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10.04.2023 | (rsn) - Hola de Montevideo, Uruguay. Am elften Tag stand heute die 10. und letzte Etappe über nochmal 200 Kilometer an. Frühstück gab es in der Unterkunft im Fußball Stadion nicht, es wurden also alle Reste zusammengekratzt, damit jeder etwas in den Bauch bekam, keine optimalen Bedingungen für eine so lange Etappe. Der Start erfolgte auf einer Rennstrecke für Rennräder, die sogar komplett mit Beleuchtung ausgestattet war, sowas habe ich in Deutschland noch nicht gesehen. Es ging etwa 10 Kilometer neutralisiert aus der Stadt heraus auf die Küstenstraße und dann nach einer Pinkelpause richtig los.
Zu Beginn fuhr ich zwei Attacken mit und die erste davon wäre fast erfolgreich gewesen, wir hatten uns schon zu zehnt ein Stück abgesetzt, ehe wir wieder gestellt wurden. Ich hielt mich auf der Windkante immer vorne auf und war jederzeit bereit, zu einer Gruppe hinzuspringen, wenn sie erfolgversprechend aussah. Das war nach 45 Kilometern der Fall und ich saß beim erst dritten Versuch schon in der Gruppe des Tages. Es war eine große Gruppe mit etwa 20 Fahrern und einige Teams waren mehrfach vertreten, gute Voraussetzungen also.
Anfangs machte ich nur wenig Führungsarbeit und wollte mir erstmal anschauen, wie die Gruppe so läuft, wer das größte Interesse hat und wie sich unser Vorsprung entwickelt. Als wir eine Lücke von drei Minuten hatten, stieg ich voll mit ein, da ich der Sache nun eine Chance gab. Ich achtete jedoch darauf, mich gut zu verpflegen und auch nicht zu viel zu machen. Die Gruppe lief gut und wir konnten unseren Vorsprung lange bei zweieinhalb Minuten halten. Es machte Spaß, mal wieder in einer Führungsgruppe zu fahren und nicht nur Passagier im Feld zu sein.
Im Finale wurde unser Vorsprung bedrohlich kleiner und immer weniger Fahrer fuhren noch mit durch die Führung. Bei noch zwanzig verbleibenden Kilometern dachte ich, wir würden es nicht schaffen und fuhr auch nicht mehr mit. Doch unser Vorsprung fiel nicht unter 50 Sekunden und aus dem Augenwinkel sah ich plötzlich jemanden mit einem Drei-Kilometer-Banner in den Händen am Straßenrand stehen, das erste Mal während dieser Rundfahrt und genau im richtigen Moment. Ich kannte zwar das Finale nicht, konnte mir den Weg bis zum Ziel nun aber gut einteilen und mir die richtige Position innerhalb der Gruppe suchen.
Auf einmal ging es scharf links herum bergauf und es wurde heftig attackiert. Ich war überrascht, konnte mich jedoch an einem Hinterrad festbeißen und spürte, dass die Beine noch etwas hergaben. Vorne hatten sich vier Mann leicht abgesetzt, doch ich blieb ruhig und vertraute darauf, dass mein Vordermann das Loch zu fahren würde. Er tat mir auf der ansteigenden, mit vielen Zuschauern gesäumten Zielgeraden den Gefallen und im richtigen Moment eröffnete ich meinen Sprint. Für eine Sekunde dachte ich, sogar gewinnen zu können, aber so viel konnte ich dann doch nicht mehr aus den Beinen herausquetschen.
Als Dritter überquerte ich schließlich den Zielstrich und hatte mich damit ein Stück weit selbst überrascht. Wenn ich an die erste Etappe zurückdenke, hätte ich das nicht für möglich gehalten, aber meine Form war seitdem merklich angestiegen. Außerdem war ich heute ein fast perfektes Rennen gefahren und hatte keinen Fehler gemacht, meiner Erfahrung sei Dank. Bei der Siegerehrung bekam ich einen Pokal, den ich für den Heimflug erstmal auseinander schrauben muss. In der Gesamtwertung bin ich heute noch auf Platz 26 vorgerückt.
Die Gesamtwertung gewonnen hat übrigens ein 48-jähriger Argentinier, Jorge Giacinti, der die Rundfahrt bereits 1998 und 2004 gewonnen hatte. Eine unglaubliche Leistung, aber es ist leider davon auszugehen, dass er nicht sauber ist, so wie einige andere Fahrer hier auch. Es gab hier nicht eine Dopingkontrolle und der Radsport in Südamerika ist nicht gerade als besonders sauber bekannt. Trotzdem muss man die Leistung und Motivation in diesem Alter anerkennen, auch wenn er sicher viel mit Auge und Erfahrung gemacht hat.
Mein Fazit zur Rundfahrt fällt positiv aus, es war vom Niveau her genau das richtige Rennen für den Saisoneinstieg und meine Resozialisierung ins Peloton nach den Ultrarennen letztes Jahr. Es war nicht zu hart, aber ich wurde doch ordentlich gefordert und war ein paar Mal an meinem Limit. Das Drumherum war einfachgehalten aber ausreichend, nur die mangelnde Kommunikation hat genervt, allerdings selber Schuld, wenn man kein Spanisch spricht. Nun lasse ich etwas brasilianische Meeresluft an die Beine und hoffe dann auf gutes Standgas für einen Bikepacking-Trip im Anschluss.
Vamos muchachos
Gez. Sportfreund Radbert
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