Erfurter träumt nun vom Grünen Trikot

Nicht Cipollini, nicht Zabel! Der neue Kittel-Stil erobert die Tour

Von Joachim Logisch aus Troyes

Foto zu dem Text "Nicht Cipollini, nicht Zabel! Der neue Kittel-Stil erobert die Tour"
Von weit hinten und ohne Anfahrer sprintete Marcel Kittel (Quick-Step Floors) auch in Troyes zum Sieg. | Foto: Cor Vos

07.07.2017  |  (rsn) - Sprint 1 nach dem Rauswurf von Peter Sagen (Bora-hangrohe) und dem verletzungsbedingten Ausstieg von Mark Cavendish (Dimension Data). Am Ergebnis änderte sich nichts. Wieder gab es Ärger (diesmal wegen Nacer Bouhanni), Marcel Kittel (Quick-Step Floors) und Arnaud Démare (FDJ) machten den Sieg unter sich aus. Nachdem zuletzt in Vittel der Franzose gewonnen hatte, siegte diesmal wieder der Deutsche vor Démare. Und wie es aussieht, könnten noch ein paar Kittelsiege folgen.

Der blonde Hüne ist so überlegen, dass inzwischen vom Kittel-Stil gesprochen wird. "Er ist kein Cipollini, kein Zabel - er ist Kittel, ein neuer Kittel-Stil“, lobte ein erfahrener Kollege den Erfurter.

Doch wie sieht dieser Stil aus? Der seit gestern elfmalige Tour-Etappensieger braucht - zumindest bei dieser Tour - keinen Zug, nicht mal einen echten Anfahrer. Kittel verlässt sich auf seinen Instinkt. Das hat er im vergangenen Jahr gelernt, als er nach jeweils vier Etappenerfolgen 2013 und 2014 sowie der verletzungsbedingten Pause 2015  nur einmal gewann.

Aufs richtige Timing kommt es an

"2016 war ich öfter etwas zu früh dran und wurde von Mark Cavendish überholt. Das zeigte mir, wie wichtig das richtige Timing ist. Es kommt nicht nur auf die Teampower an. Man muss klug fahren, im richtigen Moment vorne am richtigen Rad sein. Das macht den Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Sprinter aus“, erklärte Kittel in der Siegerpressekonferenz. "Ich bin sehr froh, dass ich immer meinen Weg finde. Es ist nicht einfach. Wenn ich von hinten komme, sind aber auch gute Beine die Grundlage. Ich bin froh, dass ich im Moment in sehr guter Form bin und die richtige Unterstützung bekomme.“

Der Kittel-Stil sah in Troyes so aus: Démare hatte schon losgelegt und auch der wieder gorillastarke André Greipel (Lotto Soudal) folgte einen Augenblick später in den Wind. Da fuhr Kittel noch an achter Stelle hinter Alexander Kristoff (Katusha-Alpecin). Genau im richtigen Moment legte er los und raste mit Urgewalt allen andern vorbei über die Ziellinie. Angeblich wurden 71 km/h gemessen.

"Er war 10 km/h schneller als ich", staunte Greipel, dessen Sportdirektor Marc Sergeant fassungslos feststellte: "Kittel scheint zurzeit fast unschlagbar zu sein." Und auch Démares Chef Marc Madiot befand: "Kittel ist sehr, sehr stark.“

Der Thüringer brauchte seine Helfer vom Team Quick-Step Floors nicht für einen Zug auf den letzten 1000 Metern oder wie früher Cipollini und Zabel schon lange davor. Der 29-Jährige spannte auf den letzten 4000 Metern seine Truppe ein, um  durch die technisch schwierige S-Kurve und die Kreisel geleitet zu werden. "Wir haben uns die letzten 20 bis 25 Kilometer immer bei den besten 20 aufgehalten. Nicht ganz vorne. Die Kontrolle wollten wir erst vier bis fünf Kilometer vor Schluss übernehmen“, verriet Kittel die Taktik seiner Mannschaft. "Es sind aber so viele gute Teams hier, dass ich zur Mannschaft sagte, wir müssen intelligent fahren.“

Er orientierte sich also an seinem Anfahrer, der ihn sicher bis 800 Meter vors Ziel chauffierte. "Jeder hat versucht, das Tempo hochzuhalten. Ich habe 800 Meter vor dem Ziel Fabio Sabatini verloren und dann nach den Hinterrädern der anderen Sprinter gesucht und versucht, Kraft zu sparen und immer in der Nähe des Siegs zu bleiben. Was mir auch gelungen ist“, beschrieb er seinen Weg zum Erfolg.

Kittel: "Ich sehr froh wie es heute ging, es war ein sehr schönes Finish, es war flach und mit Highspeed!“

Kittel träumt von Grün

Nachdem mit Peter Sagan (Bora-hansgrohe) der haushohe Favorit aufs Grüne Trikot  ausgeschlossen wurde, zählt Kittel nun auch zum engeren Anwärterkreis. In Lüttich hatte er noch entsprechende Fragen nach seinen Zielen mit den Worten abgewiegelt, dass Grün nur ein Thema für ihn sei, wenn Sagan nicht mehr dabei sei. Dem ist nun so. "Die Chance ist nun da“, erklärte Kittel in die Mikrofone der Mixedzone. “Ich  träume von Grün.“

In der Sieger-Prssekonferenz meinte er: "Wir werden sehen. Die Situation ist nun anders als letztes Jahr (als Sagan gewann). Das ist sicher. Bevor ich aber darüber nachdenke, konzentriere ich mich zunächst auf Etappensiege. Das ist auch ein Weg, viele Punkte zu sammeln, die sehr wichtig für das Grüne Trikot sind. In einer Woche schauen wir, wie dort die Lage ist. Wenn dann noch eine realistische Chance ist, Grün zu holen, werde ich nicht aufgeben“, kündigte er an.

Um aber erst gar keinen Druck aufkommen zu lassen, sagte Kittel auch: "Derzeit habe ich es nicht im Blick und werde mich auch nicht dafür ins Zeug legen.“

Auch Zabels Rekord von zwölf Etappensiegen will er quasi im Vorbeigehen knacken: "Ich werde immer danach gefragt, deshalb beschäftige ich mich schon damit. Ich mache mir aber auch hier keinen Druck“, betonte Kittel.

"Ohne Sagan und Cavendish nicht einfacher"

Dass er es nun leichter habe zu siegen, weil Weltmeister Sagan und der 30-malige Tour-Etappensieger Mark Cavendish (Bruch des Schulterblattes nach Zusammenstoß mit Sagan) fehlen, wies er weit von sich: "Dass die beiden fehlen, macht es nicht einfacher für mich, denn es sind noch genug andere gute Sprinter hier.“

Das Urteil, das zu Sagans Ausschluss führte, wollte Kittel übrigens nicht weiter kommentieren. "Die Jury hat eine Entscheidung getroffen. Es gibt Menschen, die sie unterstützen und andere, die dagegen sind. Ich sehe es ein wenig wie eine Entscheidung im Fußball. Wenn der Schiedsrichter pfeift, dann gilt es. Ich konzentriere mich nun auf meine Tour de France.“

Mehr Informationen zu diesem Thema

20.07.2020Video-Rückblick: Matthews erobert das Grüne Trikot der Tour 2017

(rsn) - Als Michael Matthews (Sunweb) 2017 erstmals in seiner Karriere das Grüne Trikot der Tour de France eroberte, beendete er eine glanzvolle Frankreich-Rundfahrt, in deren Verlauf er auch zwei Et

01.07.2020Video-Rückblick: Valverdes Tour-Sturz von Düsseldorf

(rsn) - Vor genau drei Jahren stürzte Alejandro Valverde (Movistar) beim Auftakt der Tour de France in Düsseldorf im Zeitfahren auf regennasser Straße so schwer, dass dem Spanier sogar das Karriere

30.10.2019Düsseldorf muss Tour de France-Vertrag offenlegen

(rsn) - Die Stadt Düsseldorf muss den Vertrag, der zwischen der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens und der französischen Amaury Sport Organisation im Zuge es Tour de France-Starts 2017 geschloss

06.12.2017Fall Sagan: Dimension Data kritisiert Vorgehensweise der UCI

(rsn) - Mark Cavendishs Dimension Data-Team fühlt sich bei der Entscheidungsfindung im Fall Sagan übergangen. Wie Manager Douglas Ryder in einer Pressemitteilung erklärte, sei man davon ausgegangen

05.12.2017Sagans Tour-Ausschluss beruhte auf einem Fehlurteil

(rsn) - Peter Sagans Disqualifikation nach der 4. Etappe der Tour de France war nicht Folge eines Fehlverhaltens des Weltmeisters, der in einem hart umkämpften Sprint in Vittel den Sturz seines Konku

13.11.2017Sagans Tour-Disqualifikation wird vor dem CAS verhandelt

(rsn) - Peter Sagans umstrittene Disqualifikation nach der 4. Etappe der Tour de France wird am 5. Dezember vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS verhandelt. Das geht aus CAS-Terminkalender her

06.09.2017Düsseldorf macht mit Grand Depart 7,8 Millionen Euro Verlust

Düsseldorf (dpa) - Die Stadt Düsseldorf hat mit dem Start der Tour de France 2017 einen Verlust von 7,8 Millionen Euro gemacht. Diese Zahl nannte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) bei de

28.07.2017Denk: "Das Material gibt es ja, man muss es nur verwenden"

(rsn) - Ralph Denk hat mit Verwunderung auf die Forderung von Philippe Mariën, Chef der Jury der Tour de France, reagiert, künftig bei Radrennen auf den Video-Beweis zu setzen. Hintergrund ist der A

28.07.2017Barguil fährt lieber ohne Powermeter

(rsn) – Auch in diesem Jahr brodelt nach der Tour de France in Sachen Teamwechsel die Gerüchteküche, vor allem bei denjenigen Fahrern, deren Verträge auslaufen. Letzeres gilt zwar nicht für Warr

28.07.2017Martens: "Roglic und Groenewegen können Weltstars werden"

(rsn) - Paul Martens (LottoNL-Jumbo) hatte bei seiner dritten Tour de France allen Grund zum Jubeln. Sein Team kehrte mit zwei Etappensiegen durch Primoz Roglic und Dylan Groenewegen aus Frankreich zu

28.07.2017Jury-Chef der Tour fordert Video-Beweis für Sprints

(rsn) - Philippe Mariën, Chef der Jury der Tour de France, die Peter Sagan nach der 4. Etappe in einer heftig kritisierten Entscheidung wegen dessen vermeintlichem Ellbogencheck gegen Mark Cavendish

28.07.2017Dan Martin fuhr die Tour mit zwei gebrochenen Wirbeln zu Ende

(rsn) - Daniel Martin (Quick-Step Floors) hat sich bei seinem Sturz auf der 9. Etappe der Tour de France zwei Wirbel gebrochen. Die Verletzung allerdings wurde erst in dieser Woche bei einer Computert

Weitere Radsportnachrichten

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Bonnamour gibt Kampf gegen Dopingsperre auf

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte, Ã

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

13.11.2024Auch ein kurioser erster UCI-Sieg reichte nicht zum Profivertrag

(rsn) – Auch wenn er in dieser Saison seinen ersten UCI-Sieg einfahren konnte, so gelang Roman Duckert (Storck – Metropol) am Ende seiner U23-Zeit nicht der Sprung in ein Profiteam. Deshalb wird e

13.11.2024Ein Jahr geprägt von Stürzen und viel Unglück

(rsn) – Eigentlich wollte Mikà Heming (Tudor Pro Cycling) 2024 so richtig durchstarten. Die Klassikerkampagne in Belgien hatte er sich als erstes Saisonhighlight gesetzt, doch diese endete für den

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine