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22.10.2020 | (rsn) - Neun Jahre ist es her, dass Daniel Martin in der Sierra de Béjar am Schlussanstieg von La Covatilla knapp 200 Meter vor dem Zielstrich beschleunigte und seine Spritzigkeit in steilen Rampen ausspielte, um sich den ersten Grand-Tour-Tagessieg seiner Karriere zu sichern - auf der 9. Etappe der Vuelta a Espana 2011, einer Rundfahrt, die damals Juan José Cobo gewann und deren Gesamtsieger aufgrund der Dopingvergehen des Spaniers mittlerweile Chris Froome heißt.
Die Vuelta 2011 markiert gleichermaßen den ersten Grand-Tour-Etappensieg von Martin und den ersten Grand-Tour-Gesamtsieg von Froome. Neun Jahre später sind beide wieder in Spanien unterwegs, doch während Martin am Donnerstag an den Schwarzen Seen von Vinuesa wieder knapp 200 Meter vor dem Zielstrich beschleunigte und seine Spritzigkeit in steilen Rampen ausspielte, um die 3. Etappe der 75. Spanien-Rundfahrt zu gewinnen, wird Froome das Rote Trikot des Vuelta-Führenden in diesem Jahr mit Sicherheit nicht mehr überstreifen.
Der 35-Jährige Brite ist ganz offensichtlich noch immer in der Wiederaufbau-Phase nach seinem Horror-Unfall im Training zum Zeitfahren des Critérium du Dauphiné 2019 und agiert bei der Vuelta 2020 lediglich als Helfer für Richard Carapaz.
Dennoch ist die Bedeutung des Briten Froome für den Iren Martin - und umgekehrt - momentan so groß wie nie. Denn ab Januar sind die beiden Teamkollegen. Sie sollen dann die Kapitäne des Teams Israel Start-Up Nation werden und voraussichtlich im kommenden Juli gemeinsam bei der Tour de France antreten.
Dan Martin 2021: Froomes Edelhelfer oder mehr?
Bis dato schien klar: Froome wird 2021 die Nummer eins der Israelis sein. Der in Kenia aufgewachsene Brite ist der große Star, der Mann, den die Teameigner Sylvan Adams und Ron Baron mit einem Multi-Millionen-Gehalt angelockt haben und mit dessen Palmares sie im kommenden Jahr angeben können. Doch die Vuelta 2020 suggeriert nach drei Tagen bereits: Martin dürfte eine nicht allzu schlechte Alternative werden.
Dass er seinen Arbeitgebern knapp zwei Wochen nach Alex Dowsetts überraschendem Triumph auf der 8. Etappe des Giro d'Italia den zweiten Grand-Tour-Etappensieg der Teamgeschichte beschert hat, dürften sich die Verantwortlichen bei ISN merken. Und wenn die Vuelta für ihn so weiterläuft wie bisher, könnte sie zum besten Bewerbungsschreiben des Iren auf mehr als nur die Edelhelfer-Rolle für Froome 2021 werden.
"Ich wollte hier einfach wirklich eine Etappe für das Team gewinnen, weil sie so gut zu mir sind. Die Sponsoren haben uns alle durch Covid hindurch unterstützt - Sylvan Adams und Ron Baron, die Eigentümer, da gab es keine Gehaltskürzungen oder irgend so etwas", sagte Martin nun in Vinuesa nach seinem Etappensieg. "Wir waren während des Lockdowns alle sehr motiviert, hart zu trainieren. Leider konnte ich bei der Tour wegen der Verletzung keine Etappe gewinnen, aber umso mehr wollte ich diesen Sieg heute."
Klappt es endlich mit dem Grand-Tour-Podium?
Mehr als zwei Jahre nach seinem letzten Sieg - immerhin eine Tour de France-Etappe an der Mur de Bretagne - war der Erfolg in Vinuesa jedenfalls der endgültige Beweis dafür, dass der Neffe von Stephen Roche es trotz aller Rückschläge der letzten Jahre noch immer drauf hat. Immerhin schlug er im Bergaufsprint Primoz Roglic (Jumbo - Visma) und Richard Carapaz (Ineos Grenadiers), die zwei bei solchen Ankünften derzeit neben Tour-Sieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) wohl besten Fahrer der Welt. Deutlich geworden war Martins Top-Form allerdings auch auf den ersten beiden Etappen bereits, als er jeweils Tagesdritter wurde.
Dabei war der Sommer verkorkst. Martin stürzte, wie so viele, beim Critérium du Dauphiné schwer, zog sich eine Kreuzbeinfraktur zu und schleppte sich angeschlagen trotzdem zur Tour de France. Die fuhr der Ire sogar durch, obwohl er noch sehr unter der Verletzung litt. Nicht erst seitdem gilt er als extrem leidensfähiger und zäher Fahrer.
Fürs Team zählt: Am Ende des ersten WT-Jahres kommen große Siege
Der in Andorra lebende Vater von Zwillingen wird seit Jahren immer wieder als Kandidat fürs Podium bei großen Rundfahrten gehandelt, wurde aber stets vom Pech gestoppt. Bestes Grand-Tour-Resultat ist daher Gesamtrang sechs bei der Tour de France 2017. Klar: Die Vuelta ist noch lang, aber die ersten drei Tage deuteten an, dass Martin diese Marke in diesem Herbst noch verbessern und damit die angedachte Hierarchie der Israel Start-Up Nation 2021 ins Wanken bringen könnte.
Dem Team aber dürfte das nun, Ende Oktober 2020, völlig egal sein. Für Adams, Baron und auch Team-Manager Kjell Carlström zählt zunächst nur das Hier und Jetzt - und damit die Tatsache, dass Israel Start-Up Nation ein Jahr, nachdem in letzter Sekunde die Übernahme der WorldTour-Lizenz von Katusha - Alpecin gelang, endlich auch bei großen Rundfahrten glänzt.
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