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29.12.2021 | (rsn) – Neun Jahre ist es her, dass Elise Chabbey (Canyon - SRAM) bei den Olympischen Spielen von London mit ihrem Kajak durch den Slalom-Parcours im Lee Valley White Water Centre kurvte. Die damals 19-jährige Schweizerin wurde 20. von 21 Starterinnen. Inzwischen ist Chabbey an Land unterwegs, und auch wenn sie in diesem Jahr bei den Spielen von Tokio nicht am Start stand, so darf man spätestens seit 2021 wohl behaupten: Mit dem Radsport hat die Genferin die richtige Wahl getroffen.
Denn in der abgelaufenen Saison schaffte sie den Durchbruch in die erweiterte Weltspitze – schlug etwa auf der 1. Etappe der Tour de Suisse im direkten Duell keine Geringere als Lizzie Deignan (Trek – Segafredo) und fuhr auch sonst eine ganze Reihe beachtlicher Resultate ein.
"Es war eine ziemliche Überraschung, dass ich so gut war. Ich habe nicht viel Erfahrung im Straßenradsport und habe absolut nicht diese Resultate erwartet. Deshalb bin ich absolut happy mit dem Jahr", sagte Chabbey radsport-news.com nun im Rückblick. "Die größte Überraschung und mein Highlight dieses Jahr war für mich die Tour de Suisse. Denn einen Etappensieg hatte ich dort absolut nicht erwartet. Es war superschön, das zu schaffen. Immerhin war das mein erster internationaler Sieg – das ist schon was."
Noch erstaunlicher als der Sieg im Sprintduell gegen Deignan in Frauenfeld ist ihr Werdegang. Nach einer Jugend als Kanutin und dem frühen Erreichen des Traums vom Olympia-Start in London verabschiedete sich Chabbey von ihrem Kajak und konzentrierte sich voll auf ihr Medizinstudium.
Vom Kajak zum Medizin-Studium und übers Laufen aufs Rad
Um fit zu bleiben, begann sie mit dem Laufen und gewann bald den Genfer Halbmarathon. Doch ein Ermüdungsbruch in der Hüfte sorgte für das Ende ihrer Laufkarriere und in der Reha begann Chabbey mit dem Radfahren – auf Empfehlung ihres Arztes und gemeinsam mit ihrem damaligen Freund.
2018 fuhr sie ihre ersten internationalen Rennen für das damals neue und noch kleine Team Cogeas – Mettler; 2019 unterschrieb sie bei Bigla-Teamchef Thomas Campana. Der in der Schweiz lebende Deutsche erkannte früh das Potenzial der Ex-Kanutin – früher noch als sie selbst.
"Ich weiß gar nicht, wie er auf mich aufmerksam wurde, weil ich vorher nur wenige und kleinere Rennen gefahren bin. Vielleicht sah er mich bei nationalen Rennen in der Schweiz, aber da habe ich gar nicht mal gut abgeschnitten", blickte sie nun gegenüber radsport-news.com auf ihre Anfangsjahre zurück.
"Zuerst habe ich Campana nicht wirklich geglaubt"
"Er hat mir immer gesagt, dass ich eine starke Fahrerin werden kann. Zuerst habe ich ihm nicht wirklich geglaubt, denn woher sollte er das wissen? 'Das kann er ja zu jeder sagen', dachte ich! Aber er hat da ein wirklich gutes Gespür für und hat an mich geglaubt", so Chabbey. "Dass ich jetzt hier bin, ist auch ihm zu verdanken, weil er Vertrauen in mich gesetzt hat, als mich sonst niemand in sein Team holen wollte und mich niemand kannte."Inzwischen dürften das einige bereuen – vor allem diejenigen, die an Chabbey auch dann noch nicht interessiert waren, als Campanas Rennstall Ende 2020 den Betrieb einstellen musste, weil Hauptsponsor Paule Ka seinen Zahlungen nicht mehr nachkam. Canyon – SRAM-Teamchef Ronny Lauke hingegen hatte Interesse und sicherte sich die Dienste der Schweizerin für zwei Jahre. Belohnt wurde das mit einem fulminanten Durchbruch gleich in der ersten gemeinsamen Saison.
Im Covid-Break zurück in die Uni-Klinik
Chabbey, die übrigens zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 die Rennpause damit füllte, in der Genfer Uniklinik als Ärztin auszuhelfen, begann die Saison 2021 schon stark, fuhr aber meist als Helferin und erzielte so zunächst keine Top-Ten-Platzierungen. "Aber ich hatte viele Rennen und bin die Saison von Rennen zu Rennen angegangen und habe dann meine Chancen genutzt", erzählte Chabbey nun, dass sie ihre Rolle als Helferin auch voll annahm. "Ich hatte vor dieser Saison ja auch noch gar keine Ergebnisse", meinte sie. Dieser Satz allein zeigt den Ehrgeiz der Schweizerin. Immerhin nämlich war sie 2020 bereits 13. bei Lüttich-Bastogne-Lüttich.
So richtig an sich zu glauben begann sie nach eigener Aussage aber erst nach dem Flèche Wallonne 2021. An jenem 21. April, drei Tage vor ihrem 28. Geburtstag, erreichte sie das Ziel an der Mur de Huy als 24. nach einer sehr aktiven Vorstellung. "Ich bin offensiv gefahren und das hat gut funktioniert, um Kasia (Niewiadoma) zu helfen. Dadurch ist mir bewusst geworden, dass ich auch auf diese Weise hilfreich sein kann. Ab da habe ich das dann fast in jedem Rennen versucht", so Chabbey.
Mit viel Angriffslust zu zahlreichen Top-Resultaten
Und tatsächlich: Im weiteren Saisonverlauf ging sie immer wieder in Spitzengruppen oder beschleunigte auch sonst oft aus dem Feld heraus. So gewann sie bei der Women's Tour in Großbritannien am Jahresende das Bergtrikot, aber so fuhr sie auch weitere Spitzenresultate heraus, wie ihren Sieg auf der 1. Tour de Suisse-Etappe oder Platz 2 auf der 1. Etappe der WorldTour-Rundfahrt Vuelta a Burgos. Es folgten zwei Top-5-Ergebnisse beim Giro d'Italia, und fünf weitere Top-10-Platzierungen auf WorldTour-Etappen sowie ein zehnter Gesamtrang beim Giro und der Dritte Platz bei der Vuelta.
Gerade die letztgenannten Ergebnisse imponierten ihr selbst. "Das waren tolle Ergebnisse, weil das Etappenrennen waren und ich solche Belastungen auch noch nicht gewohnt war. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich besonders gut erhole. Aber jetzt konnte ich sehen, dass ich mit mehreren Renntagen sehr gut klarkomme – das war cool", sagte sie.
Dass sie aber künftig in den Kampf um Gesamtsiege bei Rundfahrten wird eingreifen können, daran glaubt Chabbey nicht. "Ich bin keine echte Bergfahrerin, aber auch keine Sprinterin – ich denke, ich kann von allem ein bisschen was. Ich bin also schon eine Art Allrounderin wahrscheinlich, aber um ein Etappenrennen zu gewinnen, müsste ich meine Kletterfähigkeiten noch verbessern", meinte sie.
Ziele 2022: Erst die Klassiker und dann ein Tour-Etappensieg
"Ich will auch gar nicht nur in einer Art Rennen gute Leistungen bringen, sondern lieber in allen möglichen unterschiedlichen Rennen. Am meisten Spaß macht es mir, offensiv zu fahren. Ich mag es eigentlich gar nicht, auf den letzten zehn Kilometern die beschützte Fahrerin im Feld zu sein", führte Chabbey hinsichtlich ihrer Ambitionen weiter aus und fügte an: "Ich denke die Klassiker könnten in Zukunft meine Rennen werden."
Deshalb werde sie sich auch 2022 erstmal auf die Eintagesrennen im Frühjahr fokussieren, um dann anschließend natürlich auf das Ziel zu schauen, dass in der neuen Saison alle Frauen haben werden: Die neue Tour de France Femmes. Dort würde sie gerne eine Etappe gewinnen, erklärte Chabbey. "Und natürlich wäre es toll, auch in meinem Heimatland bei der Tour de Suisse und der neuen Tour de Romandie etwas zu erreichen."
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