Drei Bergetappen könnten verändert werden

Der Schnee schreibt den Giro um

Von Tom Mustroph

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Der Giro d´Italia 2014 im Schneetreiben am Passo Gavia. | Foto: Cor Vos

13.10.2020  |  (rsn) - Der Schnee ist da. Ein Amateurvideo zeigt die vergleichsweise dünne weiße Schneedecke auf Piancavallo. Im letzten Winter fand dort ein Snowboard-Weltcup statt. Am Sonntag will der Giro d'Italia den 1.290 Meter hoch gelegenen Wintersportort als Ziel der 15. Etappe anfahren.

Der Anstieg gilt als einer der entscheidenden dieses Giro. Und weil zuvor das schwere Zeitfahren rings um die Weinberge der Prosecco-Region Conegliano angesetzt ist, kann man allein durch das Kartenstudium für den Sonntag größere Verwerfungen im Gesamtklassement prognostizieren. Bei weiterem Schneefall ist die Etappe aber in Gefahr. "Wir haben Plan B- und Plan C-Szenarien vorbereitet", sagte ein Verantwortlicher von Organisator RCS zu radsport-news.com, ohne die Pläne allerdings zu spezifizieren. Nicht in Frage kommen dürfte als Alternative der Monte Matajur. Der war ursprünglich als Etappenziel vorgesehen, dort aber lag schon am Montag mehr als nur ein Hauch von Schnee. Auf 18 Zentimeter bezifferte der Zivilschutz die Stärke der Schneedecke.

20 Zentimeter liegen gar schon auf dem Stilfser Joch. Die eine Auffahrt, die von Meran aus, auf der das Peloton den Pass erklimmen soll, sei geschlossen, meldeten lokale Zeitungen. Die andere, Richtung Bormio - über sie führt die geplante Abfahrt - sei weiterhin offen, hieß es. Runterfahren ohne rauf zu fahren geht aber nicht, und auf Gegenverkehr im Rennen wird sich wohl auch der ansonsten vor kaum einer Verrücktheit zurückschreckende Giro nicht einlassen wollen.

Mortirolo statt Stilfser Joch?

Als Alternative für die 18. Etappe wurde in italienischen Medien bereits der Mortirolo-Pass genannt. 1.852 Meter statt 2.758 Meter - hinsichtlich der Schneegrenze machen 900 Meter in den Bergen eine Menge aus. Am Mortirolo zeigte die Webcam, jedenfalls so lange sie online war, schönsten Sonnenschein, und nur in der Ferne waren ein paar Bergspitzen weiß gepudert. Das könnte also gehen. Über Edolo und Aprica sollte dann die 18. Etappe führen.

Für die 20. Etappe hat Giro-Organisator RCS offenbar schon Plan C ausgearbeitet. Denn auf dem Colle dell'Agnello, 2.744 Meter hoch und Plan A-Gipfel, liegt ebenfalls schon Schnee. Variante B, ein Ritt über den Colle delle Finestre (2.178m), dem Schauplatz der phänomenalen Attacke von Chris Froome bei dessen Giro-Sieg 2018, landete in der Tonne, weil die piemontesischen Behörden es für aussichtslos erklärten, die letzten Kilometer rechtzeitig befestigen zu können. Plan C sieht nun eine zweifache Auffahrt nach Sestriere, dem geplanten Etappenziel, vor.

Ob der Giro überhaupt dort ankommt, ist angesichts der positiven Corona-Fälle im Fahrerfeld und im Tross allerdings ebenfalls fraglich. Sollte ein Rumpf-Peloton dort vorfahren - Mitchelton - Scott reiste bereits vom Giro wegen insgesamt fünf positiver Fälle ab - kommt dem Schlechtwetterprotokoll der UCI große Bedeutung zu. Es existiert seit 2016. "Es sieht keine Temperaturgrenze vor, unter der kein Rennen möglich ist. Es geht aber um den gesunden Menschenverstand, alle Bedingungen zu analysieren und die Gesundheit der Fahrer zu garantieren", sagte Cristian Salvato, Ex-Profi und als Präsident der italienischen Fahrervereinigung ACCPI Mitglied des Komitees für das Schlechtwetterprotokoll beim Giro. Ihm gehören weiter ein Vertreter der Teams, der Chef der Jury, Renndirektor Mauro Vegni, ein Vertreter der Behörden und der verantwortliche Rennarzt an.

Salvato zeigte sich in einem Interview mit der Tageszeitung La Repubblica skeptisch, dass die 18. und die 20. Etappe in der Version A stattfinden können. "Zu den gegenwärtigen Bedingungen wäre das nicht möglich", meinte er. Er hofft allerdings auf ein paar wärmere Tage bis zum Vorabend der jeweiligen Etappe. "Die Wetterprognosen sind inzwischen so präzise, dass man am Vorabend eine Entscheidung treffen kann", meinte er.

Pozzovivo ist der Meteorologe im Peloton

Konsultieren sollten die Mitglieder des Wetterkomitees auf alle Fälle Domenico Pozzovivo. Der kleine Kletterer gilt als der Meteorologe im Peloton. "Bereits seit ich 13 Jahre alt war, habe ich immer die Temperaturen in meinem Heimatort gemessen und aufgezeichnet", erzählte er im vergangenen Jahr. Als Radprofi verfeinerte der Italiener sein Wissen, studierte Modelle von Vorhersagen und vergleicht sie regelmäßig. Sein größter Erfolg als Wettergott war bisher, dass er seinem Team riet, bei einem Höhentrainingslager am Teide noch am Abend ins Tal zu ziehen, um wegen der zu erwartetenden Wetterkapriolen nicht den Rückflug zu verpassen.

Pozzovivos Meinung sollte also Gewicht haben. Und seine Kollegen sollten in der letzten Woche auch ein Auge drauf haben, wann der Bergfloh die langärmligen Sachen herausholt, wann er die Regenjacke an- und auch wieder auszieht. Bergfloh als Wetterfrosch, eine der weiteren Kuriositäten dieses Giro.

Vincenzo Nibali (Trek - Segafredo) prognostizierte seinerseits bei einem Wegfall der langen Berge verstärkte Angriffsbemühungen auch auf den vom Profil her nicht so furchtbar aussehenden Etappen. All das gilt aber nur, wenn der Giro angesichts der positiven Corona-Fälle überhaupt fortgeführt wird.

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