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22.07.2015 | (rsn) - Simon Geschke (Giant-Alpecin) hat auf der ersten Alpenetappe der 102. Tour de France für den bereits fünften Tagessieg eines deutschen Fahrers gesorgt. Nach dem zweiten Ruhetag kam der Freiburger nach einem Soloritt über rund 50 Kilometer 31 Sekunden vor dem US-Amerikaner Andrew Talansky (Cannondale-Giant) ins Ziel und konnte sein Glück zunächst nicht fassen.
„Eigentlich habe ich hier nichts zu suchen. Es ist ein unwirklicher Moment“, sagte Geschke im Ziel der 17. Etappe, die über schwere 161 Kilometer von Digne-les-Bains zur Bergankunft in Pra Loup führte. An den bisher größten Erfolg seiner Karriere habe er kurz vor der Ziellinie geglaubt. „Ich hab ja bisher nur zwei Siege in sechs Jahren geholt“, so der 29-Jährige, der im Sieger-Interview mit der ARD seine Tränen nicht zurückhalten konnte.
„Heute habe ich es mit der Brechstange versucht. Ich hatte einfach keine Lust mehr, immer nur Dritter, Vierter oder Fünfter zu werden“, erklärte Geschke, der sich kurz nach dem Zwischensprint bei Kilometer 110 aus der ursprünglich 28 Fahrer starken Ausreißergruppe des Tages abgesetzt hatte und in überragender Manier den ersten Etappensieg seines Giant-Alpecin-Teams einfuhr.
Hinter dem Sieger und Talansky kam der Kolumbianer Rigoberto Uran (Etixx-Quick-Step+1:01)) als Dritter an, gefolgt vom Franzosen Thibaut Pinot (FDJ/+1:36), der weiter auf sein erstes Erfolgserlebnis bei dieser Tour wartet, und dem Schweizer Mathias Frank (IAM/+1:40, der sich dadurch vom 13. auf den achten Platz der Gesamtwertung verbesserte.
Chris Froome (Sky) erreichte 7:16 Minuten hinter Geschke zeitgleich mit seinem schärfsten Rivalen Nairo Quintana (Movistar) das Ziel, machte aber Zeit auf alle anderen Rivalen gut – dazu gehört seit heute nicht mehr der US-Amerikaner Tejay van Garderen (BMC). Der bisherige Gesamtdritte musste 72 Kilometer vor dem Ziel, von einer Erkrankung geschwächt, mit Tränen das Rennen aufgeben.
Ebenfalls nicht mehr dabei sind Weltmeister Michal Kwiatkowski (Etixx-Quick-Step) und Bora-Sprinter Sam Bennett. Raus aus dem Kampf um den Gesamtsieg ist Girosieger Alberto Contador (Tinkoff-Saxo), der nach einem Sturz in der Abfahrt vom Col d’Allos mehr als zwei Minuten auf Froome und Quintana einbüßte.
Vor den noch drei anstehenden Alpen-Etappen liegt Froome unverändert 3:10 Minuten vor Quintana. Auf Rang drei verbesserte sich dessen spanischer Teamkollege Alejandro Valverde (+4:09), gefolgt von Froomes Edelhelfer Geraint Thomas (+6:34) und Contador (+6:40).
„Es war ein verrückter Tag mit dem Ausstieg von Tejay Van Garderen, der bis heute ein super Rennen gefahren ist. Dann der Sturz von Alberto Contador auf der letzten Abfahrt. Den Sturz habe ich nicht selber gesehen, aber ich habe über Funk davon gehört“, kommentierte Froome eine ereignisreiche und turbulente Etappe, auf der er aber jederzeit im Bilde war.
Im Mittelpunkt stand aber Geschke, der wie sein Teamkollege John Degenkolb und Peter Sagan (Tinkoff-Saxo) auch den Sprung in die 28-köpfige Ausreißergruppe schaffte, die sich bei hohem Tempo nach rund 60 Kilometern absetzen konnte. In der Anfahrt zum Col d`Allons, mit 2250 Metern das Dach dieser Tour, zog Geschke davon und erreichte den Gipfel eine Minute vor Pinot, der sich aus der ersten Verfolgergruppe um Frank hatte lösen können.
In der langen und rasanten Abfahrt konnte Geschke seinen Vorsprung, der zuvor bis zu zwei Minuten betragen hatte, wieder ausbauen, auch, weil der als schlechter Abfahrer bekannte Pinot in einer Kurve stürzte. Das gleiche Missgeschick passierte Contador, der zuvor mit seinem Teamkollegen Michael Rogers am Col de la Colle-Saint-Michel (2.Kat.) eine eher halbherzige Attacke ritt, die Froomes und Quintanas Helfer ohne größere Probleme zu vereiteln wussten.
In der Abfahrt vom Col d'Allos zogen zunächst Talansky und dann auch noch Uran an Pinot vorbei, ohne allerdings in Schlagdistanz zu Geschke zu gelangen. Der erwies sich als brillanter Abfahrer und nahm den 6,2 Kilometer langen Schlussanstieg nach Pra Loup, wo 1975 die Ära Eddy Merckx zu Ende gegangen war, dann wieder mit fast zwei Minuten Vorsprung in Angriff. Im Finale kam Talansky dann zwar noch auf, doch Geschke hatte seine Kräfte gut eingeteilt und feierte einen letztlich ungefährdeten Solosieg.
Hinter dem bärtigen Allrounder kam es im Col d’Allos zum Schlagabtausch der Favoriten, die den Ausreißern einen großen Vorsprung von bis zu zwölf Minuten gewährten. Zunächst erhöhte Vincenzo Nibalis Astana-Team das Tempo, und sorgte für eine deutliche Reduzierung des Feldes, in dem Froome aber zunächst noch auf Leopold König und Thomas bauen konnte, dann aber phasenweise isoliert war.
Später ließ sich noch Richie Porte aus der Spitzengruppe zurückfallen, um seinem Kapitän beizustehen, der sich in der nur noch vierköpfigen Favoritengruppe dem Movistar-Duo Valverde und Quintana sowie Nibali gegenüber sah. Dafür verantwortlich zeigte der Titelverteidiger mit seiner Attacke kurz vor dem Gipfel des Col d’Allos, der zunächst auch Contador hatte folgen können, ehe er kurz darauf in der Abfahrt zu Fall kam. Seine folgende Aufholjagd blieb erfolglos, so dass der Madrilene alle Hoffnungen auf das Double aufgeben muss.
Im Schlussanstieg startete Quintana mehrere Angriffe auf das Gelbe Trikot, nachdem seine beiden Helfer Jesus Herrada und Gorka Izaguirre, die wie das Sky-Duo Porte und Nicoals Roche zunächst in der Spitzengruppe platziert worden waren, sich ebenfalls hatten zurückfallen lassen. Doch der 30-jährige Froome parierte souverän mehrere Versuche des Giro-Siegers von 2014, der aber nicht aufgab und auf den letzten Metern noch versuchte, einige Sekunden auf den Tour-Sieger von 2013 gutzumachen. Während Froome und Quintana schließlich Seite an Seite ins Ziel kamen, büßten Valverde und Nibali im Finale noch mehrere Sekunden ein.
Der Vorjahrssieger machte immerhin eine weitere Position im Gesamtklassement gut, hat als Siebter aber mehr als acht Minuten Rückstand. „Froome war wirklich sehr, sehr gut. Er war immer da, hat versucht, das Rennen zu kontrollieren“, sagte Nibali, der ernüchtert anfügte: „Wir haben ihn mehrfach attackiert, ich selber, Quintana, Valverde. Er war irgendwann alleine und hatte keine Teamkollegen mehr um sich herum, trotzdem ist es sehr schwer, ihn zu schlagen. Aber wir haben es versucht - mehr konnten wir nicht tun.“
Quintana dagegen rechnet sich noch einige Chancen aus, Froome noch in Bedrängnis zu bringen. „Heute wollten wir Froome nicht früher angreifen. Es kommen noch Tage, an denen es anstrengendere Berge gibt, da werden wir es sicher probieren“, kündigte der 25-Jährige weitere Attacken an.
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