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23.01.2022 | (rsn) - Auch diesmal nehmen wir zu Saisonbeginn die 18 WorldTour-Teams unter die Lupe: Wie lief es im vergangen Jahr, welche Veränderungen gibt es in den Aufgeboten, was ist in der neuen Saison von den Teams zu erwarten?
Als bestes ProTeam des Vorjahres ist Alpecin - Fenix bei den WorldTour-Rennen der Saison 2022 gesetzt und könnte sich Hoffnungen auf viele große Siege machen. Wären da nicht die hartnäckigen Rückenbeschwerden, die Top-Star Mathieu van der Poel noch immer behindern.
___STEADY_PAYWALL___Rückblick auf die Saison 2021
Für die Bewertung des Vorjahres reicht der Blick auf die UCI-Teamwertung: Als Zweitdivisionär belegte Alpecin - Fenix Platz sieben und ließ damit zwölf WorldTour-Mannschaften hinter sich. Mit Fahrern wie Tim Merlier, Jasper Philipsen und insbesondere Mathieu van der Poel war das Team in der Spitze allerdings auch besser besetzt als viele WorldTour-Equipes. Das Trio fuhr 25 der 33 Saisonsiege ein, wobei Philipsen und Merlier (je neun) am erfolgreichsten waren.
Vor allem bei den Grand Tours sorgte Alpecin - Fenix für Furore: Merlier gewann jeweils eine Etappe beim Giro d’Italia und bei der Tour de France, van der Poel war ebenfalls bei der Tour erfolgreich und trug sechs Tage das Gelbe Trikot. Bei der Vuelta a Espana feierte schließlich Philipsen zwei Tagessiege. Der Belgier sicherte sich beim Scheldeprijs und Eschborn-Frankfurt zudem weitere prestigeträchtige Siege.
Tim Merlier jubelt in Koksijde bei der Bredene Classic. Der 29-jährige Belgier sammelte in der vergangenen Saison neun Siege. | Foto: Cor Vos
Die großen Schlagzeilen gehörten dennoch van der Poel, der je zwei Etappen bei Tirreno-Adriatico und der Tour de Suisse sowie ein Teilstück der UAE Tour gewann. Dazu triumphierte er bei Strade Bianchi und verpasste als Zweiter der Flandern-Rundfahrt und mit Rang drei bei Paris-Roubaix jeweils nur knapp einen Sieg bei einem Monument. Philipp Walsleben steuerte in seiner letzten Profisaison zwei Siege bei, der Potsdamer gewann je eine Etappe der Boucles de la Mayenne und des Arctic Race of Norway. Insgesamt war es für Alpecin - Fenix das beste Jahr der Teamgeschichte.
Die wichtigsten Zu- und Abgänge
Im Kader gibt es für 2022 einige Veränderungen. Neben den zurückgetretenen Petr Vakoc, Jan Roy und Walsleben büßte das Team mit Louis Vervaeke (Quick-Step) einen soliden Rundfahrer und mit Otto Vergaerde (Trek - Segafredo) einen wichtigen Helfer für die Klassiker einen. Der 20-jährige Brite Ben Tulett galt als Talent mit großen Ambitionen, die er nun aber bei Ineos Grenadiers weiter verfolgt. Der deutsche Cross-Meister Marcel Meisen setzt seine Karriere bei Stevens Racing fort. Sacha Modolos Abschied zu Bardiani - CFC ist hingegen sportlich kaum ein Verlust.
Neu im Team ist der Österreicher Michael Gogl (Qhubeka - NextHash). Er überzeugte im Vorjahr mit Platz sechs bei der Strade Bianchi und Platz acht beim Amstel Gold Race. Ein Gewinn kann ebenfalls der Australier Robert Stannard (BikeExchange) sein, der als Allrounder viele Qualitäten mitbringt.
Mit Stefano Oldani (Lotto Soudal) und Jakub Mareczko (Vini Zabu) stoßen zwei weitere Sprinter zum Team. Außerdem kommen hoffnungsvolle Talente wie Fabio van den Bossche (Sport Vlaanderen – Baloise) und der Berliner Maurice Ballerstedt (Nachwuchs Jumbo - Visma). Mit 26 Jahren erhält Sjoerd Bax (Metec), im Vorjahr Zweiter der Niederländischen Meisterschaft, einen Profivertrag.
Zudem gewann das Team mit dem Kunststoffproduzenten Deceuninck einen weiteren Co-Sponsor, der das Team in den kommenden vier Jahren unterstützt.
Im Fokus: Mathieu van der Poel
Es dürfte kaum einen talentierteren Fahrer geben als den Niederländer. Nach vielen Erfolgen im Cyclocross hat van der Poel inzwischen auch die Straßenszene mit zahlreichen großen Siegen wie bei der Flandern-Rundfahrt, dem Amstel Gold Race und der Strade Bianchi erobert. Der 27-Jährige zeigt gelegentlich nur renntaktisch noch Schwächen, die weitere große Siege verhindern.
Bei Alpecin - Fenix dreht sich fast alles um Mathieu van der Poel. Der 27-jährige Niederländer trug bei der Tour sechs Tage das Gelbe Trikot, nachdem er die 2. Etappe gewonnen hatte. Der Alpecin-Fenix-Triumph war am nächsten Tag komplett. Merlier siegte vor Teamkollege Philipsen. | Foto: Cor Vos
Für 2022 sind die Erwartungen erneut hoch: Im Frühjahr gehört van der Poel bei allen Klassikern zu den Favoriten, im Sommer könnte das Grüne Trikot der Tour de France ein Thema werden. Und auch die Mountainbike-WM im August gehört zu van der Poels großen Zielen.
Allerdings könnte ihm die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung machen. Die langwierigen Rückenprobleme - diagnostiziert wurde schließlich eine geschwollene Bandscheibe - zwangen van der Poel nicht nur zum Verzicht auf die Cross-WM, sondern zu einer längeren Pause. Die Verletzung gefährdet van der Poels Pläne für die Frühjahrsklassiker.
Aufgepasst auf ... Jay Vine
Der Australier schaffte auf ungewöhnliche Weise den Sprung zu den Profis: Er gewann die virtuelle Zwift Academy und sicherte sich dadurch für 2021 einen Platz im Team von Alpecin - Fenix. Zuvor hatte der ehemalige Mountainbiker bereits mit Platz fünf bei der Herald Sun Tour 2020 für Aufsehen gesorgt, wurde dann aber durch die Pandemie ausgebremst. Dafür nutzte Vine seine Chance über die Zwift Academy und überzeugte gleich in seiner ersten Profisaison: Der 26-Jährige erreichte bei seinem Debüt gleich Platz zwei bei der Türkei-Rundfahrt und belegte später bei einer Bergankunft der Vuelta a Espana einen dritten Etappenplatz.
Inzwischen ist sein Vertrag bis Ende 2023 verlängert worden. Als einer der wenigen kletterstarken Fahrer im Kader wird Vine auch 2022 seine Chancen bekommen, sich auf bergigem Terrain zu zeigen.
Jay Vine bewies schon in der neuen Saison, dass er nicht nur virtuell stark ist. Der Australier eroberte das Bergtrikot beim Etoile de Bessèges. Vorentscheidend dazu war sein zweiter Platz an der Bergankunft am Mont Bouget. | Foto: Cor Vos
Ausblick auf die Saison 2022
Als Sieger der ProTeam-Wertung darf Alpecin - Fenix auch in diesem Jahr an allen wichtigen Rennen teilnehmen, genießt also quasi WorldTour-Status. Und auch die Ambitionen sind kaum geringer als bei den großen Mannschaften. Im Frühjahr gehört das Team zu den Protagonisten und wird alle Ressourcen nutzen, um den Kapitän bestmöglich bei den Klassikern zu unterstützen.
Aber nur wenn van der Poel im Vollbesitz seiner Kräfte ist, sind Podestplätze und Siege garantiert. Bei Rennen wie Gent-Wevelgem oder dem Scheldeprijs dürfte Philipsen die Kapitänsrolle übernehmen – auch hier sind Siege möglich. Mit Julien Vermote, Gianni Vermeersch, Guillaume Van Keirsbulck und Jonas Rickaert verfügt Alpecin - Fenix über eine fähige Helferriege, zudem eröffnen Silvan Dillier, falls er wieder in Form kommt, und Neuzugang Gogl als Co-Kapitäne taktische Möglichkeiten.
Das große Fragezeichen steht aber ausgerechnet hinter dem Top-Star. Sollte van der Poel länger ausfallen, würde Alpecin - Fenix der Erfolgsgarant fehlen. Für die hohen Ambitionen wäre das ein Schlag, vor allem im Frühjahr.
Immerhin ist der viermalige Cross-Weltmeister inzwischen nicht mehr der Alleinunterhalter, mit Merlier und Philipsen besitzt das Team zwei erstklassige Sprinter, denen erneut je fünf bis zehn Saisonsiege zuzutrauen sind. Philipsen könnte sich nach dem starken Vorjahr in der Saison 2022 sogar zu einem der dominierenden Sprinter entwickeln.
Ganz oben auf seiner Prioritätenliste steht der erste Etappensieg bei der Tour de France, außerdem hat die Teamleitung Ambitionen in Richtung des Grünen Trikots geäußert – mit Philipsen oder van der Poel. Abzuwarten bleibt, ob Alpecin - Fenix mit Merlier, Philipsen und van der Poel wieder alle drei Top-Kräfte zur Tour schickt. Für Merlier scheint zuvor zumindest wieder der Giro d’Italia eingeplant.
Jasper Philipsen war 2021 nahe dran an seinem ersten Etappensieg bei der Tour de France. Der 23-jährige Sprinter landete je dreimal auf dem zweiten und dem dritten Platz. Klappt es bei der kommenden Auflage der Frankreich-Rundfahrt mit dem Debütsieg? | Foto: Cor Vos
Weitere gute Ergebnisse bei Sprintentscheidungen sind Neuzugang Oldani zuzutrauen, der ebenfalls beim Giro starten könnte. Ein Kandidat für einen Leistungssprung ist der sprintstarke Allrounder Stannard, der 2018 als vielversprechendes Talent in die WorldTour aufstieg, bei BikeExchange aber nicht den erhofften Durchbruch schaffte.
Zudem dürften Fahrer wie Vine, Gogl und Xandro Meurisse ihre Chancen als Etappenjäger bekommen. Einen guten Klassementfahrer sucht man vergeblich in der Mannschaft, auch in der Breite fehlt es an Leistungsträgern. Alpecin - Fenix lebt von seinem Erfolgstrio Merlier, Philipsen und van der Poel. Das ist jedoch Weltklasse und dürfte erneut dazu beitragen, dass die belgische Mannschaft als WorldTour-Mannschaft wahrgenommen wird.
Eckdaten:
Land: Belgien
Hauptsponsor: Alpecin, Fenix
Branche: Shampoo-Hersteller, Innenarchitektur
Manager: Philip und Christoph Roodhooft
Radausrüster: Canyon
Teamranking 2021: 7
Siege 2021: 33
Fahrer im Aufgebot: 31
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