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30.12.2021 | (rsn) – Besser geht kaum: Lisa Brennauer (Ceratizit – WNT) war international wohl eine der besten Radsportlerinnen des Jahres 2021. Die Allgäuerin glänzte gleich reihenweise mit Spitzenresultaten auf der Straße und gehörte außerdem zum Goldvierer auf der Bahn – feierte dort Olympiasieg, EM-Titel und WM-Titel.
Hätten wir in unseren Punkteschlüssel auch andere Radsport-Disziplinen mit aufgenommen, Brennauer wäre wohl mit riesigem Vorsprung auf Rang eins gelandet. Da die Radsport-News-Jahresrangliste aber ausschließlich Straßenrennen berücksichtigt, reichte es hier nur zum zweiten Platz, mit ganz knappem Rückstand auf Rang eins.
Am Fazit änderte das aber natürlich nichts: "Ich denke das war das erfolgreichste Jahr in meiner Karriere", bilanzierte Brennauer im Gespräch mit radsport-news.com kurz vor Weihnachten. "Wenn man die Bahn außen vor lässt, dann gab es natürlich auch 2014 und 2015, die wirklich krass waren von den Erfolgen her – mit dem WM-Titel im Zeitfahren und einigen Rundfahrtsiegen. Aber die Tatsache, dass es dieses Jahr auf beiden Ebenen so gut lief, war wirklich ganz besonders. Für mich kann man es nicht trennen und deshalb war es meine erfolgreichste Saison. Wer weiß außerdem, ob die Erfolge bei einem ohne das andere gekommen wären?"
Die Erfolgssträhne der inzwischen 33-Jährigen begann eigentlich sogar schon nach der Corona-Rennpause 2020. Denn ab dem ersten Renneinsatz war sie bärenstark und überraschte nicht nur sich selbst mit einem achten Platz beim schwer profilierten Schotter-Klassiker Strade Bianche in Italien. Insgesamt kam Brennauer 2020 an all ihren 13 Renntagen außerhalb des Giro d'Italia in den Top Ten ins Ziel.
Beeindruckende Konstanz über zwei Saisons hinweg
2021 ging dann fast genauso weiter: Siebte beim Omloop Het Nieuwsblad, diesmal 18. bei Strade Bianche, zweimal Dritte und Gesamtzweite bei der Healthy Ageing Tour, Dritter bei Gent-Wevelgem, Zweite der Flandern-Rundfahrt – ein überragendes Frühjahr!
"Ich habe versucht – und ich denke auch erfolgreich – mich nicht nur rein auf die Olympischen Spiele zu konzentrieren. Erstmal habe ich auf die Frühjahrsklassiker geschaut, weil ich die liebe und mir das Spaß macht. Da wollte ich gut sein", erzählte Brennauer und machte deutlich, dass sie als Sportlerin vor allem darauf auch stolz sei, dass sie ihren Plan in Sachen Formaufbau perfekt umgesetzt habe.
Nach dem starken Frühjahr legte sie eine Wettkampfpause ein und begann die Vorbereitung auf Tokio – "von Anfang an aber immer mit dem Ziel, bei den Europameisterschaften und Weltmeisterschaften auf Straße und Bahn nach Olympia auch noch gut zu fahren", so Brennauer, die in Tokio jeweils Sechste im Einzelzeitfahren und dem Straßenrennen wurde.
Schwächere Phasen nur beim genauen Blick aufs Detail erkennbar
Dann holte sie Gold mit dem Verfolgungs-Vierer in Weltrekordzeit und anschließend neben den EM- und WM-Titeln mit dem Vierer auch noch EM-Bronze und wurde WM-Fünfte im Einzelzeitfahren sowie Weltmeisterin mit der Mixed Staffel auf der Straße. Die Plätze elf und neun in den Straßenrennen von Trento und Leuven gehen dabei fast unter, weil anschließend auch noch Rang vier bei der Premiere von Paris-Roubaix in den Statistiken aufleuchtete.
"Wenn ich in einer Saison eine richtig gute Form aufgebaut habe, dann habe ich es eigentlich auch immer geschafft, das lange zu halten und immer wieder gute Ergebnisse einzufahren", sagte sie zu ihrer beeindruckenden Konstanz, erklärte aber auch: "Wenn man ganz genau aufs Detail guckt, ich bin da ja sehr selbstkritisch, dann sieht man auch in dieser Saison, wo es ging und wo es aber halt auch mal nicht so ging."
Konkret sprach Brennauer da die Lotto Thüringen Ladies Tour an, bei der sie Ende Mai normalerweise immer versucht, auch ein starkes Ergebnis zu erzielen. Diesmal aber reichte es direkt aus dem Training und mitten in der Olympia-Vorbereitung nicht für die Top Ten.
Bahn-Straße-Spagat spürbar: Bei der WM fehlte etwas Ausdauer
"Oder auch hinten raus: Bei der Straßen-WM hätte ich ein ganz großer Podiumskandidat sein sollen", so Brennauer. Doch nach 157,7 schweren Kilometern durch die flämischen Hügel in und um Leuven reichte es im Sprint um Gold nur noch zu Rang neun. "Wenn man sieht, was ich nach Olympia alles gemacht habe: Da haben mir einfach die Umfänge gefehlt für so ein langes, hartes Rennen, um da am Ende noch aufs Podium zu sprinten. Ich bin eben auch keine Maschine. Paris-Roubaix war dann wieder ein relativ kurzes Radrennen (116 km, Anm. d. Red.), und da lief es wieder."
Der vierte Platz im Velodrom war nach dieser harten Saison mit dauerhaftem Spagat zwischen Bahn und Straße nochmal ein Ausrufezeichen, für Brennauer trotzdem aber auch bitter. "Bei der Premiere auf dem Podium zu stehen, wäre ein großer Traum gewesen", gestand sie. "Und es war am Ende ja wirklich nur ganz, ganz knapp." Brennauer jagte auf den letzten Kilometern hinter der Drittplatzierten Elisa Longo Borghini (Trek – Segafredo) hinterher und kam im Velodrom Meter um Meter näher, verpasste die Italienerin aber am Ende um vier Sekunden.
Olympia im Wechselbad der Gefühle
Brennauers Ex-Teamkollegin aus gemeinsamen Wiggle-Jahren, Longo Borghini, war es auch, die auf dem Fuji International Speedway in Japan am 25. Juli den dritten Platz und somit die letzte Medaille im Olympischen Straßenrennen weggeschnappt hatte. "Da habe ich die große Medaillenchance auf den letzten 15 oder fünf Kilometern verspielt", so die Allgäuerin im Rückblick selbstkritisch. Nach den zwei sechsten Plätzen in den Straßenwettkämpfen brauchte es auch etwas moralische Unterstützung durch Lisa Klein, um mit positivem "Mindset" auf die Bahn zu kommen. Doch in der Retrospektive ordnete Brennauer das nun richtig ein:
"Wenn man so sehr auf eine Medaille in einem der drei Rennen hofft und dann zwei vorbei sind und man jeweils Sechste war, dann sind das super Ergebnisse, aber es kamen einfach viele Emotionen aus mir heraus. Ich würde nicht sagen, dass ich superenttäuscht war und wenn man dann danach noch Gold auf der Bahn holt, kann man auch mit den beiden sechsten Plätzen superhappy sein. Wenn ich aber nicht die Bahn noch gehabt hätte, wäre ich wohl enttäuscht heimgefahren mit diesen Straßenergebnissen", erklärte sie, wie wichtig meist der Blick auf das große Ganze auch bei der Bewertung einzelner Details sei.
"Ich werde mich nicht durch die Hintertür verabschieden"
Letztendlich nämlich blieb unter dem Strich am Ende von 2021 eines stehen: Das beste Jahr einer ohnehin bereits sehr starken Karriere. Da wundert es nicht, dass das Umlegen des Schalters in Richtung 2022 im Herbst etwas schwergefallen ist.
"Ich nutze die ruhigen Monate momentan, um meine persönlichen Ziele zu formulieren. Man wird mich auf jeden Fall sehen, aber am Aufbau der Saison bastele ich noch", erklärte sie radsport-news.com. "Besser als mit dem Olympiasieg wird es nicht mehr. Aber trotzdem gibt es natürlich immer wieder Events, die es einem leicht machen, sich hohe Ziele zu setzen: Tour de France, European Games in München und so weiter. Das wären Events, die mich nochmal richtig reizen."
Deshalb sei auch das Thema Karriereende in diesem Winter noch kein allzu großes: "Ich werde immer wieder nach dem Karriereende gefragt und habe auch nie verschwiegen, dass ich da natürlich auch drüber nachdenke, wann es soweit ist. Aber ich werde mich ganz sicher nicht durch die Hintertür verabschieden!", betonte Brennauer.
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