Paris-Nizza: Schachmann 13. im Zeitfahren

Bissegger sucht seinen Platz im Peloton und findet Gelbes Trikot

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Bissegger sucht seinen Platz im Peloton und findet Gelbes Trikot"
Stefan Bissegger (EF Education - Nippo) strahlt unter der Maske im Gelben Trikot von Paris-Nizza. | Foto: Cor Vos

09.03.2021  |  (rsn) – Bis zur allerletzten Pedalumdrehung gab Stefan Bissegger (EF Education – Nippo) alles. Der 22-jährige Schweizer zerriss seine Zeitfahrmaschine unter sich förmlich, als er sich die ansteigenden 300 Schlussmeter des 14,4 Kilometer langen Einzelzeitfahrens von Paris-Nizza im 15.000-Einwohner-Örtchen Gien an der Loire hinaufquälte. Er drückte und zog und überquerte den Zielstrich schließlich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Doch es hatte sich gelohnt: Um 0,83 Sekunden unterbot Bissegger die Bestzeit des Französischen Zeitfahrmeisters Rémi Cavagna (Deceuninck – Quick-Step) und sicherte sich so – das sollte er erst eine halbe Stunde später genau wissen – seinen ersten Profi-Sieg.

Dass das gleich ein WorldTour-Tageserfolg sein sollte, der ihm gleichzeitig das Gelbe Trikot einer Traditionsfernfahrt wie Paris-Nizza bescheren würde, das hätte er vor einigen Monaten wohl kaum zu träumen gewagt.

"Dieser Sieg bedeutet mir sehr viel. Darauf habe ich lange hingearbeitet. Es ist erst das zweite große Etappenrennen meiner Karriere und ich führe schon das Klassement an. Das fühlt sich toll an", freute sich der Schweizer im ersten Sieger-Interview seiner Profi-Karriere. "Ich bin noch ziemlich jung und muss noch meinen Platz im Peloton finden. In diesem Zeitfahren habe ich aber gezeigt, dass man mich auf dem Zettel haben muss."

"Zeitfahren wie dieses sind genau mein Ding"

Genau genommen hatte Bissegger das schon vor einigen Wochen klargestellt, als er im Kampf gegen die Uhr bei der UAE Tour nur durch Zeitfahr-Weltmeister Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) geschlagen werden konnte. "Zeitfahren wie dieses sind genau mein Ding. Da kommen mir auch meine Bahnqualitäten zu Gute", sagte er nun in Frankreich. Sowohl in den Emiraten, als auch hier handelte es sich um eine Belastung von rund einer Viertelstunde.

"Es ist toll, endlich zeigen zu können, wozu ich in der Lage bin", so Bissegger weiter, dem auch der Kurs entgegen kam – mit einigen technischen Stücken und Kurven, aber auch langen Drückerpassagen.

Schachmann 13., Großschartner 22.

Hinter Bissegger und dem knapp geschlagenen Cavagna belegte Primoz Roglic (Jumbo – Visma) mit sechs Sekunden Rückstand den dritten Platz – und liegt nun mit demselben Rückstand auch auf Rang drei der Gesamtwertung. Damit hält der Slowene die Pole Position im Kampf um den Gesamtsieg angesichts der anstehenden Bergetappen, auf denen es sowohl Bissegger als auch Cavagna schwer haben dürften. Drei Sekunden hinter Roglic folgte am Dienstag und auch in der Gesamtwertung der US-Amerikaner Brandon McNulty (UAE Team Emirates). Ex-Zeitfahrweltmeister Rohan Dennis (Ineos Grenadiers), der früh gestartet war und entsprechend lange geführt hatte, wurde hinter dem Dänen Sören Kragh Andersen (DSM / + 0:10) mit 13 Sekunden Rückstand auf Bissegger Tagessechster.

Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe / + 0:22) fuhr als Paris-Nizza-Titelverteidiger auf den 13. Rang im Zeitfahren und liegt somit auch in der Gesamtwertung weiterhin aussichtsreich für eine Spitzenplatzierung – genau wie sein österreichischer Teamkollege Felix Großschartner (+ 0:27), der das Zeitfahren etwas zu schnell angegangen war.

Erstmals seit fast anderthalb Jahren in einem Einzelzeitfahren auf Ergebnis gefahren ist am Dienstag offenbar auch Tony Martin (Jumbo – Visma) mal wieder. Der mehrfache Weltmeister wurde mit 27 Sekunden Rückstand auf Bissegger auf dem für seine Vorlieben zu kurzen Zeitfahrkurs 24., Max Walscheid (Qhubeka – Assos) kam zwei Sekunden dahinter auf den 25. Rang. Matthias Brändle (Israel Start-Up Nation / + 0:30) wurde 26., während Nils Politt (Bora – hansgrohe / + 0:41) sich mit Platz 37 zufriedengeben musste.

So lief das Rennen:

Als neunter Fahrer von der Startrampe gerollt, setzte Jonas Rutsch (EF Education – Nippo) den ersten Richtwert in 18:31 Minuten. Doch der Odenwälder war nur vier Minuten lang Schnellster, denn schon dann kam Ex-Weltmeister Rohan Dennis (Ineos Grenadiers) dem Ziel entgegen gedonnert und unterbot Rutsch um ganze 43 Sekunden. Der Australier wurde seiner Favoritenrolle gerecht und setzte in 17:47 Minuten eine Zeit, an der sich lange Zeit alle die Zähne ausbissen.

Tony Martin (Jumbo – Visma), der erstmals seit den Weltmeisterschaften in Harrogate vor anderthalb Jahren in einem Einzelzeitfahren wieder auf Ergebnis zu fahren schien, scheiterte um 13 Sekunden. Nah heran kam dagegen Dennis' niederländischer Teamkollege Dylan van Baarle, der nur um Sekundenbruchteile scheiterte. Patrick Bevin (Israel Start-Up Nation) aus Neuseeland kam auf drei Sekunden an Dennis heran und der Niederländer Steven Kruijswijk (Jumbo – Visma) fehlten sechs Sekunden. Damit war er lange Zeit der Beste unter den potentiellen Gesamtsiegern und Bergfahrern.

Giro d'Italia-Sieger Tao Geoghegan Hart (Ineos Grenadiers) hingegen verlor 31 Sekunden auf Teamkollege Dennis, bevor dann Titelverteidiger Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) auf die Strecke ging. Der Deutsche lag an der Zwischenzeit bereits 13 Sekunden zurück, hatte sich seine Kraft aber stark eingeteilt und holte in der zweiten Rennhälfte sogar noch auf, so dass er am Ende nur acht Sekunden langsamer war als der Ex-Weltmeister.

Eine neue Bestzeit nach der anderen

Unterdessen war aber auch der Däne Sören Kragh Andersen (DSM) auf die Strecke gegangen. Er war auf den ersten sieben Kilometern bereits zwei Sekunden schneller als Dennis und hielt seinen Vorsprung bis zum Zielstrich. Dort unterbot er die Zeit des Australiers um 2,69 Sekunden, obwohl Andersen bei der steil ansteigenden Ankunft schon 15 Meter vor dem Zielstrich aufhörte, in die Pedale zu treten. Offensichtlich hatte er die Linie nicht gesehen.

Stunden-Weltrekordhalter Victor Campenaerts (Qhubeka Assos) lag an der Zwischenzeit dann zwar sieben Sekunden zurück, doch Vuelta-Sieger Primoz Roglic (Jumbo – Visma) kam Andersen sehr nah. Der Slowene hatte zur Halbzeit nur 1,2 Sekunden Rückstand auf den bis dato Schnellsten, wurde bald aber sogar von Remi Cavagna (Deceuninck – Quick-Step) unterboten, der nach sieben Kilometern die neue Bestzeit mit drei Sekunden Vorsprung auf Andersen aufstellte.

Bissegger rauscht zur Bestzeit

Während Campenaerts im Anstieg zur Ziellinie viel Boden verlor und schließlich 22 Sekunden hinter Andersen lag, glänzte Felix Großschartner (Bora – hansgrohe) in der flachen ersten Rennhälfte. Der Österreicher war dort nur sieben Sekunden langsamer als Cavagna, verlor in der zweiten Rennhälfte deutlich.

Nun überschlugen sich die Ereignisse: Beinahe zeitgleich passierten Roglic das Ziel und der Schweizer Stefan Bissegger (EF Education – Nippo) die Zwischenzeit-Marke bei Kilometer jeweils mit neuen Bestzeiten. Roglic war im Ziel vier Sekunden schneller als Andersen, aber Bissegger bei Kilometer sieben seinerseits sieben Sekunden schneller als Roglic und drei als Cavagna, der kurz darauf mit 5,8 Sekunden Vorsprung auf den Slowenen auch im Ziel die Führung übernahm.

Und dann wurde es spannend. Bissegger kam um die letzte Kurve und die Uhr tickte herunter, doch der Schweizer zog bis zur Linie voll durch und rettete schließlich trotz der steilen Schlussrampe 0,83 Sekunden Vorsprung auf Cavagna über den Zielstrich. Der Sieg? Nun begann das Warten auf nur noch wenige gefährliche Zeitfahrer.

McNulty verliert im Finale

Brandon McNulty (UAE Team Emirates) verpasste Bisseggers Zwischen-Bestzeit zwar um nur drei Sekunden, doch der US-Amerikaner konnte sein Tempo nicht ganz bis zum Schluss halten und kam mit neun Sekunden Rückstand auf den Schweizer ins Ziel. Christophe Laporte (Cofidis) fuhr eine starke Zeit und war genauso schnell wie Ex-Weltmeister Dennis, doch zu Bissegger fehlten damit eben auch beinahe 14 Sekunden – Platz sieben zwischenzeitlich.

Nils Politt (Bora – hansgrohe) scheiterte um 41 Sekunden an Bissegger, Yves Lampaert (Deceuninck – Quick-Step) um 16 und Florian Vermeersch (Lotto Soudal) im Weißen Trikot um 32, besser wurden die Zeiten der letzten Starter nicht mehr.

Da auch Ex-Straßen-Weltmeister Mads Pedersen (Trek – Segafredo) als bis dahin Gesamtzweiter und letzter gefährlicher Kontrahent im Ziel 22 Rückstand auf den Schweizer hatte, reichte es für Bissegger schließlich nicht nur für den Tagessieg, sondern auch den Sprung ins Gelbe Trikot.

Mehr Informationen zu diesem Thema

16.03.2021Geschke arbeitete für Laporte, nicht für Schachmann

(rsn) - Als erfahrenen Tour-de-France-Helfer für Guillaume Martin hat die französische Cofidis-Equipe zur Saison 2021 Simon Geschke verpflichtet. Beim ersten gemeinsamen Einsatz mit dem Franzosen b

15.03.2021Schachmann: “Roglic hätte den Sieg genauso verdient wie ich“

(rsn) - Nur weil Spitzenreiter Primoz Roglic (Jumbo - Visma) auf der Schlussetappe stürzte, konnte Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) zum zweiten Mal in Folge Paris-Nizza gewinnen. Deshalb ware

15.03.2021Schachmann war zur Stelle, als Roglic patzte

(rsn) - Bis rund 25 Kilometer vor dem Ziel der Schlussetappe von Paris-Nizza verlief der Saisoneinstieg für Primoz Roglic (Jumbo – Visma) perfekt: Der Slowene stand nach drei Etappensiegen und üb

14.03.2021Nach zwei Stürzen erlebt Roglic bitteres Déjà Vu

(rsn) - Es ist ihm wieder passiert! Vor gut einem halben Jahr wähnte sich Primoz Roglic (Jumbo – Visma) bereits als Sieger der Tour de France. Mit 57 Sekunden Vorsprung auf den zweitplatzierten Tad

14.03.2021Die Schlussetappe wirbelt Paris-Nizza durcheinander

(rsn) - Auf der Schlussetappe von Paris-Nizza überschlugen sich die Ereignisse: Der Gesamtführende Primoz Roglic (Jumbo-Visma) stürzte zweimal und verlor den Kontakt zum Feld. Plötzlich übernahm

14.03.2021Schachmann nimmt am letzten Tag Roglic Gelb noch ab

(rsn) - Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) hat auf der Schlussetappe des 79. Paris-Nizza das schier Unmögliche geschafft und Primoz Roglic (Jumbo - Visma) das Gelbe Trikot noch abgenommen. Der

14.03.2021Mäder trennten nur 20 Meter vom ganz großen Glück

(rsn) - Schon bei der vergangenen Vuelta a Espana imponierte Gino Mäder bei einer Bergankunft und musste sich am Ende der 17. Etappe am Alto de la Covatilla nur David Gaudu (Groupama - FDJ) geschlage

14.03.2021Die Renneinsätze der Fahrer aus deutschsprachigen Ländern

(rsn) - Die Radsportsaison 2021 nimmt trotz der Corona-Pandemie an Fahrt auf, auch die deutschsprachigen Fahrer sind bereits wieder im Einsatz. Wir liefern Ihnen einen wöchentlichen Überblick über

14.03.2021Vorschau auf die Rennen des Tages / 14. März

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

13.03.2021Geschlagener Schachmann bestätigt seinen Vorjahressieg

(rsn) - Zwar muss Bora - hansgrohe weiter auf den ersten Sieg in dieser Saison warten, doch nach der Königsetappe von Paris-Nizza herrschte beim deutschen WorldTour-Rennstall allgemeine Freude. Mit e

13.03.2021Unerbittlicher Roglic zerstört Mäders und Schachmanns Träume

(rsn) - Auch in La Colmiane kannte Primoz Roglic (Jumbo - Visma) keine Gnade und sichert sich seinen dritten Etappensieg beim 79. Paris-Nizza. Auf den letzten Metern der 119 Kilometer langen Königset

13.03.2021Roglic fängt auf Königsetappe Mäder noch ab,Schachmann Dritter

(rsn) - Primoz Roglic (Jumbo - Visma) hat bei Paris-Nizza seinen dritten Tagessieg geholt und seinen Vorsprung im Gesamtklassement weiter ausgebaut. Der 31-jährige Slowene entschied die auf 119,5 Kil

Weitere Radsportnachrichten

05.11.2024Vollerings neues Team hat langfristige Planungssicherheit

(rsn) - Die Equipe FDJ - Suez kann langfristig planen. Wie der ambitionierte französische Frauen-Rennstall bekannt gab, habe man sich mit den beiden Namenssponsoren auf Vertragsverlängerungen bis je

05.11.2024Tod der Mutter verdrängte sportliche Erfolge in den Hintergrund

(rsn) – Hinter Anton Albrecht (P&S Metalltechnik – Benotti) liegt ein schwieriges Jahr. Im Saisonverlauf wusste er zu überzeugen und sich etwa mit einem zweiten Etappenrang bei Belgrade Banjaluka

05.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

04.11.2024Krankheiten und Reisestress raubten die Freude am Radsport

(rsn) – Erst zur Saison 2023 wechselte Mountainbiker Pirmin Eisenbarth auf die Straße und sorgte in Diensten des deutschen Kontinental-Teams Bike Aid mit zahlreichen Spitzenplatzierungen für Furor

04.11.2024dsm-Profi Bevin stellt sein Rad in die Ecke

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

04.11.2024Van Anrooij an verengter Beckenarterie operiert

(rsn) - Shirin van Anrooij wird auf Einsätze in dieser Cross-Saison verzichten müssen. Wie die 22-jährige Niederländerin auf Instagram mitteilte, sei sie an einer verengten Beckenarterie ihres lin

04.11.2024Gemischte Gefühle nach größtem Karriereerfolg

(rsn ) – Nach zwei Jahren bei Lotto – Kern Haus wechselte Ole Theiler im vergangenen Winter zu Storck – Metropol, um sich in seinem letzten U23-Jahr als Kapitän für ein Profiteam zu empfehlen.

04.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

03.11.2024Ein Lernjahr mit einem großen Rückschlag

(rsn) – 2024 war ein Jahr mit Licht und Schatten für Fabian Steininger (Maloja Pushbikers). Der 24-jährige Österreicher ging in seine zweite Saison beim deutschen Kontinental-Team und fühlte si

03.11.2024Nys fliegt in Pontevedra zu seinem ersten großen Titel

(rsn) – Nach seinem schwarzen Tag in Pontchateau im letzten Jahr hat der Belgier Thibau Nys im spanischen Pontevedra zum Abschluss der Cross-Europameisterschaften seinen ersten großen Titel in der

03.11.2024Van Empel zum dritten Mal in Folge Europameisterin vor Alvarado

(rsn) – Fem van Empel heißt die alte und neue Cross-Europameisterin. Im spanischen Pontevedra schlug die Niederländerin bei sommerlichen Temperaturen im Sprintduell ihre Landsfrau Ceylin del Carme

03.11.2024Nach Haverdings Pech macht Michels die Titelverteidigung klar

(rsn) – Jente Michels ist bei der Cross-EM im spanischen Ponteverda die Titelverteidigung im U23-Rennen der Männer gelungen. Der 21-jährige Belgier setzte sich auf dem technisch anspruchsvollen un

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine