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Chabbey: Mit Angriffslust und beeindruckender Konstanz

Von Felix Mattis

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Die Schweizerin Elise Chabbey (Canyon - SRAM) bläst ständig zur Attacke - wie auch hier bei der WM in Glasgow. | Foto: Cor Vos

04.01.2024  |  (rsn) – Siebte bei der WM nach einem langen Solo, Sechste bei der EM und zahlreiche weitere Spitzenplatzierungen über die gesamte Saison hinweg: Elise Chabbey (Canyon – SRAM) war auch 2023 wieder ein Musterbeispiel an Konstanz und zuverlässigen Spitzenleistungen. Nur zum ersten Sieg außerhalb der Schweiz hat es für die 30-Jährige auch in der vergangenen Saison leider wieder nicht gereicht.

"Insgesamt bin ich recht glücklich mit dem Jahr. Mir fehlt nur eben ein Sieg. Ich bin immer da, aber gewinne leider nie", sagte die Schweizerin radsport-news.com nun nachdem sie über Neujahr mit ihrer Familie in Portugal gewesen war.

"Ich kann das von mir wegschieben, denn ich mag einfach das Rennfahren und habe Spaß. Trotzdem ist es natürlich etwas frustrierend, denn ich bin immer im Finale dabei, aber da dann auch wirklich die Beste zu sein, das ist schwer. Man muss am richtigen Tag alles richtig zusammenkriegen", meinte Chabbey, gab sich aber optimistisch: "Ich denke, er wird irgendwann kommen, dieser Sieg."

Davon darf man wohl tatsächlich ausgehen, denn Chabbey gehört inzwischen zu den Allerbesten im Peloton, auf nahezu jedem Terrain. Sie war 2022 bereits Vierte bei Paris-Roubaix, 2023 nun Fünfte bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und auch längere Anstiege schrecken die 30-Jährige nicht ab. "Das ist vielleicht auch ein bisschen mein Problem, dass ich so ziemlich jede Art Rennen mag", überlegte sie daher nun. "In Zukunft will ich mich etwas mehr auf die Klassiker konzentrieren. Harte Rennen mit kurzen Anstiegen, das liegt mir: Strade Bianche, Lüttich – aber auch Paris-Roubaix mag ich sehr gern." ___STEADY_PAYWALL___

Elise Chabbey (Canyon – SRAM) bei der Vuelta im Mai. | Foto: Cor Vos

Die Saison 2023 aber begann Chabbey zunächst mit einer starken Leistung an einem längeren Berg: Am Jebel Hafeet wurde sie bei der UAE Tour (2.WWT) Achte und sicherte sich so den fünften Rang in der Gesamtwertung bei ihrem Saisondebüt. Anschließend folgte eine ordentliche Klassiker-Kampagne mit Rang elf bei der Flandern-Rundfahrt und Platz 16 in Roubaix, dem Höhepunkt aber in den Ardennen: Chabbey wurde Vierte beim Brabantse Pijl, 13. beim Amstel Gold Race, Neunte beim Fleche Wallonne und eben Fünfte bei Lüttich-Bastogne-Lüttich.

Canyon – SRAM so stark wie nie

Es folgten im Mai zwei Top-Ten-Platzierungen bei der Vuelta, im Juni zwei Top-Ten-Platzierungen, ein fünfter Gesamtrang und das Bergtrikot bei der Tour de Suisse sowie Bronze im Straßenrennen der Schweizer Meisterschaften. Chabbey sammelte UCI-Punkt um UCI-Punkt und trug so viel dazu bei, dass Canyon – SRAM die Saison 2023 auf Rang drei der Weltrangliste und Rang zwei im WorldTour-Teamranking abschloss – so gut wie nie seit seiner Gründung.

"Wir hatten ein wirklich gutes Jahr mit einigen neuen Fahrerinnen, die neue Motivation mitgebracht haben – und auch mit einer neuen Sportlichen Leitung", erklärte die Schweizerin. "Magnus (Backstedt, neuer Sportdirektor, Anm. d. Red.) hat viel gebracht. Alles ist für die Rennen geplanter – und wir haben trotzdem immer die Freiheit, etwas zu probieren, bekommen immer eine Art 'carte blanche', um aggressiv zu fahren. Das hat sehr gut funktioniert dieses Jahr."

Die Leipziger Mannschaft Canyon – SRAM ist 2023 so richtig in Fahrt gekommen. | Foto: Cor Vos

Gerade Chabbey selbst hat bei Canyon – SRAM inzwischen eine sehr freie Rolle. Während Gravel-Weltmeisterin Kasia Niewiadoma die Kapitänsrolle schultert, kann die Schweizerin etwas aus dem Schatten heraus agieren. "Ich habe es recht leicht, ehrlich gesagt", lachte sie: "Sie machen mir fast nie Druck, gewinnen zu müssen, aber ich habe trotzdem so ziemlich alle Freiheiten, so zu fahren, wie ich es mag. Klar muss ich Kasia helfen, wenn sie es braucht. Aber auch sie fährt ja sehr offensiv und ich denke, wir funktionieren gut zusammen."

Tour de France wurde zur großen Enttäuschung

Nach der guten ersten Jahreshälfte bezog Chabbey im Juli ein knapp dreiwöchiges Höhentrainingslager und war hochmotiviert für die Tour de France Femmes. Die aber wurde dann zur großen Enttäuschung für sie. An den ersten Tagen spielte sie zwar noch eine gute Rolle, doch je länger die Tour wurde, desto weiter weg von der Spitze war Chabbey zu finden – mit dem Tiefpunkt, am Col du Tourmalet im Gruppetto zu sitzen.

"Das war mein erstes Rennen im Gruppetto und das war wirklich schwer zu verdauen, auch weil ich dem Team dann nicht mehr so helfen konnte, wie ich wollte", gestand sie und erklärte: "Ich wollte eine Etappe gewinnen und Kasia und Ricarda in der Gesamtwertung helfen. Aber am Ende war die Vorbereitung wohl doch nicht optimal. Ich habe vielleicht in der Höhe etwas zu viel gemacht und das habe ich dann am Ende der Tour-Woche gespürt. Die Lehre ist, dass ich nach einem großen Trainingsblock in der Höhe wohl etwas mehr Erholungszeit brauche."

Die Schweizer Mixed Staffel ist in Glasgow zum zweiten Mal in Folge Weltmeister geworden – Elise Chabbey (vorne rechts) war beide Male dabei. | Foto: Cor Vos

Die Superkompensation aber setzte nach der Tour ein und das Quälen lohnte sich, als Chabbey eine Woche nach Tour-Ende zu den Weltmeisterschaften nach Glasgow reiste und dort gleich zum Auftakt mit der Schweizer Mixed-Staffel erneut zu Gold fuhr. "Das war natürlich cool. Wir wollten unbedingt gewinnen, um die Regenbogentrikots dann bei der EM auch wirklich tragen zu können", erzählte sie.

Angriffslust: Langes WM-Solo in Glasgow das persönliche Highlight des Jahres

Durch das Format der 'Radsport-Super-WM' zum früheren Zeitpunkt im August, fand zwischen den Weltmeisterschaften 2022 und 2023 schließlich keine andere Mixed Staffel statt, so dass die in Australien errungenen Regenbogentrikots nie zum Einsatz kamen. Die 'Verlängerung' durch den Sieg in Schottland war also unbedingt nötig. "Und es hat geklappt", so Chabbey, die nun 2024 bei der Heim-WM in Zürich den Hattrick perfekt machen will.

Ein noch größeres Highlight als der wiederholte Staffel-Sieg war für die 30-Jährige allerdings das Straßenrennen von Glasgow fünf Tage später – auch wenn dort keine Medaille für sie heraussprang, sondern Platz sieben.

Im WM-Straßenrennen fuhr Chabbey knapp zwei Stunden allein an der Spitze und wurde Siebte. | Foto: Cor Vos

"Auch wenn es nicht mein bestes Ergebnis ist, war es allein schon durch die Art, wie ich dort gefahren bin, sehr schön. Ich habe mich wirklich gut gefühlt und habe es einfach probiert", sagte sie nun im Rückblick über ihre Attacke gut 80 Kilometer vor Schluss und das anschließende Solo über rund 60 Kilometer. "Ich war wirklich lange vorne und hatte meine Familie und meinen Freund vor Ort. Das war wirklich schön! Am Ende haben die Anderen mich eingeholt, aber ich habe das alles trotzdem sehr genossen!"

Klassiker, Olympia und WM im Visier – und nicht die Bergtrikots

An dieser Einordnung erkennt man Chabbeys Leidenschaft für die Offensive und das Rennfahren an sich. Und so erklärt sich auch ein besonderes Markenzeichen der Schweizerin: Denn nach der Tour de Suisse im Juni holte sie nach der WM auch bei der Tour of Scandinavia (2.WWT) im August das Bergtrikot. Zusammen mit der Baskenland-Rundfahrt und der Women's Tour in England aus den Vorjahren sowie nun Tour de Suisse und Tour of Scandinavia hat die Schweizerin bereits das Kletter-Leibchen von vier WorldTour-Rundfahrten gewonnen.

Schon im vergangenen Jahr erklärte sie radsport-news.com dazu, dass das eher ein Nebenprodukt ihrer offensiven Fahrweise und zahlreicher Attacken in den Anstiegen sei, als ein ausgemachtes Ziel. Und daran hat sich auch 2023 nichts geändert, wie sie nun wieder betonte: "Stimmt, vielleicht könnte ich da ein Ding draus machen und all meine Bergtrikots daheim aufhängen", lachte sie. "Aber nein, es ist noch immer kein besonders Ziel für mich. Es ist immer schön, auf dem Podium zu stehen und ein Trikot zu bekommen, aber ich setze mir das nach wie vor nicht vor einem Rennen als Ziel."

Elise Chabbey im Bergtrikot der Tour of Scandinavia, dem neusten in ihrer Sammlung. | Foto: Cor Vos

Es ist nicht ausgeschlossen, dass 2024 trotzdem noch ein weiteres Bergtrikot hinzukommt, doch die wahren Ziele für Chabbey sind in der neuen Saison Eintagesrennen. Wie oben bereits erwähnt, will sich die Schweizerin auf die Klassiker konzentrieren und danach ihren Fokus auf die Straßenrennen bei den Olympischen Spielen in Paris und den Weltmeisterschaften in Zürich legen.

Knieverletzung kostete zwei Monate der Saisonvorbereitung

Allerdings hat sie ihren Konkurrentinnen gegenüber gerade in Bezug aufs Frühjahr bereits einen Nachteil. Denn Chabbeys Saisonvorbereitung hat mit dem Jahreswechsel gerade erst richtig begonnen, während andere schon zwei Trainingsmonat in den Beinen haben.

"Ich war quasi bis jetzt verletzt", offenbarte Chabbey, dass sie sich im Urlaub in Kolumbien im Oktober beim Wandern das Knie gestoßen und die Kniescheibe verletzt habe. "Ich habe trotzdem weitergemacht und bin auch Rad gefahren – das war etwas dumm", gab sie zu. "Denn dadurch hat sich eine starke Entzündung an den Sehnen entwickelt und es hat lange gedauert, bis das richtig geheilt ist. Inzwischen ist es auf dem Rad besser und jetzt hoffe ich, dass es auch im Januar-Trainingslager gut geht."

Wann genau Chabbey ihr erstes Rennen im Jahr 2024 bestreiten wird, stehe daher noch nicht fest. Sie hoffe aber auf die Valencia-Rundfahrt im Februar.

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