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06.02.2024 | (rsn) - 2021 wartete der UCI-Kongress mit einer für viele überraschenden Entscheidung auf: Die WM 2025 wurde nach Ruanda vergeben. Das ist alles andere als ein klassisches Radsportland. Eine terra incognita im Pedalsport allerdings auch nicht. Immerhin zwei Continental-Teams im Straßenradsport gibt es. Und auch die Amateurszene wächst und wächst. Sogar einen Ultramarathon gibt es mittlerweile im Lande, das Race Around Rwanda, das aktuell noch im Gange ist.
Tom Mustroph ist vor Ort und schaut sich für radsport-news.com dort um, wo in knapp 32 Monaten um das Regenbogentrikot gekämpft werden soll – eine Reportage.
Um 5 Uhr, in finsterster Nacht, startet in Ruandas Hauptstadt Kigali das Race Around Rwanda. Exakt Tausend Kilometer nahmen die Teilnehmer dieses Ultramarathons unter die Räder, "etwa 600 km davon auf Asphalt, die anderen 400 km im Gelände", erzählt Simon De Schutter radsport-news.com.
Der Belgier, einst mit einer Hilfsorganisation ins Land gekommen, dann aber von deren büroktatischen Abläufen genervt, organisiert seit dem Jahr 2020 Amateurrennen in Ruanda. Die Rwanda Epic gehört dazu, aber auch das Race Around Rwanda. "Ruanda ist ideal für Radsport. Das Land ist recht klein, es ist sicher, und die Landschaft ist einfach wunderschön", betont er. ___STEADY_PAYWALL___
Die meiste Zeit fährt man beim Race Around Rwanda über Land, nicht an Baustellen vorbei. | Foto: Tom Mustroph
110 Fahrer aus 22 Ländern nehmen am diesjährigen Ultramarathon teil. Vincent Chege Kibinu ist aus Kenia herübergekommen. Und seine Ambitionen sind hoch. "Ich will das Rennen gewinnen und den Rekord vom letzten Jahr brechen", sagt er RSN. Der steht bei 51 Stunden und 8 Minuten. Chege Kibinu kommt gut vorbereitet nach Ruanda. Gemeinsam mit dem US-Amerikaner Owen Searle hat er zu Hause noch ein Trainingslager absolviert. Er versucht auch, so leicht wie möglich auf die Strecke zu gehen. Nur einen Ersatzschlauch und ein paar Flicken nimmt er mit.
Searle schleppt da mehr Ersatzteile mit, extra Bremsen etwa, warme Kleidung auch für die Höhe, wenn es in den Bergen kalt wird. "Das meiste Gewicht nimmt aber das Essen ein", sagt er. 40 Energieriegel sind dabei, ein paar Koffeingels. "Das wichtigste sind aber die Behälter mit Honig, Das ist die konzentrierteste Form von Energie, und man kann es unterwegs auch leicht und billig nachfüllen. Ich denke, damit komme ich gut durch", meint der US-Amerikaner, der seit etwas mehr als einem Jahr in Ruanda lebt und für das Offroad-Radsportteam Amani arbeitet. "Wir haben Fahrer aus Kenia, Uganda und Ruanda und wollen ganz allgemein Radsport in Ostafrika voranbringen", beschreibt er als Botschaft.
In Ruanda ist Radsport durchaus sichtbar. Am Wochenende sieht man zahlreiche Fahrer auf Rennrädern über die Straßen fahren. "Vor vier, fünf Jahren waren wir nur eine Gruppe von etwa zehn Leuten, die sich sonntags zu Fahrten trafen. Vor allem während Covid sind es aber viel mehr geworden, jetzt so um die 100. Das ist wenig im Verhältnis zu Europa, aber es ist im Wachsen", meint Rennorganisator De Schutter.
Mehr als die Amateure auf den Straßenrädern fallen allerdings die vielen Fahrradtaxis auf. Sie sind zwar weniger als die Motorradtaxis, aber in einer halben Stunde Autofahrt durch Kigali kann man mehrere Hundert sehen. Sie haben statt des Gepäckträgers hinten einen schmalen Sitz für Fahrgäste. Oft genug transportieren die Fahrradtaxis aber auch riesige Milchkannen, Dachlatten oder meterhohe Berge von Gemüse und Brennholz.
"Ich habe einst auch mit Fahrradtaxis etwas Geld verdient", erzählt lachend Eric Nduwayo. Auf einer dieser Transportfahrten stieß er auf eine Trainingsgruppe des ruandischen Nationalteams der Straßenfahrer. "Ich konnte gut mit ihnen mithalten. Am Ende haben sie mich gefragt, ob ich nicht mit ihnen trainieren will", blickt er zurück. Nduwayo kam, und schnell wurde er selbst Nationalfahrer, nahm auch mehrmals an der Tour du Rwanda, dem wichtigsten Straßenrennen im Land, teil. Jetzt, mit 29 Jahren, macht er Jüngeren Platz und konzentriert sich mehr auf Gravel und Mountainbike.
Gut gelaunt durch Ruanda: Vincent Chege Kibinu während des Race Around Rwanda. | Foto: Tom Mustroph
Am Race Around Rwanda nimmt er seit der ersten Ausgabe im Jahre 2020 teil. "Es ist ein sehr schönes Rennen. Die Leute an der Straße feuern dich an, wenn sie dich sehen, vor allem am Tage", sagt er. Die Straßen seien gut, versichert er, und auch vor herrenlosen Hunden müsse man sich nicht fürchten. Nachts kann es allerdings kompliziert werden. Einmal hat er sich im Dschungel etwas verirrt, erzählt er. Er verlor nicht nur Zeit. In der Ergebnisliste von 2023 ist er auch mit einer Zeitstrafe wegen Abkommens vom Wege registriert.
Sorgen, sich in der Nacht zu verfahren, hat Chege Kibinu nicht. "Ich fahre am liebsten nachts, da hat man seine Ruhe, kann sein Tempo fahren", meint er. Auf Schlaf will er so weit wie möglich verzichten. Er hat schließlich den Sieg in Rekordzeit im Auge. Seinen Ambitionen entsprechend startete er auch schnell, war auf dem ersten und auch dem zweiten Teilstück jeweils der Zweitschnellste. Nur Innocent Niyireba ging schneller ins Rennen. Der ist ein früherer Straßenfahrer, nahm 2018 auch am großen Heimatrennen, der Tour du Rwanda, teil.
Nach dem dritten Kontrollpunkt, nach mehr als 30 Stunden Fahrzeit, war das Bild aber anders. Chege Kibinus kenianischer Landsmann Kenneth Karaya setzte sich an die Spitze. Chege Kibinu lag etwa 10 km zurück auf Platz 2.
Dort hielt er sich auch beim letzten Kontrollpunkt vor dem Ziel. Er wirkte recht munter, als er im Hotel in Huye ein Hühnchen zu sich nahm. "Die Beine sind noch gut, ich bin zufrieden", sagte er radsport-news.com. Geschlafen hat Chege Kibinu im Hotel natürlich nicht. "Ich habe zwei Stunden auf einer Tankstelle geschlafen, mir den Wecker gestellt. Leider gingen die zwei Stunden zu schnell vorbei", erzählte er. Dennoch setzte er sich ganz diszipliniert auf sein Rad.
Vincent Chege Kibinu bei einem kurzen Zwischenstopp in einem Hotel. | Foto: Tom Mustroph
Etwas langsamer ließ es Owen Searle angehen. Er ist gemeinsam mit einem Partner unterwegs. "Man fährt zusammen. Der größte Vorteil ist, dass man das Gepäck aufteilen kann", sagt er. Auch Ada Xinxo und Santi Val aus Barcelona sind als Paar unterwegs. Sie kommen unter anderem mit der Erfahrung der Transcordilleras in Kolumbien nach Ruanda. Im Land selbst sind sie zum ersten Mal. "
"Wir verbinden es mit Urlaub. Ruanda kenne ich noch nicht. Und genau deshalb, um das bisher Unbekannte kennenzulernen, bin ich hier. Wir suchen uns auch gern Rennen im Winter aus, denn im Sommer muss ich als Fahrradguide in Barcelona viel arbeiten", erzählt Ada. Sie haben sich als wichtigstes Ziel das Ankommen nach 1.000 km in Kigali vorgenommen. Während Chege Kibinu und seine härtesten Konkurrenten mit zwei bis drei Stunden Schlaf pro Nacht auszukommen versuchen, nimmt das Paar aus Barcelona gern ein Hotel oder eine Pension zur Regeneration zwischendurch in Anspruch.
So dürften es die meisten der europäischen Teilnehmer halten. Sie stellen ohnehin das Gros des Feldes. 18 Deutsche, fünf Österreicher und zwei Schweizer haben sich eingeschrieben. Hinzu kommen Franzosen und Belgier, Briten, Polen, Tschechen und Niederländer. Nur insgesamt acht Ruandaer sind dabei.
Der Preis von 275 Euro ist für lokale Verhältnisse ziemlich happig. Etwa 200 Euro verdient ein Lehrer im Monat, ein Anwalt kommt auf 400 Euro. Da muss man schon extremer Radsportenthusiast wie Eric Nduwayo sein. Er fährt inzwischen nicht mehr Fahrradtaxi, hat einen lukrativeren Job in der Stadt. Aber an die Abenteuer als Taxifahrer mit Pedalkraft erinnert er sich immer noch gern zurück. "Es war schon speziell. Teilweise bist du mit 100, 120 km/h die Hügel heruntergerast. Manchmal gingen die Bremsen dabei kaputt, dann musstest du mit den Füßen bremsen", meint er.
Viel Staub bedeutet auch viel Pflege am Rad. | Foto: Tom Mustroph
Das Material, das er jetzt fährt, ist solider. Überhaupt hat sich ein regelrechtes Radsportbiotop in Kigali entwickelt. Es gibt mehrere Bikeshops. Eines, Tugende genannt, führt De Schutter. Seine Klienten sind zum Teil Ausländer, die im Lande leben, aber auch Langdistanzfahrradtouristen. "Zuletzt hatten wir jemanden hier, der aus Kairo mit dem Rad kam, Kapstadt als Ziel hatte und hier kleinere Reparaturen benötigte", erzählt er. Auch Enthusiasten, die den kompletten Weg aus Frankreich mit dem Rad zurückgelegt hatten, schlugen schon bei ihm auf. Immerhin 50% der Kunden im Shop seien aber bereits einheimische Amateurfahrer, versichert De Schutter. Sie kommen zumeist aus der wachsenden Mittelschicht.
Gehobener finanzieller Hintergrund ist momentan immer noch notwendig für Radsport in Ruanda. Wegen der Einfuhrsteuern sind Räder teuer. "Unter 1000 Dollar ist kaum ein gutes zu kriegen", bemerkt de Schutter. Und auch auf Ersatzteilen liegen zum Teil heftige Steuern. "Wir kaufen im Internet zum Großhandelspreis ein, wegen Transport und Steuern kommt das aber zum Endverbraucherpreis bei uns an, und wir müssen das dann auch teuer an unsere Kunden weitergeben", bedauert er. Wer ärmer ist, kommt nur über das Talentescouting einheimischer Klubs und die zahlreichen lokalen Rennen mit Eingangrädern, wie sie auch die Fahrradtaxis benutzen, zu hochwertigen Rädern.
Die Hoffnung ist groß, dass die Weltmeisterschaften der UCI im nächsten Jahr für einen neuen Aufschwung sorgen können. "Die WM hat zumindest das Potential dazu, ein Katalysator zu sein. Zum Einen schauen die Leute, vor allem die internationalen Radsportfans, dann auf Ruanda, und Afrika ganz allgemein. Und dann könnte auch der lokale Radsport profitieren, mit besseren Trainingsprogrammen, einer besseren Infrastruktur. Sie haben damit schon begonnen, etwas spät, finde ich, aber es geht los", meint De Schutter.
Vincent Chege Kibunu, der Amateursportler aus Kenia, ist regelrecht begeistert von der Aussicht auf die WM: „Es ist ein Gewinn für ganz Afrika, und auch die Szene in Kenia wird davon profitieren“, meint er.
Mit leuchtenden Augen blickt auch Jean auf die WM. Er fuhr selbst früher Radrennen. "Eigentlich wollte ich aber immer Mechaniker sein", meint er. Seit Juni hat er seinen eigenen Fahrradladen in Kigali. Die meisten Kunden, die er hat, kommen aus dem Ausland. Deshalb findet er die WM so relevant. "Es werden noch mehr Touristen kommen und das Land kennenlernen", ist er überzeugt. Auch das Race Around Rwanda sieht er vor allem als Werbeplattform. "Auch das zieht Touristen an. Sie buchen Hotels, halten sich im Lande auf", sagt er. Und um all das zu unterstützen, ist er eben auch zum Radcafé Tugende herübergekommen, wo das Race Around Rwanda startet und endet: um zu helfen, die Räder der Teilnehmer auf Vordermann zu bringen. Denn wer sich gut versorgt fühlt, wird es weitererzählen, selbst wiederkommen und Freunde mitbringen.
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