zweite große belgische Team, seinen Kapitän: Der Vorjahresdritte Jürgen Roelandts verletzte sich bei einem Sturz am Ellenbogen und musste das Rennen und damit alle Hoffnungen auf eine weitere Spitzenplatzierung aufgeben. Und auch Ersatz-Kapitän Tony Gallopin erwischte es: Der Franzose flog rund 100 Kilometer vor dem Ziel auf einer Verkehrsinsel, konnte das Rennen im Gegensatz zu seinem belgischen Teamkollegen aber immerhin fortsetzen.
Am Molenberg trat Boonen an, doch seine Attacke wurde von den aufmerksamen Konkurrenten vereitelt. Es war das einzige Mal, dass sich der 33-jährige Belgier, der sich nach der Fehlgeburt, die seine Frau vor einigen Wochen erlitten hatte, ganz offensichtlich nicht in bester Verfassung befindet, an der Spitze zeigte. Wie sich später zeigen sollte, waren seine Teamkollegen Vandenbergh und Terpstra an diesem Tag deutlich stärker als der dreimalige „Ronde“-Gewinner.
Kurz darauf teilte ein Massensturz das Feld – zu den abgehängten Fahrern zählten Cancellaras wichtigste Helfer Stijn Devolder und Gregory Rast. Prompt reagierte Omega Pharma-Quick Step und zog in voller Mannschaftsstärke das Tempo an. Doch das zweite Feld schaffte wieder den Anschluss – allerdings ohne Yaroslaw Popovych, denn der Ukrainer vom Trek-Team hatte kurz zuvor eine Zuschauerin touchiert und war hart auf den Asphalt geknallt.
Am achten der 17 Hellingen, dem Kaperij knapp 80 Kilometer vor dem Ziel, war die Spitzengruppe auf nur noch sechs Fahrer geschrumpft. Im Feld hatten Boonens und Cancellaras Helfer weiterhin alles unter Kontrolle. Am Kanarieberg 70 Kilometer vor dem Ziel bildete sich ein starkes Verfolgertrio mit den beiden Italiener Manuel Quinziato (BMC), Matteo Trentin (Omega Pharma-Quick Step) und dem Österreicher Bernhard Eisel (Sky), das aber den Anschluss zur Spitze nicht schaffte.
Sofort setzten sich Tinkoff-Saxo, Trek und Cannondale an die Spitze des zu diesem Zeitpunkt nur noch rund 70 Fahrer starken ersten Feldes, in dem sich mittlerweile auch Astana, Giant-Shimano und Belkin vorne zeigten.
Doch erst an der schweren Dreier-Kombination von Oude Kwaremont, Paterberg und Koppenberg, die innerhalb von nur zehn Kilometern folgten, spitzte sich das Rennen zu. Kurz vor dem Paterberg erwischte es Devolder zum dritten Mal an diesem Tag – und wieder schwang sich der Belgische Meister aufs Rad und kämpfte sich zurück.
Phinney, Impey und Broeckx, den letzten der ursprünglich elf Ausreißer, saßen am Paterberg die Verfolger im Nacken. In der Anfahrt zum Koppenberg waren wieder Boonens Helfer an der Spitze des auf im Nu auf nur noch rund 30 Fahrer geschrumpften Feldes. Im nur 600 Meter langen, aber bis zu 22 Prozent steilen Anstieg wurden Phinney und Boeckx gestellt, kurz darauf war es auch um Impey geschehen. Dagegen waren die Top-Favoriten Cancellara, Sagan und Boonen zur Stelle – aber auch Degenkolb und sein starker Helfer Dries Devenyns zeigten sich ganz vorne.
40 Kilometer vor dem Ziel schien viel für Boonen zu sprechen, denn mit Terpstra, Vandenbergh und dem Tschechen Zdenek Stybar hatte er noch drei Teamkollegen an seiner Seite. Am Taaienberg sorgte der bärenstarke Van Avermaet für eine vorentscheidende Selektion in der Favoritengruppe, die plötzlich nur noch aus 13 Mann bestand, darunter allerdings gleich alle vier Omegas.
Kurz darauf versuchte es Van Avermaet ein zweites Mal – und diesmal blieb nur noch Vandenbergh am Hinterrad des 28-Jährigen. In der Anfahrt zur dritten und letzten Kwaremont-Überquerung konnte das Duo, in dem allerdings nur der BMC-Kapitän Führungsarbeit übernahm, seinen Vorsprung auf die uneinige Favoritengruppe auf bis zu eine Minute ausbauen. Es sollte trotzzdem nicht reichen, denn im Kwaremont schüttelte Cancellara mit Ausnahme von Vanmarcke alle seine Konkurrenten ab.
Gemeinsam machten die beiden nun Jagd auf Van Avermaet und Vandenbergh, der nach wie vor nur reagierte. Van Avermaet attackierte noch vor dem Paterberg und erreichte als Erster die Kuppe 13 Kilometer vor dem Ziel – kurz dahinter folgten allerdings Cancellara und Vanmarcke mit Vandenbergh im Schlepptau.
Auf den letzten flachen Kilometern zum Ziel in Oudenaarde arbeitete das Quartett gut zusammen, so dass keiner der Verfolger mehr zur Spitze aufschließen konnte – auch nicht Alexander Kristoff (Katusha) oder Terpstra, die noch ihr Bestmögliches probierten.
Vandenbergh eröffnete das Finale mit seinem Antritt auf den letzten drei Kilometern, doch der 29-Jährige wurde schnell wieder gestellt. Auf dem Schlusskilometer probierte es Cancellara mit einer Attacke, die er aber sofort wieder abbrach, als er bemerkte, dass er seine Konkurrenten nicht überraschen konnte. Es folgte ein regelrechter Stehversuch, bei dem sich die vier Spitzenfahrer gegenseitig beäugten.
Es war dann Cancellara, der den Sprint eröffnete und ihn von vorne erfolgreich ins Ziel brachte, wo er sich als sechster Fahrer nach Achiel Buysse, Fiorenzo Magni, Eric Leman, Johan Musseuw und Boonen feiern lassen konnte, der die Flandern-Rundfahrt dreimal gewinnen konnte.
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