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19.07.2015 | (rsn) - Die Enttäuschung war ganz offensichtlich riesengroß. Unmittelbar nach seiner knappen Niederlage im Massensprint von Valence gegen André Greipel rollte John Degenkolb auf und ab - erst weit weg von Teamwagen, Journalisten und Fans, dann an allen vorbei zurück zur Dopingkontrolle und danach erneut in die Ferne - zum Teamhotel etwas außerhalb der Stadt knapp 15 Kilometer südlich vom Ziel. Alles, ohne ein einziges Wort zu sagen.
„Es war alles etwas hektisch nach dem Ziel, weil keine Busse da waren. Ich wollte einfach nur ins Hotel und eine kalte Dusche nehmen", erklärte Degenkolb rund drei Stunden später in einer Gesprächsrunde mit den deutschen Tour-Journalisten am Hotel. „Ich habe schon schlechte Erfahrungen damit gemacht, wenn man direkt nach dem Rennen energiegeladen Interviews gibt", sagte er anschließend der ARD. „Da ist es besser, sich erst ein ruhiges Plätzchen zu suchen."
Das fand Degenkolb gleich mehrfach. Im Hotel angekommen duschte er, sprang in den Pool, las aufmunternde Nachrichten von Zuhause, genoss die tägliche Massage und freute sich vor allem über Bilder von seinem im Januar geborenen Sohn. „Wenn man ein Video von seinem Kleinen sieht, wie er daheim im Planschbecken plantscht, dann sieht man alles aus einer anderen Perspektive und erkennt wo die Prioritäten liegen", so Degenkolb, der mittlerweile völlig entspannt wirkte, auch wenn seine sportliche Bilanz des Tages ernüchternd ausfiel.
„Platz zwei ist natürlich eine Enttäuschung, aber man muss nur auf Peter Sagan schauen: Der hat 15 zweite Plätze. Das ist kein Weltuntergang und es geht nicht um Leben oder Tod, sondern am Ende ist es alles nur Spaß", ordnete er die Geschehnisse im Sprint von Valences in einen größeren Zusammenhang ein.
Degenkolb schien die Niederlage gegen seinen Landsmann schnell verdaut zu haben, weil es in Valence schlichtweg nichts gab, womit er hätte hadern können. Seine Teamkollegen lieferten den Sanremo- und Roubaix-Sieger perfekt am Hinterrad von Greipel ab, und auch wenn er diese Position kurzzeitig an Peter Sagan verlor, holte sie sich Degenkolb wieder zurück und spurtete schließlich vom Hinterrad des späteren Siegers um seinen ersten Tour-Etappenerfolg. 50 Meter vor dem Ziel sah es sogar so aus, als könne er Greipel noch abfangen. Doch dann hatte der „Gorilla" mehr Kräfte übrig.
„Ich habe im Sprint keine gravierenden Fehler gemacht. Ich hatte das richtige Rad, aber André war einfach ganz klar der Stärkere. Das muss man so eingestehen", lobte Degenkolb seinen Rivalen. „Er ist in einer bombastischen Verfassung, und den Sprint dann so bis zur Linie durchzuziehen, ist schon beeindruckend."
Greipel hatte bereits 250 Meter vor dem Ziel seinen Sprint eröffnet - gerade bei leichtem Gegenwind wie heute sehr früh. Doch der zweimalige Deutsche Meister siegte trotzdem. Kein Zweifel: Greipel ist bei dieser Tour bislang der Schnellste. „Offensichtlich, ja", bestätigte Degenkolb. „Er hat ja nicht nur mich geschlagen - klar, Cavendish war heute nicht dabei, aber der Einzige der hier fehlt, ist Marcel (Kittel, d. Red.)."
Vor der Etappe hatte Greipel selbst nicht hundertprozentig damit gerechnet, dass es zu einem Massensprint kommen würde. Zu schwer sah das Profil aus, das 55 Kilometer vor dem Ziel noch einen acht Kilometer langen Anstieg der 2. Kategorie beinhaltete. Dort, so dachten viele, würde Greipel Probleme bekommen. Doch der Hürther biss sich fest. „André ist in der Verfassung seines Lebens. Er ist spritzig, kommt mit über die Berge und kommt auch alleine ohne Zug seines Teams gut zurecht", setzte Degenkolb die Lobeshymne auf seinen Landsmann fort.
Während Greipels Schnelligkeit vor den Alpen dafür sorgt, dass Degenkolb mit Rang zwei hinter ihm letztlich gut leben kann, hofft der Giant-Alpecin-Kapitän, dass sich die Kräfteverhältnisse in einer Woche verschoben haben werden. Nach den Bergen wartet in Paris auf den Champs-Élysées noch eine weitere Chance auf den langersehnten Tour-Etappensieg.
Genau das wird auf den anstehenden Etappen Degenkolbs Motivation sein, sich durch die Berge zu quälen. In den nächsten sechs Tagen geht es für ihn nur noch um eines: im Zeitlimit ankommen. „Ich werde definitiv in den Bergen nicht mehr als unbedingt nötig machen", kündigte er an. Gut möglich, dass der gebürtige Geraer nun auch die Zwischensprints ignoriert. Schließlich ist das Grüne Trikot, das fest auf Sagans Schultern liegt, bereits 96 Punkte weit weg - und auch zu Greipel fehlen 52 Zähler.
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