Rekordfahrt vom Nordkap nach Kapstadt - Tagebuch

Cape to Cape: Kalorien-Defizit und fliegende Flip-Flops

Von Jonas Deichmann

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| Foto: Jonas Deichmann

29.10.2019  |  Der Münchner Extrem-Sportler und Abenteurer Jonas Deichmann hat einen neuen Weltrekord im Visier: 18 000 km mit dem Rennrad, vom Nordkap in Norwegen bis zum südlichen Ende Afrikas - ohne jede Unterstützung.

Wie bei seinem Eurasien-Rekord führt Jonas wieder für RSN ein Tagebuch. Er hat die schwierigen Passagen durch Sudan und Äthiopien hinter sich und durchquert aktuell das ruhigere, landschaftlich schöne Kenia. Jonas ist trotz mehrerer Lebensmittelvergiftungen wohlauf und im Zeitplan. Hier Teil sieben seiner Aufzeichnungen.

Tag 38: Gestärkt am Blauen Nil
Ich fahre bei Sonnenaufgang aus Khartoum heraus. Es ist schön, auf belebten Straßen wieder die Wüste zu sehen. Durch das Essen in der Stadt fühle ich mich wieder stark. Die Straße führt am Blauen Nil entlang durch Ackerland; es gibt Obst, Getränke und Restaurants neben der Straße. Es ist auch viel kühler als in den Tagen zuvor. Ich halte für ein schnelles Mittagessen, und fahre sonst den ganzen Tag. Nach 275 km finde ich ein Dorf und suche ein Hotel. Es ist vier Kilometer von der Hauptstraße entfernt, an einer ziemlich schmutzigen Straße. Als ich ins Hotel komme, gibt es nur einen Saal mit 50 Betten. Zum Glück finde ich ein zweites Hotel, aber der Typ mit den Schlüsseln ist weg. Eine halbe Stunde später bekomme ich mein Zimmer - besser als viele der letzten Nächte, aber kein Wasser.

Tag 39: Matsch-Zickzack nach Dhoka
Der Weg aus dem Dorf heraus ist eine Herausforderung: Die Straße ist sehr matschig, ich muss schieben, und brauche eine Stunde für vier Kilometer. Dann komme ich endlich in Fahrt. Die Landschaft ändert sich jetzt: kleine Hügel, viele Dörfer, Ziegenhirten, die in kleinen runden Hütten leben. Am Nachmittag biege ich auf eine kleinere Straße in Richtung der äthiopischen Grenze ab. Die Straße ist in einem schlechten Zustand, ich fahre Zickzack zwischen den Schlaglöchern. Das verlangsamt mich ziemlich, und ich erreiche Dhoka erst nachts. Leider war die Information falsch, dass es hier ein Hotel gibt, ich schlafe in einem Restaurant. Es ist heiß und die Einheimischen reden die ganze Nacht, so dass ich kaum schlafe.

Tag 40: Fliegende Flip-Flops in Äthiopien
Ich mache mich bei Sonnenaufgang auf den Weg. Die Straße wird noch schlechter und ich fahre gerade noch 18 km/h. Mittags erreiche ich die Grenze, und habe einen langen bürokratischen Prozess vor mir. Nach fast drei Stunden bin ich endlich in Äthiopien - und sofort in einer anderen Welt. Überall sind Leute, und die Kinder laufen mir nach. Alle sind zunächst freundlich, aber nach 20 km wirft eine Gruppe Kinder ihre Flip-Flops nach mir und ist definitiv feindselig.

Ich bin gewarnt worden, dass Radfahrer in Äthiopien von Kindern und Jugendlichen mit Steinen beworfen werden, sie sogar versuchen, dich vom Fahrrad zu ziehen. Ich bin gespannt auf die nächsten Tage... Nach nur 120 km halte ich an einem Hotel. Ich hätte zwar noch eine Stunde Sonnenlicht, aber ich weiß, dass ich mich in einem Gebiet befinde, in dem es derzeit gewaltsame Konflikten gibt; besser, nicht in der Dunkelheit zu fahren und stattdessen früh starten.

Tag 41: Das Tretlager mit dem Hammer repariert
Ich wache mit einer Lebensmittelvergiftung auf und fühle mich elend. Beim Aufsteigen bemerke ich, dass sich meine Kurbel lockert. Eines der Lager ist defekt, ich muss das Tretlager wechseln. Zum Glück habe ich Ersatz dabei, und finde einen Automechaniker, der mir hilft. Er weiß nicht wirklich, wie es geht, aber er hat Werkzeuge und ich zeige es ihm. Ich habe ein wenig Sorge, als er darauf herumhämmert, aber es funktioniert schließlich. Um neun Uhr bin ich endlich auf dem Rad und fahre den ersten Anstieg. Überall Militär, Polizei und Milizen; ich bin froh, dass ich nicht nachts gefahren bin. Ich klettere fast den ganzen Tag bis auf 2200 Meter. Am Abend fühle ich mich ein bisschen besser, aber immer noch krank. Ich bin froh, als ich endlich ein Hotel finde.

Tag 42: Nette Erwachsene, aggressive Kinder
Ich fühle mich ein wenig besser und fahre bei Sonnenaufgang los. Die Straße geht ständig auf und ab, durch wunderschöne Berglandschaften. Plötzlich sind überall Kinder, sie rennen hinter mir her und schreien aggressiv nach Geld. Einige werfen Steine auf mich, andere versuchen mich mit Stöcken zu schlagen oder mir den Weg zu versperren. Sie sind schnell, was eine Flucht auf den Anstiegen schwierig macht.

Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm wird. Am Nachmittag wirft eine Gruppe Kinder große Steine von einem Hang auf mich herunter. Sie verfehlen mich, aber diese Brocken würden mich definitiv ins Krankenhaus bringen. Es ist seltsam, dass die Erwachsenen sehr nett sind, und nur Kinder und ein paar Jugendliche aggressiv. Ich schaffe es ohne Verletzungen durch den Tag und finde bei Sonnenuntergang ein Hotel. Andere Reisende sagen mir, dass das erst aufhört, wenn ich nach Kenia komme. Ich freue mich nicht auf die nächsten Tage...

Tag 43: Kalorien-Defizit, Wasser und Spaghetti
Ich wache früh auf und fühle mich wieder sehr krank, steige aber bei Sonnenaufgang aufs Rad. Sofort beginnt ein langer Anstieg, bis auf auf 2600 Meter. Die Leute sind sehr nett und grüßen, nun auch die Kinder. Aber ich fühle mich völlig ohne Energie und klettere sehr langsam. Es ist schwer, etwas zu essen zu finden; seit Ägypten habe ich ein ständiges Kalorien-Defizit.

Nachmittags leider wieder ständige Attacken und Steinwürfe von Kindern. Als ich in eine kleine Stadt Felege Birhan komme, schreien Kinder von allen Seiten nach Geld. Ich steige ab, um Wasser zu kaufen, aber der Ladenbesitzer fordert das Fünffache, und Kinder versuchen, meine Taschen zu öffnen. Ich verschwinde und halte an einem Laden 100 Meter weiter - gleiches Ergebnis. Ich habe genug und verlasse das Dorf durstig. Ich fahre in die Dunkelheit und kollidiere fast mit einem Esel, der über die Straße läuft. Zum Glück finde ich bald ein Hotel - und es gibt sogar Spaghetti auf der Speisekarte.
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