Rekordfahrt vom Nordkap nach Kapstadt - Tagebuch

Cape to Cape: In eine andere Welt...

Von Jonas Deichmann

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| Foto: Jonas Deichmann

19.10.2019  |  Der Münchner Extrem-Sportler und Abenteurer Jonas Deichmann hat einen neuen Weltrekord im Visier: 18 000 km mit dem Rennrad, vom Nordkap in Norwegen bis zum südlichen Ende Afrikas - ohne Unterstützung.

Das will Deichmann in weniger als 75 Tagen schaffen, einen ganzen Monat schneller als der bisherige Rekord. Jonas wird durch Finnland, Russland und den Nahen Osten bis nach Ägypten radeln, bevor es quer durch Ostafrika weitergeht, bis hinunter nach Kapstadt.
Und wie bei seinem Eurasien-Rekord führt Jonas wieder für RSN ein Tagebuch. Hier Teil sechs seiner Aufzeichnungen:

Tag 33: Von Ägypten in den Sudan - eine andere Welt
Als ich um vier Uhr morgens aufbrechen möchte, ist meine Eskorte nicht da und sie lassen mich nicht alleine fahren. Nach eine Stunde Verhandlung mache ich mich endlich auf den Weg. 250 Meter später werde ich an einem militärischen Kontrollpunkt angehalten. Andere Gerichtsbarkeit - sie lassen mich nicht weiterfahren. Weitere 30 Minuten Verhandlungen....

Ein starker Rückenwind bläst mich an die Grenze und ich sehe eine lange Reihe Sudanesen in der Sonne warten. Die Grenze ist geschlossen und niemand weiß etwas. Um 11 Uhr öffnet sich der Schlagbaum und die Sudanesen stürmen los. Es ist die korrupteste Grenze, die ich je gesehen habe. Die ägyptischen Offiziere lassen die Leute warten, bis sie bezahlen, um den Pass abgestempelt zu bekommen. Es gibt kein Wasser und nachdem ich weitere 90 Minuten gewartet habe, bin ich völlig dehydriert, als ich endlich auf die sudanesische Seite rolle.

Es ist eine andere Welt. Jeder heißt mich willkommen und versichert, dass es hier nicht wie in Ägypten ist. Das Einreise-Verfahren dauert fünf Minuten und statt Korruption werde ich zum Mittagessen und Tee eingeladen. Ich bin dann auf einer kleinen Straße in die Wüste gefahren, die durch einen abgelegenen Teil der Sahara führt und fast 1000 km bis zur nächsten Stadt reicht.

Hunderte von Kilometern lang gibt es keine Läden und die Hitze in der Wüste lässt meine Wasservorräte zu schnell schrumpfen. Nachts sehe ich ein Lager neben der Straße und bitte um Wasser. Es sind Goldgräber und sie laden mich ein zu bleiben. Wir schlafen in Betten, die draußen in der Wüste stehen, und essen eine kleine Portion. Ich bin immer noch hungrig, aber ich weiß, dass sie sich das alles eigentlich nicht leisten können. Es gibt kein Mineralwasser und ich trinke wieder Nil-Wasser.

Tag 34: Vollmond in der Sahara, Bett unterm Sternenzelt
Noch im Dunkeln machen die Bergleute Frühstück. Tee und ein paar trockene Kekse, aber ihre Gastfreundschaft ist unglaublich. Ich mache gute Fortschritte bis zum Mittag, als der Wind plötzlich dreht und von vorne mit voller Geschwindigkeit kommt. Es fühlt sich an, als würde ich mit 12 km/h in einem Ofen gegen einen Fön fahren. Das saugt meine Energie innerhalb von Minuten ab und ich merke, dass es ernst wird.

Ich habe die Information, dass es nicht weit ein kleines Café gibt und komme mit meiner letzten Energie an. Ich bin völlig außer Gefecht, ruhe mich zwei Stunden auf dem Boden aus, bevor ich weiterfahre, als der Wind nachlässt. Ich fühle mich absolut elend, mit Magenproblemen, ich habe nichts gegessen. Ich schiebe durch die Nacht, um schnell aus dieser abgelegenen Gegend der Sahara herauszukommen.

Trotz meiner Leiden ist die Nachtfahrt unglaublich. Es ist Vollmond und die Wüste scheint unendlich friedlich. Nach ein paar Stunden komme ich zu einem Polizei-Kontrollpunkt, sie laden mich ein, auf einem Bett unter dem Sternenhimmel zu schlafen. Ich nehme gerne an. 260 km am Ende geschafft, nach gestern immerhin 190 km. Ich bin überrascht, nachdem ich mich mittags gefühlt habe.

Tag 35: Kekse zum Frühstück, Schlafen im Restaurant
Ich mache mich vor Sonnenaufgang auf den Weg und fühle mich wieder recht elend. Ich habe seit drei Tagen nicht mehr richtig gegessen und trinke immer noch Nil-Wasser. Ich finde einen kleinen Laden, kaufe Kekse zum Frühstück, und kann ich mich mit Wasser in Flaschen eindecken. Ich radle gegen den Wind, spüre aber meinen Energiemangel und mache wenig Fortschritte.

Zum Glück führt die Straße jetzt etwas näher an den Nil heran. Es gibt ein paar Läden, die jedoch keine geeigneten Lebensmittel für Radfahrer verkaufen. Mittags bin ich völlig fertig von Hitze und Wind und schlafe in einem Restaurant. Ich fahre weiter, als es ein bisschen kühler wird - habe aber wieder heftig zu kämpfen...

Bei Sonnenuntergang erreiche ich ein kleines Dorf, das überraschenderweise ein Hotel hat. Als ich die Treppe hinaufsteige, bin ich überrascht, von einem Russen begrüßt zu werden, der in der Wüste nach Gold sucht und landwirtschaftliche Projekte betreibt. Wir gehen zusammen zum Abendessen in ein Restaurant mit leckerem Hühnchen - eine einladende Abwechslung.

Tag 36: Sand überall, Abendessen mit Polizisten
Ich fühle mich ein bisschen besser und starte in der Dunkelheit. Bei Sonnenaufgang nimmt der Wind zu und wird schnell zum starken Gegenwind. Der Sand wird über die Straße geweht und gelangt einfach überall hin - in meine Augen, Ohren, Nase. Nach 95 km mit einem Schnitt von 18 km7h halte ich für eine Cola und ein paar Kekse.

Nachmittags geht es genauso langsam weiter. Ich halte bei Sonnenuntergang in einem kleinen Dorf an. Polizisten laden mich zum Abendessen ein und der Restaurant-Besitzer bietet mir ein Bett an, das ich dankend annehme. Nur 180 km und jetzt hinter dem Zeitplan. Zeit, die Sahara zu verlassen und wieder zu Gas zu geben...

Tag 37: Aus der Wüste ins Chaos der Hauptstadt
Ich wache vor meinem Wecker auf, da ein Sandsturm das Restaurant trifft, das nur ein Schuppen ist. Und wieder Sand, absolut überall. Nach dem Sandsturm beginnt es zu regnen. Nur ein paar Minuten, aber die Einheimischen rennen alle glücklich herum, es ist ein großes Geschenk für sie.

Bei Sonnenaufgang mache ich mich auf den Weg, in den Gegenwind. Schnell merke ich, dass sich die Landschaft verändert. Es gibt ein paar Bäume und Sträucher und dann die ersten Farmen. Ich nähere mich dem Ende der Sahara. Ich fühle mich heute besser, aber immer noch schwach, weil ich in den letzten Tagen kein Essen hatte.

Habe ein paar Kilo abgenommen, mein Trikot flattert im Wind. Abends komme ich in die Hauptstadt Khartoum. Bisher gab es im Sudan kaum Autos, jetzt bin ich im Chaos ankommen: Ich brauche 90 Minuten in der Stadt, bis ich ein anständiges Hotel mit einem indischen Restaurant finde. Ich esse drei Teller leer. Immerhin: Ich bin jetzt aus der Wüste heraus - und kann wieder beschleunigen.
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