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22.07.2023 | (rsn) – Die 110. Tour de France hat vor dem großen Finale am Sonntag nochmals eine packende Bergetappe geliefert. Auf dem 20. Teilstück gewann nach 133 Kilometern durch die Vogesen zwischen Belfort und Le Markstein Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) den Sprint einer fünfköpfigen Spitzengruppe vor Felix Gall (AG2R – Citroën) und Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), der sein Gelbes Trikot souverän verteidigte und morgen in der französischen Hauptstadt die Titelverteidigung feiern wird. Auf den Plätzen vier und fünf kamen Simon Yates (Jayco – AlUla) und sein Bruder Adam Yates (UAE Team Emirates) ins Ziel.
In der Gesamtwertung schob sich Simon Yates noch an Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) vorbei. Der Spanier war in der ersten Abfahrt des Tages gestürzt und büßte im Finale wie auch Jai Hindley (Bora – hansgrohe) Zeit ein. Noch schlimmer erwischte es Sepp Kuss (Jumbo – Visma), der bei dessen Crash über Rodriguez fiel. Der US-Amerikaner büßte mehr als 20 Minuten und seinen Top-Ten-Platz im Klassement ein. Dadurch verbesserte sich der in der letzten Abfahrt vom Petit Ballon gestürzte David Gaudu (Groupama – FDJ) trotz Zeitverlust noch um eine Position. Er wird als Neunter und bester Franzose vor seinem Landsmann Guillaume Martin (Cofidis) die Tour beenden.
Pogacar feierte nach den schmerzenden Niederlagen der letzten Tage seinen zweiten Etappensieg bei dieser Tour. “Heute fühle ich mich wieder wie ich selbst. Es war so schön, wieder mit einem guten Gefühl ins Finale zu gehen“, freute er sich im Ziel-Interview über den gelungenen Abschluss seiner erst fünften Grand Tour. “Jetzt könnten wir gern noch weitermachen, aber ich freue mich auch schon auf Zuhause“, meinte Pogacar, der zuvor jedoch am Montag in Belgien beim Nach-Tourkriterium in Aalst am Start stehen wird.
Der UAE-Kapitän hatte sich am Col du Platzerwasel mit Vingegaard abgesetzt. Als der Däne nicht mitführte, kam Gall heran. Der Österreicher musste nun allein von vorn fahren und bekam vom ansonsten immer offensiv fahrenden Pogacar keine Unterstützung. “Ich habe auf Adam gewartet, er hat einen tollen Job gemacht und mir den Sprint perfekt angezogen“, erklärte der Mann in Weiß seine abwartende Fahrweise. “Das Team hat einen großartigen Job abgeliefert, einmal wieder. Die Atmosphäre im Bus werde ich nie vergessen, das ist meine schönste Erinnerung. Die Schlimmste war der Blick von Marc Soler, jedes Mal, wenn er am Col de la Loze sich nach mir umgedreht hatte“, schloss der Tagessieger.
Der Mann in Gelb geriet auch in den Vogesen nie in Schwierigkeiten. Der einzigen Attacke seines Widersachers am Platzerwasel konnte Vingegaard problemlos folgen. Die sechs Sekunden Zeitbonifikation, die er im Schlusssprint schließlich einbüßte, sind bei noch 7:29 Minuten Vorsprung im Klassement leicht zu verkraften. Mit dem zweiten Tour-Sieg durch Vingegaard hat seine Mannschaft nun die letzten vier dreiwöchigen Rundfahrten in Serie gewonnen. "Die zweite Tour zu gewinnen ist riesig. Aber wegen der Etappe morgen muss ich noch ein bisschen vorsichtig sein. Es war (gegen Pogacar) ein verrückter Kampf über die drei Wochen. Ohne mein fantastisches Team hätte ich das nicht geschafft. Es war jeden Tag für mich da", lobte Vingegaard im Ziel seine Helfer.
Die deutschen Profis konnten sich in den Vogesen nicht in Szene setzen. Bester der fünf verbliebenen Fahrer Athleten wurde Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) mit 7:26 Minuten Rückstand auf Position 31. Die Etappe in der Nähe der deutschen Grenze konnte er trotz der schweren letzten Tage genießen. “Es war eine super Stimmung mit den vielen Deutschen an der Strecke, die uns angefeuert haben. Das war richtig geil und hat viel Spaß gemacht. Jetzt bin ich auch ordentlich kaputt“, resümierte der Deutsche Meister im Gespräch mit der ARD.
Sein Kapitän Hindley verteidigte als Tageselfter Rang sieben in der Gesamtwertung vor Gall, der, wie der Australier auch, seine erste Tour de France bestreitet. Beide feierten zudem je einen Etappensieg. Hinter Vingegaard und Pogacar wird dessen Teamkollege Adam Yates (+10:56) am Sonntag das Podium in Paris komplettieren.
Giulio Ciccone (Lidl – Trek) sicherte sich aus der Gruppe des Tages heraus 17 Bergpunkte und liegt damit uneinholbar in Führung. Er ist der erste italienische Gewinner des Gepunkteten Trikots seit Claudio Chiapucci 1992. In den vergangenen drei Jahren gewann der Gesamtsieger der Tour auch immer das Bergtrikot. Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) verteidigte das Grüne Trikot, Pogacar bleibt bester Nachwuchsprofi, Jumbo – Visma wird die Teamwertung gewinnen.
Mit dem Startschuss zur letzten Bergetappe dieser Tour griffen Jasper De Buyst und Victor Campenaerts (beide Lotto – Dstny) aus dem noch 151 Fahrer umfassenden Feld an und fuhren sich einen kleinen Vorsprung heraus. Am Fuß des Ballon d’Alsace (2.Kat.) hatte De Buyst seine Aufgabe erledigt und ließ seinen Teamkollegen ziehen. Da Lidl – Trek und UAE Team Emirates im Feld jedoch ein hohes Tempo anschlugen, wurde auch Campenaerts schon vor der ersten von insgesamt sechs Bergwertungen des Tages gestellt.
Ciccone holte sich aus dem Feld heraus die ersten fünf Bergpunkte, ehe in der Abfahrt mehrere Fahrer das Feld mit ihrer Attacke zerteilten. Mit an der Spitze war auch das Gelbe Trikot, wogegen Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) in einer Linkskurve stürzte und sich dabei zahlreiche blutende Wunde zuzog. Mit Hilfe seiner Teamkollegen und des Begleitwagens kämpfte sich der Gesamtvierte aber wieder ans Feld heran. Auch Sepp Kuss (Jumbo – Visma) kam zu Fall und musste vom Rennarzt versorgt werden.
Als Vingegaard und zwei weitere Fahrer auf Attacken aus der Gruppe nicht reagierten, setzten sich 15 Mann ab. Am Col de la Croix des Moinats (2.Kat.) lösten sich Tom Pidcock (Ineos Grenadiers), Ciccone, sein Teamkollege Mattias Skjelmose, Krists Neilands (Israel - Premier Tech), Warren Barguil (Arkéa - Samsic) und Maxim van Gils (Lotto - Dstny). Der Mann im Bergtrikot sicherte sich auch den zweiten Bergpreis und weitere fünf Zähler.
Das Profil der 20. Etappe der Tour de France | Foto: ASO
Rund 70 Kilometer vor dem Ziel griff der von den begeisterten französischen Fans angefeuerte Thibaut Pinot (Groupama – FDJ) im Col de Grosse Pierre (2.Kat.) an und schloss kurz vor der dritten Bergwertung der 2. Kategorie, die erneut Ciccone für sich entschied, zu den Spitzenreitern auf. Neilands hingegen musste dort reißen lassen. In der Abfahrt schaffte dann noch der zuvor von Pinot abgehängte Chris Harper (Jayco – AlUla) den Anschluss an die Spitze. Gleiches gelang kurz danach Rigoberto Uran (EF Education – EasyPost), Kevin Vermaerke (DSM – firmenich) und Pinots Teamkollege Valentin Madouas, so dass 63 Kilometer vor dem Ziel zehn Fahrer die Spitze bildeten, die allerdings nur rund eine Minute vor dem von UAE angeführten Feld lag.
An dieser Konstellation änderte sich am Col de la Schlucht (3.Kat.) nichts. Dort holte sich Ciccone jubelnd die zwei Punkte, die er noch brauchte, um das Bergtrikot sicher zu haben. In der langen Abfahrt machten die Ausreißer zehn Sekunden auf das Feld gut und gingen so mit 1:15 Minuten Vorsprung in den Petit Ballon (1.1.).
Am schwersten Berg des Tages teilte sich die Gruppe schnell. Pinot, Madouas, Pidcock, Barguil, Harper und Ciccone setzten sich ab, ehe 5,5 Kilometer vor dem Gipfel Pinot seinen Konkurrenten davonfuhr und sich bis zur Bergwertung einen Vorsprung von 35 Sekunden auf Pidcock, Harper und Barguil herausfuhr; die Favoritengruppe, in der Vingegaard mit Wilco Kelderman nur noch einen Helfer dabei hatte, folgte 1:20 Minuten dahinter.
Am Ende der der Abfahrt waren die drei Verfolger 15 Sekunden näher an Pinot herangekommen. Auf den direkt folgenden ersten Metern des Col du Platzerwasel musste Harper seine Begleiter fahren lassen. Die kämpften sich langsam, aber sicher wieder an Pinot heran. Pogacar lancierte 14 Kilometer vor dem Ziel seine erwartete Attacke, der zunächst nur Vingegaard folgen konnte. In Windeseile machte das Duo 30 Sekunden gut, doch als Vingegaard keine Anstalten machte, sich an der Tempoarbeit zu beteiligen, schoss plötzlich bis Gall an den beiden Topstars vorbei und zwang sie zu einer Reaktion. Gemeinsam fuhr das Trio schließlich 12 Kilometer zu den drei Spitzenreitern vor.
Pinot, Barguil und Pidcock hielten beim von Gall eingeschlagenen Tempo nicht lange mit, wogegen Pogacar und Vingegaard den Osttiroler die Arbeit verrichten ließen. Auch nach der von ihm gewonnenen Bergwertung musste der AG2R-Profi allein arbeiten, bis die aus der Verfolgergruppe enteilten Simon und Adam Yates fünf Kilometer vor dem Ziel zum Spitzentrio aufschlossen.
Nun übernahmen die Zwillinge die Führungsarbeit, in erster Linie jedoch Adam Yates, der den letzten Kilometer komplett von vorn fuhr, um seinem Kapitän den Sprint anzuziehen. Pogacar ließ sich zwar von Vingegaards frühem Antritt in der letzten Kurve überraschen. Doch der Explosivität des Gesamtzweiten hatte der Mann im Gelben Trikot auf den letzten Metern nichts mehr entgegenzusetzen. Als Vingegaard die Beine hochnahm, wurde er kurz vor der Ziellinie auch noch von Gall übersprintet.
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