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25.12.2023 | (rsn) – Als Noemi Rüegg im Jahr 2020 von den Juniorinnen zur Elite kam, hatte sie es schwer: Corona stellte den Rennkalender auf den Kopf und als im Sommer die Rennen wieder losgingen, kam die junge Schweizerin nicht zurecht. Von ihren acht ersten WorldTour-Rennen beendete sie lediglich eines: Gent-Wevelgem auf dem 103. Platz.
Drei Jahre später nun hat sich Rüegg deutlich besser zurechtgefunden im Peloton. Ihre WorldTour-Rennen fuhr sie 2023 nicht nur alle zu Ende, sie feierte mit ihren Teamkolleginnen auch einen Sieg im Mannschaftszeitfahren der Vuelta a Espana und wurde Achte des WorldTour-Etappenrennens RideLondon Classique. Hinzu kamen ein siebter Platz beim Omloop van Borsele (1.1), der dritte Platz bei der Tour de la Semois (2.2) und einige gute Nachwuchsergebnisse: Rüegg wurde Gesamtneunte der ersten Tour de l'Avenir der Frauen und Siebte im U23-EM-Straßenrennen in Drenthe. So ganz glücklich war die ehrgeizige 22-Jährige trotzdem nicht:
"Es war sehr spannend und ich glaube, dass ich mich sehr weiterentwickelt habe in diesem Jahr. Ich kann die Rennen taktisch jetzt besser lesen und auch mehr im Finale dabei sein – gerade in den Klassikern. Trotzdem hat mir aber so ein bisschen der Durchbruch gefehlt. Ich hatte nicht so das persönliche Top-Resultat", bilanzierte Rüegg nun im Gespräch mit radsport-news.com und fügte an: "Aber ich weiß, dass ich noch viel mehr entwickeln kann, als ich diese Saison gezeigt habe. Deshalb freue ich mich auf nächstes Jahr." ___STEADY_PAYWALL___
Als ihr Highlight bezeichnete Rüegg den Teamzeitfahr-Sieg bei der Vuelta und den Giro d'Italia allgemein, wo sie 34. in der Gesamtwertung wurde, zwar selbst nie unter die Top 25 fuhr, aber trotzdem einfach Spaß hatte.
Strahlend auf dem Podium: Jumbo – Visma gewann das Teamzeitfahren zum Vuelta-Auftakt 2023. | Foto: Cor Vos
"Das Teamzeitfahren bei der Vuelta war sicher ein sehr großes Highlight, von dem ich viel mitnehme. Der Tag war sehr speziell, weil der Sieg auch relativ unerwartet kam. Außerdem war es mein erstes Teamzeitfahren und das hat mir sehr gefallen, weil die Disziplin einfach megaschön ist", so Rüegg, die dann noch anfügte: "Und auch der Giro war ein Highlight. Wir hatten eine sehr coole Truppe dort – ohne ganz klare Leaderin. Ja, Fem (van Empel) war die Kapitänin, aber es war einfach etwas offener, nicht ganz so strikt. Das habe ich sehr genossen."
Freiheiten fehlten Rüegg 2023 etwas und das war auch ein Grund, warum die 22-Jährige Jumbo – Visma den Rücken zuwandte und für die kommenden zwei Jahre beim neuen Team EF Education – Cannondale unterschrieb.
"Im letzten Jahr hat sich im Team einiges angestaut und es gab Strukturwechsel. Unsere Team-Managerin hat das Team verlassen und seitdem habe ich mich nicht mehr richtig wohlgefühlt. Ich musste sehr viel für andere arbeiten und das ist auch okay, aber mir hat etwas die Balance auch mit eigenen Chancen gefehlt", erklärte Rüegg, die ihrer bisherigen Team-Managerin Esra Tromp zum neuen US-Rennstall folgt. Damit ist die Schweizerin nicht allein: Auch die Sportliche Leiterin Carmen Small wird sie bei EF wiedertreffen – genau wie ihre Teamkolleginnen Coryn Labecki und Kim Cadzow.
Ihr erstes Ziel im neuen Jahr werden die Klassiker sein. Die flämischen Rennen über die zahlreichen kurzen Anstiege haben es der Schweizerin angetan. Vom Sieg bei der Flandern-Rundfahrt, irgendwann in ihrem Leben, träumt die 22-Jährige: "Mein Herz schlägt schon sehr für die Klassiker. Dort möchte ich mich schon weiterentwickeln und es schaffen, im Finale mitzufahren und dort eine entscheidende Rolle zu spielen – entweder für eine Leaderin im Team, oder auch für mich selbst."
Noemi Rüegg im Peloton beim Giro d'Italia. | Foto: Cor Vos
Einen guten Eindruck im Frühjahr zu hinterlassen, ist aber auch für den Sommer 2024 wichtig: Denn das Straßenrennen der Olympischen Spiele in Paris wird ebenfalls auf einem klassikerähnlichen Parcours ausgetragen. Und da wäre Rüegg gern dabei. "Das ist natürlich ein großes Ziel. Wir haben mit der Schweiz vier Startplätze und da wäre ich schon gerne dabei. Aber dafür muss ich mich bei den Klassikern zeigen und weiterentwickeln", schilderte Rüegg, die aus einer Radsportfamilie stammt, trotzdem aber erst im zweiten Anlauf ihre Liebe zum Velo entdeckt hat.
Ihr Vater fuhr früher schon Rennen und wirkte später als Trainer im örtlichen Verein. Dort fuhr einer ihrer größeren Brüder, Timon Rüegg – heute hauptsächlich im Gelände und für Heizomat – Kloster Kitchen im Cross unterwegs. Auch die junge Noemi Rüegg besuchte das Vereinstraining, aber: "Eigentlich nur ihm (ihrem Vater, Anm. d. Red.) zuliebe. Es hat mir keinen Spaß gemacht und ich habe dann auch irgendwann aufgehört, weil ich das einzige Mädchen dort war", führte sie aus.
Sie habe dann mit Leichtathletik begonnen, sei aber zu den Rennen ihres fünf Jahre älteren Bruders Timon meist noch zum Zuschauen mitgekommen. Zurück zum Radsport kam sie aber trotzdem erst als Teenagerin: "Ich musste mit 13 Jahren die Schule wechseln und von da an immer mit dem Rad zur Schule fahren – da hat es mir doch gefallen und ich bin doch irgendwann mein erstes Cross-Rennen gefahren. Seitdem liebe ich diesen Sport!"
Gute Schule: Rüegg (rechts) lernte bei Jumbo – Visma auch von Marianne Vos (links im Roten Trikot). | Foto: Cor Vos
Bis in ihre ersten beiden Elitejahre hinein, fuhr Rüegg neben der Straße auch noch im Querfeldeinbereich. Doch als sie für 2022 bei Jumbo – Visma unterschrieb, fokussierte sie sich auf den Asphalt. Immerhin hatte sie da schon zwei sehr heterogene Jahre hinter sich: 2020 im Team Cogeas lief es nicht. "Ich habe meine ersten WorldTour-Rennen bestritten, musste sie aber fast alle aufgeben. Ich war überhaupt nicht in Form, wahrscheinlich schon etwas im Übertraining", erinnert sie sich heute. 2021 dafür lief umso besser:
Rüegg schloss sich dem französischen Team Stade Rochelais Charente – Maritime an, wechselte ihren Trainer und startete sofort gut ins Jahr und sorgte bei der Valencia-Rundfahrt im Mai für Furore: Beim Gesamtsieg von Annemiek van Vleuten wurde die damals 20 Jahre alte Rüegg Gesamtfünfte und bekam plötzlich zahlreiche Angebote von WorldTour-Teams. "Ich konnte dann fast auswählen und habe mich für Jumbo entschieden", so Rüegg, die bei den Gelbschwarzen auch an der Seite von Marianne Vos fuhr, von der sie nicht nur im Rennen, sondern vor allem auch menschlich sehr viel gelernt habe.
"Sie hat eine sehr gute Balance zwischen dem Profidasein und ein normaler Mensch zu sein", meint Rüegg über die Niederländerin, mit der zusammen sie am 1. Mai auch zum Teamzeitfahrsieg bei der Vuelta gefahren war.
Und apropos Teamzeitfahren: Als Schweizerin ist für Rüegg auch das Thema Mixed Staffel interessant. Immerhin haben ihre Landsfrauen im August WM-Gold gewonnen. "Sie sind ja Weltmeisterinnen geworden und da will man natürlich nicht unbedingt etwas ändern. Aber wenn es irgendwann Veränderungen gibt, stünde ich bereit. Das ist schon ein Ziel und ich wäre bereit, da auch zu investieren", erklärte die 22-Jährige.
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