Enttäuschung statt Jubel

Jorgenson fehlen 450 Meter zum größten Sieg seiner Karriere

Von Sebastian Lindner

Foto zu dem Text "Jorgenson fehlen 450 Meter zum größten Sieg seiner Karriere"
Der US-Amerikaer Matteo Jorgensen allein am Weg zum Puy de Dome. Seine Solofahrt endete aber 450 Meter vor dem Gipfel | Foto: Cor Vos

09.07.2023  |  (rsn) – Es hätte der größte Erfolg seiner Karriere werden sollen. Matteo Jorgenson (Movistar) war auf dem Weg, seinen ersten Sieg bei der Tour de France einzufahren und auch den ersten für seine Mannschaft, seit Nairo Quintana 2019 auf der 18. Etappe siegte. Einen Kilometer vor dem Ziel betrug sein Vorsprung noch eine gute halbe Minute. Doch das reichte nicht auf den letzten steilen 450 Metern hinauf zum Vulkanberg in der Auvergne. Und so wurde der vermeintlich größte Tag im Profi-Leben des Matteo Jorgenson zur härtesten Niederlage, die der 24-Jährige bisher einzustecken hatte.

Denn den Gipfel des Puy de Dome, der als Bergankunft der 9. Etappe der Tour diente, erreichte Jorgenson nicht mehr als Sieger, auch nicht als Zweiter oder Dritter. Der völlig entkräftete US-Amerikaner wurde noch auf Platz vier durchgereicht. Nicht nur Etappensieger Michael Woods (Israel – PremierTech) überholte ihn noch im bis zu zwölf Prozent steilen Finale, auch seine ehemaligen Fluchtkollegen Pierre Latour (TotalEnergies) und Matej Mohoric (Bahrain – Victorious) zogen in Sichtweite der Ziellinie noch an ihm vorbei.

Bei Kilometer 0 schaffte Jorgenson den Sprung unter die 14 Ausreißer, die den Tag bestimmten und zwischenzeitlich mehr als 16 Minuten Vorsprung auf das Feld herausgefahren hatten. Dass der Sieger aus der Gruppe kommen würde, stand daher schnell fest. “Ich musste meine Hand früh ausspielen, denn in der Gruppe hätte ich berghoch wohl nicht gegen Woods oder (Neilson) Powless mithalten können“, schilderte er seine Situation, weswegen er sich 48 Kilometer vor dem Ende für eine Soloattacke entschied: “Ich musste weg, in einer kleinen Gruppe oder Solo. Letzteres habe ich probiert und gehofft, dass der Vorsprung reicht. Die Minute war aber nicht genug.“

Zuerst riss der Funk ab, dann versagten die Kräfte

Mit diesem Abstand ging Jorgenson auf seine drei ärgsten Verfolger Mohoric, Powless (EF Education – EasyPost) und Mathieu Burgaudeau (TotalEnergies) in den 13,3 Kilometer langen Schlussanstieg. Woods war zu diesem Zeitpunkt noch eine halbe Minute weiter zurück. Noch lange sah es so aus, als könne Jorgenson seine Verfolger auf Abstand halten. 2.000 Meter vor dem Ende hatte sich an den Zeitmarken kaum etwas geändert. Doch davon wusste Jorgenson nichts.

Denn die Teamwagen waren auf den letzten Kilometern des Anstiegs nicht erlaubt, lediglich neutrale Fahrzeuge durften die Fahrer begleiten. Von denen musste Jorgenson schon früher im Rennen Dienste entgegennehmen, als ihm ein Insekt unter den Helm geflattert war und er sich beim Motorrad-Arzt versorgen lassen ließ. Doch das hatte keinen Einfluss auf Jorgensons Einbruch kurz vor dem Ende. Zumindest sagte er nichts davon. Sein Problem war die Stille: “Der Funk hat den ganzen Anstieg nicht geklappt. Der einzige Abstand war der vom Motorrad angezeigte. 35 Sekunden war die letzte Anzeige, die ich einen Kilometer vor Ziel bekam. Ich fühlte mich so leer.“

Zum zweiten Mal steht Jorgensen im Starterfeld der Tour und der US-Amerikaner ist kein Unbekannter. Im letzten Jahr landete er in den Top 20 der Gesatmwertung, sein bestes Ergebnis war ein vierter Tagesrang. Nachdem er am letzten Kilometer einen Vorsprung noch genannt bekam, sah dies 450 Meter später ganz anders aus. Denn Woods war herangeflogen und auch direkt vorbeigezogen, ohne am Hinterrad seines Kontrahenten einen kurzen Halt einzulegen. Stattdessen setzte er noch einen drauf und nahm seinem zwölf Jahre jüngeren Rivalen auf wenigen Metern sofort viel Zeit ab. Zur körperlichen Erschöpfung kam die Demoralisierung. “Als Michael bei mir war, konnte ich nichts mehr machen.“

36 Sekunden brauchte Jorgenson für die letzten 450 Meter mehr als Woods. Latour war kurz darauf der nächste, der vorbeiflog, Mohoric nutzte dafür den Zielsprint. Damit blieb für den Gesamtzweiten der Tour de Romandie, der zu Saisonbeginn mit einer Etappe und der Gesamtwertung der Tour of Oman seine ersten beiden Profi-Siege feierte, lediglich Platz vier. Die Goldene Startnummer für den aktivsten Fahrer der Etappe, die ihm verliehen wurde, bevor die Konkurrenz noch an ihm vorbeizog, dürfte da nur ein sehr kleines Trostpflaster sein.

Mehr Informationen zu diesem Thema

25.06.2024Tour de France im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die Tour de France ist die wichtigste Rundfahrt im internationalen Radsportkalender. Vor der am 29. Juni im italienischen Florenz beginnenden 111. Ausgabe liefern wir einen Überblick über d

11.06.2024Cofidis setzt auf erfahrenes Tour-Team inklusive Geschke

(rsn) – Die französische WorldTour-Mannschaft Cofidis präsentierte am Dienstag die ersten sechs Fahrer ihres Tour-de-France-Kaders in einer Presseaussendung und verkündete dabei auch, dass Simon

10.01.2024“Wir brauchen keine vier Soßen“: Wie Roglic Bora besser macht

(rsn) – Primoz Roglic macht Bora – hansgrohe besser. Das lässt sich schon sagen, bevor der Slowene überhaupt ein einziges Rennen gefahren ist. Während sich das erst Anfang März ändern und Rog

07.10.2023Thomas: “Ineos Grenadiers ist ein Team im Wandel“

(rsn) – Der letzte Tour-de-France-Sieg liegt schon vier Jahre zurück und vor allem daran lässt sich ablesen, dass Ineos Grenadiers längst nicht mehr das beste Grand-Tour-Team der Welt ist. Dennoc

30.07.2023Niewiadoma machte ihre Hausübungen für die Pyrenäen

(rsn) – Als am Col d‘Aspin auf der 7. Etappe der Tour de France Femmes die beiden Favoritinnen Demi Vollering (SD Worx) und Annemiek Van Vleuten (Movistar) erstmals in die Offensive gingen, konnte

27.07.202320 Sekunden Zeitstrafe: Vollering und SD Worx entsetzt

(rsn) – Der Kampf um den Gesamtsieg bei der Tour de France Femmes, er war bislang einer um Sekunden. Lediglich deren acht hatte Demi Vollering (SD Worx) an den ersten vier Tagen mit großem Aufwand

27.07.2023Cofidis erfolgreich, aber Geschke “nicht so gut drauf“

(rsn) – Am Sonntag erwartete Simon Geschke (Cofidis) seine Teamkollegen in Paris zum großen Finale der 110. Tour de France, die er auf der 18. Etappe aufgrund heftiger Magenprobleme verlassen musst

26.07.2023Vingegaard euphorisch in Kopenhagen empfangen

(rsn) – Der Sieger der Tour de France, der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), wurde am Mittwochnachmittag in Kopenhagen von mehreren 10000 Menschen empfangen. Eine große Menge versammelte si

25.07.2023Buchmann zweifelt an seinem Comeback als GC-Fahrer

(rsn) - Für einen Moment war die Hoffnung wieder da. Die Hoffnung darauf, einen Emanuel Buchmann zu sehen, wie er sich im Juli 2019 bei der Tour de France präsentiert und dabei einen sensationellen

24.07.2023Tour-Achter Gall derzeit kein Thema für Bora - hansgrohe

(rsn) – Auch wenn ab August wieder Wechsel verkündet werden dürfen: Bora – hansgrohe und Felix Gall (AG2R - Citroën) werden nicht in einem Satz auftauchen. Nach der starken Vorstellung des Öst

24.07.2023Auch ohne Etappensiege imponieren Bauhaus und Zimmermann

(rsn) – Wie im Vorjahr kein Etappensieg und kein Fahrer in den vordersten Regionen des Klassements: Die Bilanz der nur sieben deutschen Starter bei der 110. Tour de France liest sich auf den ersten

24.07.2023Rückblick: Die 110. Tour de France in Zahlen

(rsn) – Drei hart umkämpfte Wochen, 21 Etappen und insgesamt 3405 Kilometer liegen hinter den Teilnehmern der diesjährigen Tour de France. Radsport-news.com blickt auf die 110. Frankreich-Rundfah

Weitere Radsportnachrichten

30.01.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum RSN-Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über d

29.01.2025Mit Ackermann in Topform das vergangene Jahr bestätigen

(rsn) - Zehn Jahre nach der Gründung blickt man bei Israel – Premier Tech zu Beginn der Saison 2025 auf das bis dato erfolgreichste Jahr der Teamgeschichte zurück. Ende 2024 lag das in Tel Aviv be

29.01.2025Bäckstedt und del Grosso wollen Titel verteidigen, Benz mit Chancen

(rsn) – Sieben Titel werden bei der Cyclocross-Weltmeisterschaft im nordfranzösiaschen Liévin vom 31. Januar bis zum 2. Februar 2025 vergeben. Neben dem Regenbogentrikot bei den Frauen am Samstag

29.01.2025Jan Christen holt sich mit zwei guten ´Moves´ Mallorca-Auftakt

(rsn) – Jan Christen hat dem UAE Team Emirates – XRG den bereits vierten Saisonsieg beschert. Der 20-jährige Schweizer entschied zum Auftakt der fünftägigen Mallorca Challenge nach einem clev

29.01.2025Amstel Gold Race kann mit Polizei-Eskorte stattfinden

(rsn) – Nachdem der Niederländische Radsportverband KNWU bereits letzte Woche mitgeteilt hatte, dass für die vier wichtigsten Radrennen des Landes trotz des am 24. und 25. Juni in Den Haag stattfi

29.01.2025Pidcock mit entschlossenem Bergaufsprint zum ersten Saisonsieg

(rsn) – Tom Pidcock hat schon im zweiten Renneinsatz für sein neues Team Q36.5 erstmals jubeln können. Der 25-jährige Brite entschied die 2. Etappe der 5. AlUla Tour (2.1) über 132,5 Kilometer v

29.01.2025Kann Vas in Liévin die niederländische Serie beenden?

(rsn) – Am Freitag beginnt im französischen Liévin die Cyclocross-WM (31. Januar – 2. Februar). Am Samstag steht mit dem Elite-Rennen der Frauen das erste Highlight auf dem Programm. Bei den let

29.01.2025Nur Wollaston in Torquay schneller als Dygert

(rsn) – Chloe Dygert hat nur knapp den zweiten Saisonsieg des deutschen Teams Canyon – SRAM zondacrypto verpasst. Die zweimalige Zeitfahrweltmeisterin aus den USA musste sich bei der Premiere der

29.01.2025Es wird mal wieder eine schwere Saison

(rsn) - Das Team XDS - Astana startet mit neuem Sponsor, einer im Profigeschäft noch unbekannten Radmarke und einem runderneuerten Kader in eine Saison, in der die WorldTour-Lizenz auf dem Spiel steh

29.01.2025Cadel Evans Women`s Race im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(ran) - Nachdem mit der Santos Women`s Tour Down Under bereits der Auftakt der Women`s World Tour in Australien stattgefunden hat, folgt mit dem Cadel Evans Great Ocean Road Race auch das erste Einta

28.01.2025Van Aert scheitert mit seiner Berufung

(rsn) – Der belgische Kassationshof bestätigte in dieser Woche das Urteil des Arbeitsgerichtsprozesses zwischen Wout van Aert und seinem vormaligen Team Sniper Cycling. 2018 fuhr der Belgier für d

28.01.2025UEC-Präsident Della Casa tritt zur Wiederwahl an

(rsn) - 2025 endet die erste Amtszeit von Enrico della Casa als Präsident des Europäischen Radsportverbandes UEC. In einer E-Mail kündigte der Italiener nun seine Kandidatur für eine zweite Wah

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Surf Coast Classic - Men (1.1, AUS)
  • AlUla Tour (2.1, 000)
  • Trofeo Felanitx - Ses Salines (1.1, ESP)