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17.10.2016 | (rsn) – Mit gleich zwei Debütanten trat das nur sechsköpfige deutsche Team in gestrigen WM-Straßenrennen von Doha an. Der Kölner Nils Politt und der Freiburger Jasha Sütterlin hatten sich nach starken Leistungen ihre Nominierungen sicherlich verdient. Doch zeigte sich am Knackpunkt des Rennens - dem Wendepunkt nach 80 Kilometern, als der Wind wechselte und nicht mehr von vorne, sondern von der Seite blies -, dass davon vor allem die Klassiker erprobten Spezialisten profitierten.
Belgier, Italiener, Niederländer und Briten zerlegten auf der Windkante das Feld in mehrere Teile, und mit John Degenkolb gelang nur einem Deutschen der Sprung in die entscheidende Gruppe – bezeichnenderweise ein Klassikerspezialist. Dagegen hingen nicht nur die beiden WM-Neulinge, sondern auch der als Tempobolzer vorgesehene Tony Martin in hinteren Gruppen fest, denen es nicht mehr gelang, zumindest noch den Anschluss an die ersten Verfolger der Spitze um Peter Sagan, Mark Cavendish und Tom Boonen wiederherzustellen.
In den folgenden Stunden wurden die Fernsehzuschauer Zeugen einer skurrilen Renn-Konstellation: Während die drei potenziellen Medaillenkandidaten André Greipel, Marcel Kittel und John Degenkolb in der zweiten Gruppe immer wieder im Wind fuhren, blieben die drei Helfer völlig wirkungslos, weil sie den Abgang verpasst hatten.
Diese Bilder riefen die Frage hervor, ob es auch so gekommen wäre, wenn etwa der erkrankte Greipel-Helfer Marcel Sieberg wie vorgesehen zum Einsatz gekommen wäre – für den 34-Jährigen wurde Sütterlin eingesetzt. Doch der Bund Deutscher Radfahrer BDR ließ andere routinierte Fahrer wie Marcus Burghardt oder auch Christian Knees zu Hause.
Dabei können die beiden Haudegen auf jahrelange Erfahrungen in Klassikern zurückblicken, vor allem der 33-jährige Burghardt gilt als ausgewiesener Spezialist und hat zahlreiche erfolgreiche Einsätze bei der Katar-Rundfahrt vorzuweisen, wogegen der erst 22-jährige Politt in dieser Saison sein – wenn auch überzeugendes – Debüt bei der Wüsten-Rundfahrt gab. Mehr Erfahrung hatte auch der ein Jahr ältere Sütterlin nicht vorzuweisen.
Dabei war den Deutschen klar, was in Katar auf sie zukommen würde. "Gestern in der Besprechung haben wir gesagt, dass bei Kilometer 80 das Rennen losgeht und die Kante aufgemacht wird. Das war uns bewusst und wir haben versucht, uns bestmöglich zu positionieren“, sagte etwa Sütterlin. Allerdings wollte der Freiburger nicht von einem Fehler sprechen. “Kurz bevor es auf die Kante ging, war das Feld so chaotisch, dass man keinen Überblick mehr hatte. Das war einfach Glücksache, da vorne zu sein“, meinte Sütterlin.
Politt bestätigte dessen Einschätzung, wonach es kurz vor dem Wendepunkt besonders hektisch gewesen sei: "Ich muss ehrlich sagen: Es war ziemlich, ziemlich hektisch und ich habe mich gewundert, dass es keine Stürze gab. Es war eine dreispurige Straße und ging nach rechts auf eine zweispurige. Ich selbst habe die Jungs nicht mehr gesehen. Wir haben uns ein bisschen verloren und das war der entscheidende Punkt“, sagte der 22-Jährige, der danach gemeinsam mit Sütterlin und Zeitfahrweltmeister Tony Martin vergeblich um den Anschluss kämpfte. "Wir waren mit 15 Mann hinten, aber damit kommt man nicht wirklich weit, wenn Rückenkante ist. Tony kam dann von hinten und wir haben die Gruppe noch gesehen. Aber ich habe auf den Tacho geguckt und wir hatten teilweise anderthalb Minuten. Das war schwer zuzufahren“, stellte er fest.
Auf die Frage, ob es letztlich nicht doch an mangelnder Erfahrung gelegen habe, antwortete Kapitän Greipel, indem er seine eigene Rolle herausstellte. "Ja gut, wir spielen ja nicht im Sand. Wenn es auf die Kante geht, dann geht es auf Biegen und Brechen - man muss um seine Position kämpfen“, sagte der 34-Jährige und nahm sich selbst in die Verantwortung: "Ich habe es leider nicht geschafft. Ich war erst dabei, aber dann hat das nötige Korn gefehlt, um nochmal in die Windstaffel reinzukommen. Da ist man natürlich enttäuscht. Aber das mangelt nicht an Erfahrung der anderen Fahrer, sondern das ist einfach....Radsport."
Auch Marcel Kittel wollte auf die Mannschaft "nichts kommen lassen“, gestand aber ein taktisches Versäumnis ein: "Wir müssen uns als Team damit abfinden, dass wir an der entscheidenden Stelle versuchen müssten, kompakter zu fahren“, sagte der 28-Jährige und gestand nicht nur indirekt ein, dass andere Mannschaften sich geschickter verhalten hätten. Der Grund? "Das ist auch Erfahrungssache. Das Rennen heute ist ein typisches Rennen, das man bei der Katar-Rundfahrt hat“, stellte er fest.
Marcel Kittel im Video-Interview: