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13.01.2014 | (rsn) - Der Himmel strahlte blau, die Fans waren zahlreich an die Strecke gepilgert und bekamen ein erstklassig besetztes Starterfeld zu sehen - eigentlich beste Voraussetzungen für wunderschöne Deutsche Cross-Meisterschaften. Und als unbedarfter Zuschauer konnte man die Sportplätze des ASGV Döhlau am Sonntagabend auch mit diesem Gefühl verlassen haben: Es war ein gelungener Ausflug mit viel Action und reichlich Spannung.
Auch die Fahrer jubelten bei der Siegerehrung, wirkten zufrieden. Niemand wollte Veranstalter Jiri Kral und sein aufopferungsvolles Team oder den Bund Deutscher Radfahrer kritisieren - schließlich war doch fast alles gut gewesen im Oberfränkischen. „Die Fans waren toll“, lobten die Sieger Hanka Kupfernagel (Maxx-Solar) und Philipp Walsleben (BKCP-Powerplus) unisono und sprachen vor großem Publikum keine negativen Worte.
Kupfernagel schaffte es sogar, das Problemkind des Tages zum Comedy-Star zu machen: „Die Abfahrt hinten über das Feld war so fies, da musste man richtig wütend sein, um gut drüberzukommen. Und ich war mit jeder Runde wütender auf den Streckenabschnitt“, sagte sie lachend und sorgte für Applaus bei den Zuschauern.
Doch das, was die 39-Jährige auf großer Bühne noch spaßig formulierte, brannte einem Großteil des Fahrerfeldes unter den Nägeln. Das wurde deutlich, als radsport-news.com die Protagonisten im Zwiegespräch befragte. Denn die lange Abfahrt auf einem Acker, der am Samstag bei den Rennen der Senioren und der U23-Klasse noch tief matschig, über Nacht dann aber samt seiner tiefen Spurrillen zugefroren war und am Morgen durch die Sonne eine leicht angetaute schmierige Oberfläche auf steinhartem Grund bekam, gefiel so gut wie niemandem.
Christoph Pfingsten (De Rijke) etwa hatte sich schon vor dem Start erkundigt, ob man die Strecke nicht kurzfristig ändern oder die Fahrspur wenigstens hätte verlegen können. Das aber ging nicht, sei zu teuer und würde die Besitzer des Bodens zu stark belasten hieß es von Seiten der Rennkommission - einleuchtende Argumente, aber keine, die wirklich zufriedenstellend waren, wenn man mit dem Cross-Rad im Renntempo dort hinunter musste.
BDR-Leistungssportdirektor Patrick Moster erklärte radsport-news.com später: „Das in der kurzen Zeit umzuplanen, wäre gar nicht möglich gewesen, zumal ich es nicht als zwingend notwendig erachtet hätte.“
Die Strecke sei am Donnerstag abgenommen und für meisterschaftstauglich befunden worden. „Sie sollte gewisse Schwierigkeitsgrade haben“, erklärte Moster. „Man kann sicher darüber diskutieren, aber 14 Tage vor dem Rennen wurde in einigen Communities noch gesagt, dass sie zu leicht sei.“
Doch die Fahrer sahen das anders. „Ich weiß nicht, wie man sowas zur Deutschen Meisterschaft machen kann. Die Abfahrt war ziemlich riskant“, beklagte der Drittplatzierte Sascha Weber (Differdange) nach dem Rennen. „Ich meine: Die ersten Drei fahren fast nur dieses Rennen in Deutschland, und dann kommen wir auf so eine Abfahrt mit tausend gefrorenen Spurrillen. Für uns geht es ja nicht nur um dieses Rennen, wir müssen auch gesund bleiben.“
Und auch Kupfernagel klang später nachdenklicher. „Ich weiß nicht, ob man so eine Passage einbauen muss. Mir hat es zwar gut getan, aber gerade Trixi (Worrack, d. Red.) hat vor dem Rennen gesagt: ‚Das ist lebensgefährlich, da runter‘. Und das ist auch gefährlich, gerade wenn man nicht weiß, wie man es technisch machen muss und nicht mit dem richtigen Druck fährt“, erklärte die erfahrene Crosserin, die mit der Acker-Abfahrt von allen Frauen mit Abstand am besten zurecht kam, dort aber trotzdem einmal stürzte.
„Es wird immer wieder Stürze geben. Aber ernsthafte Verletzungen, wie sie im Mountainbike ja Gang und Gäbe sind, wo es regelmäßig zu Schlüsselbein- oder anderen Knochenbrüchen kommt, die gab es nicht“, beschwichtigte nun Moster. Tatsächlich waren zwar viele Fahrer und Fahrerinnen zu Boden gegangen, ernsthafter verletzt hatte sich aber niemand - vielleicht auch, weil viele es schon am Sonntag so machten, wie Moster es am Montag formulierte: „Wenn jemand meint, es sei zu gefährlich, hat er immer die Möglichkeit zu laufen.“
Wenn man nur Walsleben zugesehen hat, versteht man nicht, wo das Problem lag. Der Titelverteidiger nämlich rauschte Runde um Runde ziemlich problemlos über den gefrorenen Acker. „Mir ist nichts passiert, aber ich bin vielleicht auch einer der besseren Techniker, wenn ich das so unbescheiden sagen darf“, erklärte der Deutsche Meister 2014. „Und auch wenn ich einen Vorteil dadurch hatte: Es ist eben immer auch Glück dabei. Und wenn ich das nicht gehabt hätte, dann hätte ich auch dort gelegen.“
Dass das Schicksal auf dem Acker eine Rolle spielte, betonte auch Kupfernagel. „Es war einfach Glückssache, die richtige Linie zu treffen. Ich habe auch noch nie erlebt, dass es eine so lange Passage dieser Art gab. Wenn das nur ein kurzes Stück gewesen wäre, hätte das ausgereicht“, so die Siegerin weiter. Ihre Verfolgerin Elisabeth Brandau (EBE Racing Team) hatte vor allem mental mit der Passage zu kämpfen. „Da kam es auf den Kopf an. Man musste einfach richtig reinhalten können, und das habe ich mich am Anfang einfach nicht richtig getraut“, sagte sie.
Marcel Meisen (Kwadro-Stannah), der Zweitplatzierte des Männer-Rennens, suchte den Fehler bei sich. „In der Abfahrt brauchte man etwas Risiko und etwas Glück - Geschwindigkeit bringt Sicherheit, und vielleicht bin ich da einfach nicht schnell genug gefahren“, sagte der 25-Jährige lachend.
Walsleben vergaß aber auch nicht, lobend anzufügen, dass „die Strecke an sich gut“ gewesen sei. „Sie war schön kompakt, die Zuschauer konnten gut hin und her laufen.“ Den Fahrern gefiel die Mischung aus Asphalt, Gelände, technischen Schwierigkeiten und Hindernissen - nur eben diese Abfahrt war ihnen ein Dorn im Auge. „Man kann ja nichts dafür, wenn es friert“, zeigte Walsleben Verständnis. Doch eine Reaktion auf das Wetter wäre eben wünschenswert gewesen.
„Die Abfahrt war zu gefährlich. Entscheidungen zugunsten der Fahrer werden irgendwie nicht gefällt. Wenn ich von der UCI oder vom BDR wäre, hätte ich gesagt: Da fährt keiner rüber“, so Walsleben, der im Gespräch mit radsport-news.com kurz ver Abfahrt in Richtung Heimat froh war, die Kritik nach der zuvor niemand gefragt hatte, doch noch loswerden zu können.
„Ich hatte gestern überlegt, ob ich Walter Röseler anrufe und sage, dass die Abfahrt platt gemacht werden muss. Aber dann habe ich gehört, dass darüber sowieso schon nachgedacht wird. Also dachte ich: Okay, dann ist ja gut, dann machen sie das - weil wir im letzten Jahr das gleiche Problem hatten“, erklärte der 26-Jährige. Er hätte zum Telefon greifen sollen, denn seine Hoffnung erfüllte sich nicht.
„Wenn frühzeitig Bedenken angemeldet werden, würden wir darauf sicherlich auch eingehen“, erklärte Moster. „Aber vor dem Rennen ist weder Walsleben noch Meisen oder Weber gekommen und hat gesagt, dass es gefährlich sei.“
Sieger Walsleben störte sich allerdings nicht nur an der Abfahrt. Ihm missfiel auch, dass sein Bruder Max (Team Stuttgart) disqualifiziert wurde, weil er das Depot durchfahren hatte, ohne sein Rad zu wechseln. „Es waren zu wenige Kärcher-Anlagen da, um die Räder sauber zu machen. Dann hatte er kein Rad“, erklärte er das Malheur seines Bruders, bei dem er sich von der Jury mehr Fingerspitzengefühl gewünscht hätte. „Ich finde, wenn man bei der 80-Prozent-Regel Ausnahmen macht, dann kann man auch im Depot eine Ausnahme machen und sagen: ‚Komm, fahr weiter, Du hast eh schon genug Zeit verloren‘.“
Allerdings hatte der BDR direkt vor dem Start bei der Fahrerbesprechung ausdrücklich auf die neue UCI-Regel hingewiesen, nach der eine Depot-Durchfahrt ohne Rad-Wechsel zur Disqualifikation führen werde. Nach dieser Ankündigung hätte sich die Jury unglaubwürdig gemacht, wenn sie die Regel dann nicht auch strikt angewendet hätte. „Die Regel ist seit 1. Januar in Kraft und wir wurden von der UCI darauf aufmerksam gemacht, dass sie unbedingt anzuwenden ist“, erklärte Moster, dass man gar keine Wahl hatte, als den jungen Walsleben auszuschließen - auch wenn es ihm für ihn Leid tat.
Doch Philipp Walsleben fiel noch ein weiteres Thema ein: „Der Start: Es ging glimpflich ab, aber es wäre sicherer gewesen, links hoch zu fahren“, so der Titelverteidiger. Ursprünglich hatte Veranstalter Jiri Kral geplant, knapp 200 Meter nach dem Start eine 90-Grad-Linkskurve in den langen Asphaltanstieg einzubauen, anstatt vorher eine kleine, enge Schleife durchs Gelände zu drehen.
Doch das entsprach nicht dem Regelwerk, das keine 90-Grad-Kurven direkt nach dem Start erlaubt. Deshalb musste es erst gemäß des normalen Rundenverlaufs ins Gelände gehen. „Das war nach dem Start gefährlicher, als eine weit geschnittene 90-Grad-Kurve in den langen Anstieg hinein zu wählen“, fand Walsleben.
Doch Moster erklärte, dass nicht nur die Regeln verantwortlich für die Streckenführung an dieser Stelle waren. „Am Donnerstag bei der Streckenabnahme wurde entschieden, ins Gelände zu fahren. Diese Entscheidung muss man bei diesen Temperaturen als richtig ansehen, weil die Straßen glatt waren. Wir denken es war sicherer, rechts entlang zu fahren“, entkräftete der Leistungssportdirektor die Vorwürfe, der BDR zu starr in seiner Regelauslegung. Auch in diesem Fall sah er sich dadurch bestätigt, dass es auf der gewählten Streckenführung nach dem Start zu keinem Sturz gekommen war.
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