Italiener siegt als Solist in La Toussuire

Nibali kommt spät in Fahrt - Froome beklagt Unsportlichkeit

Foto zu dem Text "Nibali kommt spät in Fahrt - Froome beklagt Unsportlichkeit"
Vincenzo Nibali (Astana) ballt in La Toussuire die Siegerfauist. | Foto: Cor Vos

24.07.2015  |  (rsn) – Kurz vor Schluss der 102. Tour de France kommt Vincenzo Nibali (Astana) in Fahrt. Der Titelverteidiger präsentierte sich auf der vorletzten der vier Alpenetappen in Topform und setzte sich am Freitag über 138 Kilometer von Saint-Jean-de-Maurienne zur Bergankunft in La Toussuire als Solist durch.

„Die ersten beiden Wochen lief es nicht so gut. Aber heute im Finale habe ich mich sehr stark gefühlt. Ich wollte die Etappe gewinnen. An die Gesamtwertung habe ich nicht gedacht“, kommentierte Nibali, nachdem er den Italienern den ersten Tagessieg bei dieser Frankreich-Rundfahrt beschert hatte. „Es war ein sehr schwieriges Jahr für mich, auch der Beginn dieser Tour war schwierig. Ich hatte ein bisschen Pech, und vielleicht hatte ich auch nicht die richtige Form, die ist jetzt erst gegen Ende gekommen. Aber dieser schöne Sieg macht mich wirklich glücklich.

Damit machte der Italienische Meister gleich drei Positionen im Gesamtklassement gut, in dem er jetzt auf Rang vier geführt wird, 6:44 Minuten hinter Chris Froome (Sky). Der Brite konnte auf den letzten fünf Kilometern des Schlussanstiegs einer Attacke von Nairo Quintana (Movistar) nicht folgen, büßte inklusive Zeitgutschrift 32 Sekunden auf den Kolumbianer ein, der 44 Sekunden hinter Nibali als Zweiter ins Ziel kam.

Kontroverse Diskussionen löste der Sizilianer allerdings mit seiner Attacke kurz vor dem Gipfel des Col de la Croix de Fer (HC) aus, mit der er sich auf die Verfolgung des zu diesem Zeitpunkt führenden Franzosen Pierre Rolland (Europcar) gemacht hatte. Praktisch zeitgleich mit Nibalis Antritt hatte Froome in der Favoritengruppe mit einem technischen Problem zu kämpfen und musste sogar kurz vom Rad steigen. „Das war der richtige Augenblick für einen Angriff, ich habe nichts von seinen technischen Problemen gesehen. Ich wollte mit der Attacke nicht bis zum letzten Anstieg warten“, erklärte Nibali, dessen Helfer Tanel Kangert und Michele Scarponi bis dahin für Tempo in der Gruppe gesorgt hatten.

Doch der Träger des Gelben Trikots widersprach Nibalis Darstellung. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich umsah, meine Schwierigkeiten bemerkte, und dann attackierte“, sagte Froome im Ziel und warf seinem Kontrahenten Unsportlichkeit vor: „Er hatte den ganzen Anstieg Zeit zu attackieren und tat es genau in dem Moment, als ich Defekt hatte.“

So oder so hinterließ der 30-jährige Sizilianer an diesem Tag einen bärenstarken Eindruck. Nibali, der den gut 2.000 Meter hohen Gipfel des höchsten Berges des Tages rund eine Minute hinter Rolland überquert hatte, spielte in der Abfahrt all seine Fähigkeiten aus und rückte dem Franzosen, der 2012 in La Toussuire triumphiert hatte, Kilometer um Kilometer näher. An der nächsten Bergwertung, dem Col du Mollard (1. 638 m), hatte er zu Rolland aufgeschlossen und gemeinsam stürzte sich das Duo in die letzte Abfahrt des Tages und nahm auch den 18 Kilometer langen Schlussanstieg gemeinsam in Angriff.

Doch bereits 16 Kilometer vor dem Ziel schüttelte Nibali seinen Begleiter ab und rettete von seinem Maximalvorsprung von gut zwei Minuten immerhin noch 44 auf Quintana, der genau den Zeitpunkt abgepasst zu haben schien, als gut fünf Kilometer vor dem Ziel Wout-Poels, Froomes bester und letzter Helfer an diesem Tag, zurückfiel und das Gelbe Trikot isoliert war.

Froome brauchte einen Moment, konnte dann aber als einziger Fahrer der Favoritengruppe dem Südamerikaner folgen. Zunächst hielt er sogar den Rückstand zwischen zwölf und 15 Sekunden, ehe die Lücke zu Quintana auf den letzten beiden Kilometern dann doch zusehends größer wurde. Im Ziel waren es dann 30 Sekunden, einschließlich der Zeitbonifikation betrug der Verlust sogar deren 32.

„Ich habe da attackiert, wo ich es mir vorgenommen hatte. Meine Hoffnung war, dass ich ein größeres Loch zu Froome aufreißen könnte“, erklärte Quintana, dessen Team erneut einen sehr starken Eindruck hinterließ und nach wie vor überlegen die Mannschaftswertung anführt. „Ehrlich gesagt, war es nicht so groß, wie ich wollte. Ich werde weiter kämpfen und sehen, was ich tun kann.“ Angesichts von 2:38 Minuten Rückstand auf das Gelbe Trikot wird das aber ein schweres Unterfangen.

„Es war heute ein heftiger Tag, vom Start weg ging das Rennen los. Alles in allem aber ein guter Tag“, konnte Froome bei allem Ärger dann doch zufrieden das Rennen bilanzieren. „Man konnte sehen, dass Quintana eine starke Attacke fuhr. Ich habe versucht, mein Tempo weiterzufahren und den Abstand nicht zu groß werden zu lassen. Außerdem wollte ich noch ein bisschen Kraft für morgen sparen“, spielte er auf Alpe d’Huez an, wo morgen Nachmittag die 102. Tour entschieden wird.

Abgeschlagen, 2:26 Minuten hinter Nibali, folgten die ersten Verfolger, von denen sich der Franzose Thibaut Pinot (FDJ) den vierten Platz vor seinem Landsmann Romain Bardet (Ag2R) sicherte. Der Etappengewinner von gestern, der während seiner Verfolgungsjagd auf Rolland am Col de la Croix de Fer ebenfalls von einem Defekt aufgehalten wurde, hatte versucht, diesen bei voller Fahrt zu beheben, musste sich dann aber doch wieder in die Verfolgergruppe zurückfallen lassen.

Immerhin konnte Bardet sich damit trösten, morgen im Bergtrikot auf die Königsetappe der Tour de France zu gehen, da Joaquim Rodriguez (Katusha) wie bereits gestern am schwersten Berg des Tages nicht mehr dem Tempo folgen konnte, nachdem er sich die erste Bergwertung des Tages geholt hatte.

Zeitgleich mit Pinot und Bardet kamen Alejandro Valverde (Movistar), Bauke Mollema (Trek), Robert Gesink (LottoNL-Jumbo), Alberto Contador Tinkoff-Saxo) und Samuel Sanchez (BMC) auf den Positionen sechs bis zehn an, gefolgt von Rolland, der seinen Sieg von vor drei Jahren nicht wiederholen konnte.

Bravourös schlug sich erneut der Schweizer Mathias Frank (IAM), der mit 5:02 Minuten Vierzehnter wurde und im Gesamtklassement sogar um einen auf den siebten Platz vorrückte, weil Froomes Edelhelfer Geraint Thomas (Sky), der bislang Gesamtvierter war, regelrecht einbrach und aus den Top Ten herausfiel. Valverde behauptete seinen dritten Gesamtrang vor Valverde, Contador und dem starken Gesink. Hinter Frank rückten auch Mollema, Bardet und Rolland um je einen Platz vor.

Für Froome bedeutete allerdings nicht nur das Finale Schwerstarbeit. Denn wie erwartet erfolgte vom Start weg im 15,4 Kilometer langen Anstieg zum Col du Chaussy (1. Kat.) ein wahres Feuerwerk an Attacken. Auf Initiative von Rodriguez formierte sich eine größere Spitzengruppe, zu der auch Valverde, Nibali und Contador vorstießen und damit Froome gleich unter Druck setzten. Der musste schon früh fast sein ganzes Team verschleißen – darunter auch Edelhelfer Geraint Thomas -, hielt aber den Abstand bei maximal 20 Sekunden und schaffte kurz vor dem Gipfel in 1.533 Metern mit einer entscheidenden Tempoverschärfung den Anschluss. Rodriguez setzte kurz darauf eine weitere Attacke, sicherte sich zehn Punkte am Gipfel und ließ sich in der Abfahrt wieder einholen.

Nach 58 turbulenten Kilometern nahm eine 21 Fahrer starke Spitzengruppe den 22,4 Kilometer langen und 6,9 Prozent steilen und über den Col du Glandon führenden Anstieg zum Col de la Croix de Fer (HC.) mit nur 1:30 Minuten auf das Feld in Angriff. Hier konnte Froome, zu dem mittlerweile wieder einige Helfer vorgefahren waren, bis in den Schlussanstieg hinein Unterstützung von LottoNL-Jumbo.

In der Mitte des Anstiegs attackierte Rolland aus der Spitzengruppe heraus und fast zeitgleich schickte Nibali im Feld seine Helfer nach vorn. Im steilsten Abschnitt des Anstiegs setzte der Titelverteidiger seine erste Attacke, die von Froome und den anderen Favoriten aber vereitelt wurde. Danach spannten sich wieder Tanel Kangert und Michele Scarponi an die Spitze und schraubten das Tempo in die Höhe. Nach einer ebenfalls vergeblichen Attacke von Valverde wurde Froome durch einen kleinen Stein zum Halt gezwungen, der sich in seiner Hinterradbremse verfangen hatte. In diesem Moment setzte Nibali seine Attacke, der niemand mehr folgen konnte.

 

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.11.2015Prudhomme: "Forderung absurd hoch und unbegründet"

(rsn) –Tour-Direktor Christian Prudhomme bestreitet die Rechtmäßigkeit der Forderung des Niederländischen Radsportverbands (KNWU), der von der ASO 140.000 Euro für den Grand Départ der Frankrei

03.11.2015Niederländischer Verband wartet auf Geld von der ASO

(rsn) - Der Niederländische Radsportverband KNWU hat sich an die UCI gewendet, weil er seit vier Monaten auf eine Zahlung der ASO in Höhe von 140.000 Euro wartet. Das berichtet das niederländische

16.08.2015Dopingproben der Tour sollen erneut getestet werden

(rsn) - Keiner soll sich sicher fühlen! Auch nicht, wenn die Rennen rum sind. Deshalb sollen die Dopingproben der gerade beendeten Tour de France nachträglich auf das neue Epo-Stimulanzmittel 

30.07.2015Bahamontes traut Valverde den Tour-Sieg zu

(rsn) – Federico Bahamontes traut Alejandro Valverde (Movistar) den Tour-Sieg zu und hat seinen Landsmann aufgefordert, im kommenden Jahr das Gelbe Trikot ins Visier zu nehmen. „Wenn er Dritter ge

28.07.2015Voß war zu früh in Topform

(rsn) – Auf die Frage, wie die am Sonntag zu Ende gegangene Tour de France für ihn verlaufen sei, fand Paul Voß gegenüber radsport-news.com nur zwei Worte: „Nicht zufriedenstellend.“ Nach seh

27.07.2015Wie kommt der „Engel" ins Tour-Finale?

(rsn) - Wir trauten unseren Augen nicht, als wir das von Philousport bei Twitter eingestellte Video (siehe die beiden Links unten) betrachteten. Es sah aus, als stünde ein „Engel" mit flatternden F

27.07.2015Jugendlicher Schwarzfahrer soll Absperrung durchbrochen haben

Paris (dpa) - Ein Jugendlicher ohne Führerschein ist wohl für den Zwischenfall vor dem Finale der Tour de France am Sonntag verantwortlich, bei dem die Pariser Polizei Schusswaffen einsetzte.

27.07.2015Denk: „Das Glück war nicht auf unserer Seite"

(rsn) - Ein Etappenpodium, zwei weitere Platzierungen in den Top Ten, der 25. Platz in der Gesamtwertung sowie zwei Auszeichnungen als aktivster Fahrer sind die Bilanz des deutschen Bora-Argon 18-Team

27.07.2015Nun will Greipel auch in Hamburg seinen ersten Sieg

Paris (dpa/rsn)- Am Sonntag gewann André Greipel (Lotto Soudal) erstmals in seiner Karriere die letzte Tour-Etappe auf den Champs Élysées. Im Ziel wartete sein Jugendtrainer Peter Sager um mit dem

27.07.2015Brailsford: „Die Kritiker haben uns geholfen, die Tour zu gewinnen“

Paris (dpa/rsn) - Erst gab es Dosenbier, dann Champagner - und aus den Boxen dröhnte der bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche Queen-Hit „We are the Champions“. Bevor Christopher Froome

27.07.2015Movistar die beste Mannschaft, aber Sky stellt den Sieger

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den 21 Mannschaften. Zeit für radsport-news.com, eine Bilanz der 102. Tour de France zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinte

27.07.2015Lotto Soudal dominiert die Sprints, IAM erreicht sein Ziel

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den 21 Mannschaften. Zeit für radsport-news.com, eine Bilanz der 102. Tour de France zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinte

Weitere Radsportnachrichten

31.01.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum RSN-Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über d

30.01.2025Van der Poel peilt in Liévin de Vlaemincks Rekord an

(rsn) – Am Freitag beginnt in Liévin die Cyclocross-Weltmeisterschaft (31. Januar – 2. Februar). In sieben Rennen werden Regenbogentrikots ausgefahren und German Cycling könnte erstmals seit der

30.01.2025Warm-Up für den nächsten Dreijahres-Zyklus

(rsn) – Douglas Ryder fiel in der Vergangenheit nicht unbedingt durch Zurückhaltung und Bescheidenheit auf. Als er 2023 das Team Q36.5 Pro Cycling als Zweitdivisionär ins Leben rief, nachdem sein

30.01.2025Eekhoff stürzt bei AlUla-Tour gegen Laternenpfahl

(rsn) – Nach einem schweren Unfall im Finale der 3. Etappe der AlUla-Tour musste Nils Eekhoff (Picnic – PostNL) ins Krankenhaus gebracht werden, wo ein Kieferbruch und ein abgebrochener Zahn diagn

30.01.2025Van den Berg aus Blikras Windschatten zum ersten Saisonsieg

(rsn) – Marijn van den Berg (EF Education – EasyPost) ist perfekt in seine vierte Profisaison eingestiegen. Der 25-jährige Niederländer entschied am zweiten Tag der Mallorca Challenge die Trofeo

30.01.2025Merliers Beine drehen sich auch am Tayma Fort am schnellsten

(rsn) – Mit einer souveränen Vorstellung hat Auftaktsieger Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) auch die 3. Etappe der 5. AlUla Tour (2.1) für sich entschieden. Der 32-jährige Belgier setzte sich

30.01.2025Die Strecke des Critérium du Dauphiné 2025

(rsn) – Das 77. Critérium du Dauphiné (2.UWT) führt vom 8. bis 15. Juni 2025 von Domérat im Departement Allier über acht Etappen zur finalen Bergankunft am Plateau du Mont-Cenis in den Savoier

30.01.2025Cadel Evans Road Race im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Seit mittlerweile acht Jahren gehört das 2015 erstmals ausgetragene Cadel Evans Great Ocean Road Race der WorldTour an. Bei den bisherigen sieben Austragungen gab es auch schon zwei deutsch

30.01.2025Auch mit kleinerem Kader vor einer weiteren Wundersaison?

(rsn) - Das belgische Team Lotto, seit dieser Saison ohne den bisherigen Co-Sponsor Dstny, ist so etwas wie der Effektivitätsweltmeister im Straßenradsport. Mit einem Etat unterhalb von 20 Millionen

30.01.2025Andresen fügt Welsford erste Sprint-Niederlage 2025 zu

(rsn) – Nach drei Etappensiegen bei der Tour Down Under (1. UWT) und zuvor auch drei Sprinterfolgen bei nationalen Kriterien in Australien hat Sam Welsford bei der Surf Coast Classic (1.1) knapp ein

30.01.2025Viel französischer Schlamm und ein bisschen Bieles

(rsn) – Zum ersten Mal seit 2004 (Pontchateau) findet die Cross-Weltmeisterschaft wieder in Frankreich statt. Austragungsort ist Liévin, eine 30.000-Einwohner-Stadt im Département Pais-de-Calais i

30.01.2025Kepplinger: “Ich bin zufrieden, wie es gelaufen ist“

(rsn) - Vor zwei Jahren begann für Rainer Kepplinger das Abenteuer WorldTour. Bei der damaligen Saudi Tour gab der Österreicher sein Debüt im Trikot von Bahrain Victorious. Nun steht Kepplinger bei

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • AlUla Tour (2.1, 000)
  • Trofeo Serra Tramuntana (1.1, ESP)