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11.11.2022 | (rsn) – Als "Sch***-Jahr" kann man die Saison 2022 für Lukas Pöstlberger (Bora – hansgrohe) wohl getrost bezeichnen. "Da gibt es keine Ausreden", lachte der Österreicher im Gespräch mit radsport-news.com. Denn die Bilanz des 30-Jährigen ist aus rein medizinischer Sicht schon verheerend: Ganze drei Mal war er positiv auf Corona, dazu kam auch noch eine Gehirnerschütterung. In der Klassikersaison war Pöstlberger nach einem von Covid verkorksten Winter noch nicht fit und eine Grand Tour bestritt er in den vergangenen zwölf Monaten ebenfalls nicht.
___STEADY_PAYWALL___ "Mit Covid im November und dann nochmal einem positiven Test im Dezember ging nicht viel zum Jahresbeginn. Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber damals waren Anzeichen für eine Herzmuskelentzündung da und deshalb haben wir entschieden, dass ich nicht trainiere. Und wenn man im Dezember drei Wochen gar nichts macht, ist das natürlich schlecht", berichtete Pöstlberger.
Das Zeitfahren der Algarve-Rundfahrt war Pöstlbergers erster guter Leistungstest im Rennbetrieb. | Foto: Cor Vos
Völlig trainingsfrei nach Mallorca zum Trainingslager gereist, kam er bei den ersten Renneinsätzen auf der Insel kaum zurecht. Mitte Februar aber ging es bei der Algarve-Rundfahrt zumindest ein wenig bergauf, Pöstlberger wurde immerhin 28. im Einzelzeitfahren. Allerdings fehlte die Fitness für die Klassikersaison und so sah Pöstlberger von den ersten fünf Rennen im Norden nur beim Omloop Het Nieuwsblad einmal das Ziel. In der zweiten Märzhälfte sei dann langsam die Form gekommen, meinte er. "Aber dann bin ich bei Dwars door Vlaanderen nach 20 Kilometern gestürzt, hatte eine Gehirnerschütterung und bin wieder ausgefallen."
Kein Ticket für die Tour de France
Ohne Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix ging es in die Wettkampfpause und allmählich in die Vorbereitung in Richtung Saisonziel Nummer zwei, der Tour de France. Pöstlberger fuhr die Ungarn-Rundfahrt, ging drei Wochen ins Höhentrainingslager und bestritt das Critérium du Dauphiné, wo er im Vorjahr einen Etappenerfolg gefeiert und vier Tage das Gelbe Trikot getragen hatte.
Diesmal aber sprang kein Spitzenergebnis heraus: "Ich bin dort stark gewesen, aber die Leute hatten halt das Vorjahr im Kopf, wo ich vier Tage in Gelb gefahren bin. Da hat mich keiner in die Gruppe gelassen oder jeder wollte mit mir in die Gruppe. Es war echt schwierig, dort etwas zu machen."
Drei Wochen vor dem Grand Depart der Frankreich-Rundfahrt in Kopenhagen stand Pöstlberger also ohne Zählbares auf seinem Erfolgskonto da und die Felle in Sachen Tour-Ticket schwammen davon. Dass die Form gut war, konnte er bei den Österreichischen Meisterschaften zwar nochmal unterstreichen, wo er Teil der Bora-Gala war, in der fünf Fahrer aus dem WorldTour-Team allein allen wegfuhren und das Podium unter sich ausmachten: Der Titel ging an Felix Großschartner, Pöstlberger wurde hinter Patrick Gamper Dritter. Zwei Tage später aber kam der schmerzhafte Anruf: Er würde nicht mit nach Kopenhagen reisen.
Lukas Pöstlberger (vorne rechts, unscharf) stürzte bei Dwars door Vlaanderen früh und musste dadurch seine Klassiker-Kampagne abbrechen. | Foto: Cor Vos
"Ich konnte die Entscheidung verstehen, aber ich hatte eben viel dafür investiert, war drei Wochen in der Höhe und hatte gute Form. Da war es schon ein wenig bitter, nicht dort zu sein. Ich muss ehrlich sagen, dass ich dann etwas im Motivationsloch war", erklärte Pöstlberger nun rückblickend.
Auf zu neuen Ufern: Wechsel zu BikeExchange – Jayco
"Wir hatten im Oktober besprochen, dass ich mich auf die Tour vorbereiten soll. Und die Kommunikation ist dann übers Jahr etwas schiefgelaufen. Das war nicht ideal – auch von meiner Seite her wahrscheinlich nicht", meinte er, betonte aber auch: "Wir waren zwölf auf der Longlist und alle waren in Form und bereit. Vier waren dann halt nicht dabei. Aber ich respektiere die Entscheidung – fürs Team muss es das Beste sein."
Trotzdem gab Pöstlberger auch zu, dass die Nichtnominierung für die "Große Schleife" auch dazu beigetragen habe, dass er schließlich für die kommenden zwei Jahre bei einem anderen Team unterschrieben hat – bei BikeExchange–Jayco. Dort will der Österreicher im kommenden Jahr gemeinsam mit dem ebenfalls neu verpflichteten Zdenek Stybar und Michael Matthews die Spitze für die Klassiker bilden.
"Ich muss nicht unbedingt Roubaix fahren, da bin ich vielleicht auch etwas zu klein und zu leicht. Aber für mich wird interessant, dass wir mit Matthews verstärkt den Fokus auf die Ardennen legen. Da war ich erst einmal und das finde ich interessant. Vorher werde ich Katalonien fahren, so dass ich nicht alle Semi-Klassiker fahre. Aber dann wieder Dwars, E3 und die Ronde. Und vorher das Openingsweekend. So ist der Plan", verriet er radsport-news.com schon mal.
Bei den Klassikern fühlt sich Pöstlberger wohl und will er 2023 wieder eine Rolle spielen – dann in neuem Look. | Foto: Cor Vos |
Die Entscheidung für den australischen Rennstall sei eine der Sympathie gewesen, erklärte er außerdem: "Ich bin einer, dem das Umfeld extrem wichtig ist. Dort habe ich gespürt, dass mir das gut gefällt. Ich kenne dort einige Fahrer schon aus U23-Zeiten und weiß, wie sie persönlich sind und dass sie sich dort wohlfühlen. Von daher musste es ein gutes Klima sein – und das hat sich in Turin beim ersten Team-Meeting für mich auch bestätigt."
Doch zurück zur Saison 2022, zurück zu Bora – hansgrohe. In der Heimatregion seines bisherigen Arbeitgebers zeigte sich Pöstlberger nach einer siebenwöchigen Wettkampfpause im Anschluss an die Tour-Ausbootung erstmals wieder im Sattel, und gleich prominent in den TV-Kameras. Gemeinsam mit Silvan Dillier nämlich fuhr er bei den Europameisterschaften in und um München fast 180 Kilometer lang als Ausreißer-Duo an der Spitze.
Corona zum Dritten – der "passende" Saisonabschluss
Eine Woche später bestritt Pöstlberger die Cyclassics in Hamburg, danach den Bretagne Classic in Plouay sowie schließlich die Tour of Britain. Der Formaufbau in Richtung Saisonfinale bei der WM in Australien lief gut. Doch, wie sollte es in seinem verkorksten Jahr 2022 auch anders sein: Eine Woche vor dem Straßenrennen von Wollongong schlug Corona abermals zu.
Im EM-Straßenrennen von München fuhr Pöstlberger lange in der zweiköpfigen Spitzengruppe mit dem Schweizer Silvan Dillier (rechts). | Foto: Cor Vos
Als letzte Vorbereitungsstation vor dem Abflug sollte er in Belgien die Kampioenschap van Vlaanderen und den Primus Classic fahren. Doch Pöstlberger bekam Magen-Darm-Probleme. Er startete zwar die "Meisterschaft von Flandern" noch, stieg aber vorzeitig aus und bekam anschließend dann auch die Hiobsbotschaft: der PCR-Test war positiv.
"Erst habe ich noch gedacht, dass ich vielleicht am Dienstag oder Mittwoch noch nach Australien nachfliegen kann, aber dann lag ich wirklich fünf Tage flach. Da hätte es dann auch keinen Sinn mehr gemacht, die Reise zu starten", so Pöstlberger rückblickend zu dem für sein Jahr wohl passendsten Saisonabschluss: im Krankenbett, statt im Sattel.
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