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28.12.2021 | (rsn) – Der große Sieg ist ausgeblieben und vor allem die erste Jahreshälfte der Saison 2021 war für Liane Lippert (Team DSM) zum Vergessen. Doch am Jahresende kann die Friedrichshafenerin trotzdem recht zufrieden zurückblicken. "Am Anfang war das Jahr eine 4 und mental sehr schwer für mich, aber das Ende war ne '2+ - also vielleicht insgesamt ne 2-3", bewertete sich die 23-Jährige gegenüber radsport-news.com selbst.
"Insgesamt war das Jahr sicher überhaupt nicht schlecht. Aber ich selbst bin etwas kritischer, weil ich mich in den Jahren zuvor immer so gesteigert habe und jeder von mir erwartet hat, dass ich dieses Jahr ein großes Rennen gewinne", fügte sie allerdijngs an.
Immerhin hatte Lippert am 1. Februar 2020, als die Welt sich noch normal drehte und das Wort Pandemie nur wenige kannten, mit einem Sieg beim ersten Women's WorldTour-Rennen der damaligen Saison, dem Cadel Evans Great Ovean Road Race in Australien, die Messlatte hochgelegt. Und so scheint ein 2021 ohne jeden Sieg wie ein Rückschritt – zumal Lippert im vergangenen Winter als größte deutsche Olympia-Hoffnung galt und sie ausgerechnet an jenem Tag im Juli in Japan dann nicht so stark wie erwartet war. Doch wer zwischen den Zeilen der Ergebnisse lesen und Leistungen einschätzen kann, der hat auch in dieser Saison erkannt: Da wurde trotzdem der nächste Schritt gemacht.
"Gerade bei den schweren Rennen lief es wirklich gut – zum Beispiel bei der Vuelta (Gesamtfünfte, Anm. d. Red.) oder auch in Norwegen. Da hat man es zwar nicht am Ergebnis gesehen, weil wir voll für Juliette (Labous) gefahren sind, aber ich bin am Berg in der Helferrolle sehr gut zurechtgekommen", blickte Lippert nun zurück.
Das große Highlight aber war ihr Auftritt im EM-Straßenrennen von Trento am 11. September. Dort musste sich die 23-Jährige nur der frühen Angreiferin Ellen van Dijk geschlagen geben und hängte am Berg sogar Fahrerinnen wie Annemiek van Vleuten für eine gewisse Zeit ab. Lippert nahm das Rennen in die Hand und nach dem Rennen waren sich viele einig, dass sie an jenem Tag die Stärkste gewesen war.
EM-Silber an einem überragenden Tag in Trento
"Trento war wirklich richtig cool: Mein Vater war mit einigen vom Verein dort zum Anfeuern und ich bin ohne Funk einfach mal so gefahren, wie ich gerade dachte. Ich habe mich einfach mal getraut - und wenn ich es mir jetzt anschaue ist es schon krass, was ich da mit meiner Explosivität ausrichten konnte und wie Weltklassefahrerinnen Probleme hatten, dran zu bleiben", so Lippert. "Ich wurde danach von vielen gelobt, dass ich einfach losgefahren bin. Dass es dann noch geklappt hat, den Sprint um Platz zwei zu gewinnen, das war wirklich noch die Krönung", berichtete sie.
Der Weg dorthin aber begann alles andere als geradlinig. Denn wie ihr ganzes Team, erlebte Lippert einen sehr holprigen Start in die Saison. Schon nach dem Women's WorldTour-Auftakt bei Strade Bianche gab es den ersten richtig schweren Dämpfer: Lippert wurde vor der Trofeo Binda in Italien positiv auf das Coronavirus getestet und musste sich in Quarantäne begeben.
"Komisch war, dass ich vorher ja wegen Strade Bianche in der Team-Bubble war und mit niemand sonst Kontakt hatte – ich war auch in keinem Supermarkt oder so. Und bis auf mich hatte aus der Bubble niemand einen positiven Test. Aber so war es eben, und weil man sich damals noch nicht freitesten konnte, habe ich wichtige Rennen verpasst – und auch wichtiges Training, weil ich niemand bin, der sich auf der Rolle so fordern kann, wie draußen", erzählte Lippert nun in der Retrospektive.
Frühjahr durch Corona-Test und Erkältung "versaut"
Nach der Zwangspause bestritt sie Gent-Wevelgem, wo sie Zwölfte wurde und fuhr auch noch bei Dwars door Vlaanderen und der Flandern-Rundfahrt in die Top 30. Doch dann folgte schon die nächste Pause. "Dann bin ich tatsächlich krank geworden", so Lippert. Covid-19 hatte sie da zwar nicht, aber eine heftige Erkältung, die einen Start beim Amstel Gold Race unmöglich machte und sie auch beim Fleche Wallonne nicht konkurrenzfähig sein ließ. "Und so war mein ganzes Frühjahr dann versaut", erinnerte sie sich, dass dann auch noch Lüttich-Bastogne-Lüttich für sie ausfiel, weil das Team wegen eines positiven Corona-Tests bei Leah Kirchmann dort kollektiv absagen musste.
Ende Mai präsentierte sich Lippert bei der Lotto Thüringen Ladies Tour dann wiedererstarkt und wurde Gesamtvierte, um anschließend hinter Lisa Brennauer (Ceratizit – WNT) Deutsche Vizemeisterin in Stuttgart zu werden und sich Ende Juni auch bei La Course by Le Tour de France stark zu zeigen – als Achte. Was folgte, war der Giro d'Italia, bei dem sie auf der 3. Etappe in Ovada aus einer Fluchtgruppe heraus Rang drei erspurtete. Doch in der Gesamtwertung spielte Lippert keine Rolle, weil das Team DSM dort wie später in Norwegen voll auf die Französin Juliette Labous setzte und Lippert die Edelhelferin gab.
WM-Aus aufgrund von Krankheit
Das änderte aber genausowenig wie anschließend der enttäuschende 23. Rang im Olympischen Straßenrennen daran, dass die Formkurve immer weiter nach oben zeigte und schließlich in der Gala-Vorstellung bei den Europameisterschaften im Trentino gipfelte. Umso trauriger war es, dass Lippert dann im WM-Straßenrennen aufgeben musste und das Jahr damit genauso krankheitsgeplagt endete, wie es begonnen hatte.
"Ich bin, wenn ich in Top-Form bin, recht anfällig für Krankheiten – gerade so um den Hals herum. Normalerweise kann man mit einer Erkältung auch am Anfang im WM-Rennen vielleicht noch mitfahren. Aber da hatte ich wirklich Probleme, das war eher wie eine Grippe", erklärte Lippert rückblickend. "Es war sehr schade, weil ich mich sehr auf die WM gefreut hatte. Der Kurs lag mir und ich war gut in Form."
Ardennen-Klassiker und die Épernay-Etappe der Tour sind im Kopf
Für 2022 bereitet sich Lippert nun ähnlich vor, wie im vergangenen Jahr – wieder mit den Ardennenklassikern als erstem Höhepunkt. Bleibt nur zu hoffen, dass diesmal keine Covid-Tests und Erkältungen dazwischenkommen. Und dann hofft sie natürlich auch noch auf einen Start bei der Tour de France Femmes Ende Juli. Welche Rolle sie dort dann spiele, sei aber genauso offen, wie die Frage, ob Frankreich und der nur zwei Wochen zuvor endende Giro d'Italia kombiniert werden können – zumal die Strecke der Italien-Rundfahrt noch gar nicht vorgestellt wurde.
"Bei der Tour gibt es sicher Etappen, die mir sehr liegen – auch die mit der steilen Ankunft, wo Alaphilippe damals 2019 ins Gelbe Trikot fuhr (Etappe 3 in Épernay, Anm. d. Red.). Das ist ein total verrücktes Finale, und als ich gesehen habe, dass das drin ist, dachte ich sofort: Das kann eine Etappe für mich sein", so Lippert. Im Gesamtklassement aber ist wohl davon auszugehen, dass DSM in Frankreich auf die Französin Labous setzt. Schließlich ist sie die hoffnungsvollste Französin bei der ersten Tour de France Femmes – da kommt eine Teamleitung wohl kaum dran vorbei.
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