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05.08.2023 | In Rahmen der UCI-Rad-WM in Glasgow fand gestern im schottischen Perth die Granfondo-Weltmeisterschaft der Amateure statt. Auf einem hügeligen 160-km-Kurs in den südlichen Highlands standen neun Fahrer des Teams Strassacker an der Startlinie – unser großer Saison-Höhepunkt, bei dem wir das Team-Celeste für einen Tag gegen die weißen National-Trikots tauschten.
Nachdem unsere bisherige Saison ausgesprochen erfolgreich verlaufen war, wollten wir dem Jahr bei der Granfondo-WM die Krone aufsetzen. Mit dem Ziel, einen Fahrer aufs Podium zu bringen, waren wir bereits am Montag nach Schottland angereist und konnten uns somit schon vier Tage lang akklimatisieren und die Strecke mit ihren fast 160 Kilo- und 1900 Höhenmetern abfahren.
Motiviert bis in die Haarspitzen und nervös wie selten standen wir dann am Freitag an der Startlinie am Fluss Tay in Perth. Anders als sonst bei Jedermann-Rennen und Gran Fondos wurden Altersklassen und Geschlechter getrennt gestartet. So traten im großen Feld in der Klasse 19 bis 34 Jähre mit Moritz Palm, Moritz Beinlich, Chris Mai, Lukas Klöckner, Jonas Bzrenczek und mir sechs Strassacker-Fahrer, und in den Klassen Ü35 mit Ben Witt, Ü40 mit Joscha Weber und Ü50 mit Holger Koopmann jeweils einer an.
Foto: ucigranfondoworldseries.com
Hektische Startphase
Nicht weniger als 295 Athleten aus aller Herren Länder jagten in der Klasse bis 34 Jahre dem Traum vom Regenbogen-Trikot hinterher. Die Startphase gestaltete sich entsprechend hektisch: Jeder wollte vorne in guter Position fahren, zahlreiche Attacken führten zu einer stressigen ersten Rennstunde. Ich sprang in einige Gruppen mit, letztlich lösten sich dann fünf Mann, ohne unsere Beteiligung, die sich einen Vorsprung von bis zu zweieinhalb Minuten herausfahren konnten.
Nach etwa vierzig Kilometern fand sich unser Kapitän Moritz Palm, dem das Rennen auf den Leib geschneidert schien, plötzlich in einer Wiese in den Highlands wieder – vor ihm war es zu einem Sturz gekommen, er hatte nicht mehr ausweichen können. Damit lag unsere beste Podiums-Chance aussichtslos zurück... Moritz kämpfte sich nach dem Crash auf den verbleibenden 120 Kilometern ohne Sattel und mit Schürfwunden aber immerhin ins Ziel.
Nach einer schnellen Abfahrt ging es in den ersten echten Berg des Tages, bei noch hundert zu fahrenden Kilometern. Drei steile Kilometer mündeten in eine nur noch leicht ansteigende Hochebene. Hier wollte Moritz Beinlich eine erste Vor-Selektion herbeiführen, für die ich ihm einen Leadout fahren sollte. An meinem Hinterrad war er dann aber nicht - ihm war die Kette heruntergefallen. Unsere beiden nominellen Kapitäne waren echt vom Pech verfolgt... Einige Belgier schlugen dann ein zügiges Tempo an, ich reihte mich in den Zug ein.
Keine Lücke zu reißen
Plötzlich tauchte Moritz wieder an meiner Seite auf, er hatte sich durchs Feld gepflügt. Und kaum war er an der Spitze angekommen, trat Moritz an. Spätestens hier merkte man, dass wir einer WM fuhren: Zahlreiche Fahrer sprangen mit, und Moritz konnte keine richtige Lücke reißen. Unser Landsmann Simon Betz setzte einen Konter, der aber ebenso wenig verfing. Über die Kuppe war so eine Gruppe von etwa zwanzig Mann beisammen, die in der Abfahrt dann auf etwa fünfzig Fahrer anwuchs. Vom Team Strassacker waren noch Moritz, Jonas, Chris und ich in diesem Feld.
Auf den folgenden zwanzig welligen Kilometern spannte ich mich vor die Gruppe, um das enteilte Quintett und die an einer Welle entwischten Vince Mattens (B) und Matteo Cigala (I) nicht zu weit wegkommen zu lassen. Bei Kilometer 90 ging es in den zweiten und letzten Berg des Tages. Ich fuhr mit Moritz am Hinterrad an der Spitze der Gruppe in den Anstieg - hier kam richtig Tour-Feeling auf: Zahlreiche Fans und Betreuer säumten die Straße und bildeten ein Spalier, das uns die Strapazen vergessen ließ.
Moritz nutzte die Gunst der Stunde, riss mit Dennis Biederer eine Lücke und machte sich auf die Verfolgung der Spitze. Diesmal ging ein Loch auf, in der Gruppe dahinter wollte niemand so recht nachführen. Im Steilstück des Anstieges zerflog dann das restliche Feld in seine Einzelteile. Auf der Kuppe war der Rest der Spitzengruppe noch kurz vor einer etwa 15 Mann starken Verfolgergruppe, in der auch Moritz war.
Höllisches Tempo an der Spitze
Mit einer kleinen Lücke folgte eine knapp 30 Fahrer große Gruppe, in der ich saß. Auf der Kuppe überlegte ich noch kurz, das Loch zuzuspringen – ich fühlte mich trotz meiner bisherigen Arbeit noch recht gut – doch entschied ich mich dagegen, weil im Finish erfahrungsgemäß alles wieder zusammenläuft. Das war aber heute nicht der Fall - vielmehr schlug die Gruppe um Moritz ein höllisches Tempo an und ward nicht mehr gesehen.
An der Spitze kam es dann zum Zusammenschluss mit den Ausreißern des Tages, rund 20 Fahrer ging auf die letzten 40 flachen Kilometer. Bis etwa 20 Kilometer vor dem Ziel arbeitete die Gruppe gut zusammen und kreiselte dem Ziel entgegen. Die Allianz war aber nicht von Dauer, vielmehr ging das unvermeidliche Attackieren los, als das Ziel in greifbarer Nähe rückte. Zahlreiche Angriffe wurden lanciert und wieder neutralisiert, auch Moritz versuchte es einige Male - erfolglos.
Zehn Kilometer vor dem Ziel konnte sich schließlich der Belgier Lars van Coppenolle lösen und eine Lücke reißen. In der Gruppe dahinter schauten sich alle an, keiner wollte die Nachführarbeit übernehmen - und so wuchs das Loch. Als Solist kam van Coppenolle ins Ziel, er hatte noch genug Zeit, sein Rad ins Ziel zu tragen. Im Kampf um Silber startete Moritz seinen Sprint etwas zu früh, im bergauf führenden Finale ließen ihn die Beine im Stich.
Podium um zwei Sekunden verfehlt
Die Medaillen in Silber und Bronze gingen so an Matteo Cigala aus Italien und Matthias Studer aus der Schweiz, Moritz überquerte die Ziellinie mit zwei Sekunden Rückstand zum Podium auf Rang sechs. In der zweiten Gruppe bot sich ein ähnliches Bild, auch hier gingen im Finale zahlreiche Attacken, ich konnte mich mit vier Mitstreitern von der restlichen Gruppe lösen. Auf Rang 22 war ich zweitbester Fahrer unseres Teams, Jonas Bzrenczek und Chris Mai rollten in der dritten großen Gruppe ins Ziel.
In den Rennen der Altersklassen konnten Ben Witt und Joscha Weber jeweils am letzten Anstieg nicht ganz dem Tempo der besten folgen. Ihre Attacken im Finale blieben erfolglos und so kamen die beiden in den Hauptfeldern ins Ziel. Einen starken Auftritt lieferte Routinier Holger Koopmann in der Klasse Ü50 ab, der mit Rang sechs belohnt wurde.
Team-Chef Franco Adamo, der die Mannschaft vom Streckenrand betreute und verpflegte, zog ein positives Feedback: "Der Sturz von Moritz Palm hat ein Stück weit unsere Taktik durchkreuzt, er wäre bei einem Sprint ein aussichtsreicher Kandidat gewesen. Aber mit einem sechsten Platz durch Moritz Beinlich können wir angesichts der sehr starken Konkurrenz gut leben. Wir haben alles gegeben..."
Wir sind um eine tolle Erfahrung reicher und können mit Recht sagen, uns auch international behaupten zu können - auch wenn das Niveau ein anderes ist als in deutschen Rennen. Mit der erhofften Medaille hat es zwar am Ende nicht geklappt, aber wir haben alles in die Waagschale geworfen und ein taktisch fehlerfreies Rennen abgeliefert. In einem so offenen und wenig selektiven Finale hängt es am Ende oft vom Zufall ab, welcher Vorstoß von Erfolg gekrönt ist.
Dementsprechend zufrieden treten wir am Montag die Heimreise an. Vorher statten wir aber noch dem Rennen der Profis am Sonntag in Glasgow einen Besuch ab, um unseren Schottland-Trip abzurunden. Danke an die Sponsoren und den Daheimgebliebenen fürs Daumendrücken und Mitfiebern!
Fabian Thiele ist Fahrer im Team Strassacker.
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