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09.07.2023 | (rsn) – Es hätte der größte Erfolg seiner Karriere werden sollen. Matteo Jorgenson (Movistar) war auf dem Weg, seinen ersten Sieg bei der Tour de France einzufahren und auch den ersten für seine Mannschaft, seit Nairo Quintana 2019 auf der 18. Etappe siegte. Einen Kilometer vor dem Ziel betrug sein Vorsprung noch eine gute halbe Minute. Doch das reichte nicht auf den letzten steilen 450 Metern hinauf zum Vulkanberg in der Auvergne. Und so wurde der vermeintlich größte Tag im Profi-Leben des Matteo Jorgenson zur härtesten Niederlage, die der 24-Jährige bisher einzustecken hatte.
Denn den Gipfel des Puy de Dome, der als Bergankunft der 9. Etappe der Tour diente, erreichte Jorgenson nicht mehr als Sieger, auch nicht als Zweiter oder Dritter. Der völlig entkräftete US-Amerikaner wurde noch auf Platz vier durchgereicht. Nicht nur Etappensieger Michael Woods (Israel – PremierTech) überholte ihn noch im bis zu zwölf Prozent steilen Finale, auch seine ehemaligen Fluchtkollegen Pierre Latour (TotalEnergies) und Matej Mohoric (Bahrain – Victorious) zogen in Sichtweite der Ziellinie noch an ihm vorbei.
Bei Kilometer 0 schaffte Jorgenson den Sprung unter die 14 Ausreißer, die den Tag bestimmten und zwischenzeitlich mehr als 16 Minuten Vorsprung auf das Feld herausgefahren hatten. Dass der Sieger aus der Gruppe kommen würde, stand daher schnell fest. “Ich musste meine Hand früh ausspielen, denn in der Gruppe hätte ich berghoch wohl nicht gegen Woods oder (Neilson) Powless mithalten können“, schilderte er seine Situation, weswegen er sich 48 Kilometer vor dem Ende für eine Soloattacke entschied: “Ich musste weg, in einer kleinen Gruppe oder Solo. Letzteres habe ich probiert und gehofft, dass der Vorsprung reicht. Die Minute war aber nicht genug.“
Mit diesem Abstand ging Jorgenson auf seine drei ärgsten Verfolger Mohoric, Powless (EF Education – EasyPost) und Mathieu Burgaudeau (TotalEnergies) in den 13,3 Kilometer langen Schlussanstieg. Woods war zu diesem Zeitpunkt noch eine halbe Minute weiter zurück. Noch lange sah es so aus, als könne Jorgenson seine Verfolger auf Abstand halten. 2.000 Meter vor dem Ende hatte sich an den Zeitmarken kaum etwas geändert. Doch davon wusste Jorgenson nichts.
Denn die Teamwagen waren auf den letzten Kilometern des Anstiegs nicht erlaubt, lediglich neutrale Fahrzeuge durften die Fahrer begleiten. Von denen musste Jorgenson schon früher im Rennen Dienste entgegennehmen, als ihm ein Insekt unter den Helm geflattert war und er sich beim Motorrad-Arzt versorgen lassen ließ. Doch das hatte keinen Einfluss auf Jorgensons Einbruch kurz vor dem Ende. Zumindest sagte er nichts davon. Sein Problem war die Stille: “Der Funk hat den ganzen Anstieg nicht geklappt. Der einzige Abstand war der vom Motorrad angezeigte. 35 Sekunden war die letzte Anzeige, die ich einen Kilometer vor Ziel bekam. Ich fühlte mich so leer.“
Zum zweiten Mal steht Jorgensen im Starterfeld der Tour und der US-Amerikaner ist kein Unbekannter. Im letzten Jahr landete er in den Top 20 der Gesatmwertung, sein bestes Ergebnis war ein vierter Tagesrang. Nachdem er am letzten Kilometer einen Vorsprung noch genannt bekam, sah dies 450 Meter später ganz anders aus. Denn Woods war herangeflogen und auch direkt vorbeigezogen, ohne am Hinterrad seines Kontrahenten einen kurzen Halt einzulegen. Stattdessen setzte er noch einen drauf und nahm seinem zwölf Jahre jüngeren Rivalen auf wenigen Metern sofort viel Zeit ab. Zur körperlichen Erschöpfung kam die Demoralisierung. “Als Michael bei mir war, konnte ich nichts mehr machen.“
36 Sekunden brauchte Jorgenson für die letzten 450 Meter mehr als Woods. Latour war kurz darauf der nächste, der vorbeiflog, Mohoric nutzte dafür den Zielsprint. Damit blieb für den Gesamtzweiten der Tour de Romandie, der zu Saisonbeginn mit einer Etappe und der Gesamtwertung der Tour of Oman seine ersten beiden Profi-Siege feierte, lediglich Platz vier. Die Goldene Startnummer für den aktivsten Fahrer der Etappe, die ihm verliehen wurde, bevor die Konkurrenz noch an ihm vorbeizog, dürfte da nur ein sehr kleines Trostpflaster sein.
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