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15.12.2022 | (rsn) – Er war der tragische Held der Tour de France – nicht nur aus deutscher Sicht, sondern auch für die internationalen Fans: Simon Geschke (Cofidis) kämpfte bis zur letzten Bergetappe wacker um das Trikot mit den Roten Punkten. Am Ende aber musste er es oben in Hautacam doch an Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) abtreten. Der Tour-Sieger aus Dänemark räumte auch die Bergwertung ab und Geschke musste sein Trikot stellvertretend nach Paris tragen – kein schönes Erlebnis nach dem schmerzhaften Verlust der Führung am letzten großen Berg der Rundfahrt.
Das war zwar schmerzhaft für den 36-jährigen Freiburger, doch mit etwas Abstand kann sich Geschke über seine Leistungen im Juli und das, was sie in Deutschland auslösten, durchaus freuen. "Diese Anerkennung zu bekommen, obwohl ich das Bergtrikot am Ende gar nicht gewonnen habe, das ist schon sehr schön", sagte er radsport-news.com im Jahresrückblick.
___STEADY_PAYWALL___Zur Anerkennung gehörten neben einer in den Bergtrikot-Farben bemalten Pferde-Statue im Sommer in seiner Wahlheimat Freiburg auch die Wahl zum Radsportler des Jahres und zum Berliner Sportler des Jahres. "Darüber habe ich mich sehr gefreut, denn es sind prestigeträchtige Online-Wahlen und etwas, was noch nicht in meinen Palmares stand", kommentierte Geschke die Auszeichnungen.
Geschke imponierte nicht nur bei der Tour
Was bei all dem Hype aber etwas untergeht, ist, dass Geschkes Jahr 2022 sich nicht nur durch die drei Wochen in Frankreich im Juli auszeichnete. Denn schon Ende April war er in Bestform und fuhr ein Ergebnis ein, dass nicht alltäglich ist: Der gebürtige Berliner wurde Zweiter im abschließenden Bergzeitfahren der Tour de Romandie und belegte so den dritten Rang im Gesamtklassement.
Bei der Tour de Romandie sicherte sich Simon Geschke (Cofidis) mit einem großartigen Zeitfahren noch den dritten Gesamtrang.. | Foto: Cor Vos
"Das sticht natürlich heraus, weil ich selten bei WorldTour-Rundfahrten auf dem Podium stehe (einzig 2020 gelang ihm das einmal bei der Tour Down Under, d. Red.). Die Tour ist natürlich nochmal etwas anderes, weil es in der Romandie eigentlich nur zwei Tage waren, die die Gesamtwertung entschieden. Das würde ich ungern vergleichen wollen. Aber klar: Ich bin schon auch sehr stolz auf die Romandie", ordnete Geschke den Erfolg in der Schweiz ein. Immerhin hatte er bei einer einwöchigen Rundfahrt samt Bergankunft und Bergzeitfahren Juan Ayuso, Ben O'Connor, Damiano Caruso und Steven Kruijswijk auf die Plätz vier bis sieben verwiesen.
Krankheiten in Februar und März gut weggesteckt
Doch trotz Tour de France und Tour de Romandie war Geschke nicht mit allem glücklich im Jahr 2022. Nach seinem Saisonstart bei der Mallorca Challenge Ende Januar infizierte er sich mit dem Corona-Virus und verpasste die Tour de la Provence. Danach gehörte er bei Paris-Nizza zu den 95 Profis, die die Fernfahrt vorzeitig krank verlassen mussten.
"Aber das habe ich relativ schnell weggesteckt. Insgesamt bin ich gut durch den Winter gekommen und dann lief es ab der Baskenland-Rundfahrt bis zur Romandie sehr gut. Im Baskenland war ich nur Helfer und so sollte es auch in der Romandie eigentlich sein. Aber dann ist (Teamkollege) Ion Izagirre auf der 1. Etappe direkt gestürzt und ich wurde zum GC-Kapitän", erinnerte sich Geschke.
Geschke eroberte das Gepunktete Trikot auf der 9. Etappe der Tour und musste es nach großem Kampf am Ende der 17. Etappe doch noch abgeben. | Foto: Cor Vos
Im Mai pausierte er zunächst einige Tage und beschäftigte sich im Schwarzwald mit Moutainbiken, bevor die Tour-Vorbereitung mit einem Höhentrainingslager in Tignes begann. "Das mache ich fast jedes Jahr so – hauptsächlich für den Kopf. Um Freiburg herum kann man sehr schön Mountainbiken und danach kommt immer ein sehr langer Trainingsblock – und gerade im Höhentrainingslager versucht man natürlich, alles wirklich perfekt zu machen, um zur Tour in Top-Form zu kommen. Deshalb nutze ich die Tage davor, um einfach nur etwas Spaß zu haben", so Geschke.
Zweite Saisonhälfte "wurmte persönlich"
Schon zur Dauphiné war die Form dann gut, wenn auch noch nicht ideal – und was folgte, war die beeindruckende Vorstellung bei der Tour. "Es war schon eine sehr gute Saison, nur mit der zweiten Saisonhälfte war ich nicht so zufrieden. Klar: Mit Romandie und Tour im Rücken konnte mir das das Jahr auch nicht mehr vermiesen", bilanzierte der Routinier. "Dass es nach der sehr harten Tour nicht mehr so lief, ist irgendwo auch verständlich und dafür hatte auch das Team Verständnis. Aber persönlich hat es mich schon auch gewurmt, gerade weil ich die Deutschland Tour gerne besser gefahren wäre."
Denn anstatt bei seinem Heimspiel am Schauinsland vor den Freiburger Fans um den Sieg zu fahren, kam Geschke auf der Königsetappe der Deutschland Tour nicht über Rang 30 hinaus uns belegte in der Gesamtwertung lediglich Platz 27. Der Tour-Held war schlicht zu müde. "Ich habe nach der Tour etwas wenig Luft rangelassen und direkt weitertrainiert in Richtung Deutschland Tour. Das ging nach hinten los", urteilte er im Rückblick.
Nach beeindruckenden Auftritten bei der Tour de France musste der Freiburger das Bergtrikot doch noch an Jonas Vingegard (re.) abtreten. Da der Däne aber als Gesamtsieger im Gelben Trikot unterwegs war, durfte oder musste der gebürtige Berliner das Bergtrikot nach Paris hinein tragen. | Foto: Cor Vos
Und auch mit Blick auf den Verlust des Bergtrikots bei der Tour war Geschke selbstkritisch. "Die letzte Pyrenäenetappe der Tour bereue ich natürlich auch ein bisschen. Da würde ich im Rückblick natürlich auch eine, zwei Sachen anders machen. Wir hätten insgesamt ein paar Dinge vielleicht anders beeinflussen können, waren aber zu nervös", so Geschke. "Aber das sind eben Dinge, die man erst nachher weiß."
"Zu 95 Prozent ist nach 2024 Schluss"
Dass er den heißen Kampf ums Bergtrikot im kommenden Jahr wieder aufnehmen wird, konnte Geschke nicht versprechen. "Man muss immer die richtigen Gruppen erwischen, denn mit den GC-Fahrern über die großen Berge zu kommen, das wird nicht passieren. Dieses Jahr ist ganz viel zusammengekommen und ich hatte auch die Freiheiten dafür. Aber nächstes Jahr werden die Karten wieder komplett neu gemischt. Es ist schwer zu sagen, ob ich dann wieder aufs Bergtrikot fahren kann und so nah rankomme", dämpfte er die Erwartungen.
Bei der Deutschland Tour lief in sportlicher Hinsicht nicht viel zusammen. Dafür aber wurde Geschke von der Stadt Freiburg mit dem Eintrag ins Goldene Buch geehrt. | Foto: Cor Vos
Denn bei Cofidis ist Geschke in erster Linie ein wichtiger Helfer für Ion Izagirre und Guillaume Martin. Wie genau seine Aufgaben und auch das Rennprogramm im kommenden Jahr aber aussehen, das weiß er noch nicht. Klar ist, dass er seine 15. Saison als Profi nicht im Januar in Australien bei der Tour Down Under, sondern erst danach in Europa beginnen wird – und voraussichtlich steht auch die Tour de France wieder im Programm. "Ich habe dem Team aber auch gesagt, dass ich gerne nochmal den Giro fahren würde. Vielleicht bin ich daher auch bei beidem am Start", erklärte er.
Und klar ist auch: 2023 wird das vorletzte Jahr in seiner Karriere. Nach der 109. Frankreich-Rundfahrt verlängerte Geschke seinen bis Ende 2023 laufenden Vertrag vorzeitig noch einmal bis Ende 2024. Noch länger aber werde er wohl kaum fahren, bestätigte er jetzt: "Wenn es 2024 nochmal supercool läuft, kann man 2025 dann vielleicht nochmal dranhängen. Aber zu 95 Prozent ist nach 2024 Schluss."
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