Jury entscheidet zugunsten des Titelverteidigers

Froome joggt am Mont Ventoux und behält Gelb

Von Joachim Logisch aus Vaison la Romaine

Foto zu dem Text "Froome joggt am Mont Ventoux und behält Gelb"
Hier schleppt Froome sein zerstörtes Bike noch mit sich. Gleich stellt er es ab und rennt ohne weiter bergauf. | Foto: Cor Vos

14.07.2016  |  (rsn) - Chris Froome joggt im Gelben Trikot den legendären Mont Ventoux hinauf, besteigt kurz ein viel zu kleines gelbes Rad, stellt es nach wenigen Meter wieder weg, bekommt ein anderes und erreicht mit fast sieben Minuten Rückstand als 25. das Ziel.

Was klingt wie ein schlecht geplanter Hindernislauf ist wirklich passiert. Nicht bei einem Kirmesrennen, sondern während der 12. Etappe der 103. Tour de France. Szenen, die schon jetzt in die Geschichte des so geschichtenreichen Rennens eingegangen sind.

Die TV-Zuschauer waren sozusagen hautnah dabei. Denn es war ein Kameramotorrad, das die drei um die Gesamtwertung kämpfenden Chris Froome (Sky), Richie Porte (BMC) und Bauke Mollema (Trek-Segafredo) anführte, die gerade Nairo Quintana abgehängt hatten.

Das Motobike bahnte sich einen Weg durch Tausende von Menschen, die dicht an dicht die Straße säumten. Plötzlich knallte der das Trio anführende Porte fast mit dem Gesicht in die Kamera, man sah auch das Gelbe Trikot fallen und ein weißes. Für einen Sekundenbruchteil erschien hinten auch noch ein zweites Motorrad im Bild.

Was genau passierte, schilderte Porte nach dem Rennen: "Das Motorrad musste direkt vor uns anhalten, es gab keine Chance auszuweichen und ich bin voll drüber gestürzt. Es war ein Chaos. Froome war an meinem Hinterrad und ist direkt in mich rein.“

Froome bestätigte die Worte seines ehemaligen Edelhelfers, der jetzt auf eigene Rechnung fährt: "Das Motorrad legte eine Vollbremsung hin und wir sind alle drei - Richie (Porte), Bauke Mollema und ich - zusammengestoßen. Ein anderes Motorrad kam von hinten und hat mein Fahrrad zerstört.“

Während Mollema seine Rennmaschine schnell wieder hervorzerrte, wartete Froome nicht lange und rannte los. "Ich wusste, dass das Auto mit meinem anderen Rad fünf Minuten hinter uns war. Daher musste ich laufen“, erklärte der Titelverteidiger Bilder, die wohl noch nie zuvor in einem Radrennen zu sehen waren: Der Mann im Gelben Trikot der Tour de France joggt bergan.

"Ich weiß nicht, was sie tun können, aber sie müssen etwas unternehmen. Wenn man die Zuschauermengen nicht kontrollieren kann, was kann man dann kontrollieren? Das war nicht fair. Du bist 23 Sekunden an der Spitze und plötzlich wegen so etwas Dummen sind alle wieder bei uns“, schimpfte Porte.

Denn tatsächlich hatten die Verfolger um Nairo Quintana (Movistar) schnell wieder aufgeschlossen und das Chaos passiert. "Da war das Motorrad, die vielen Zuschauer, ich weiß nicht, was da geschah. Wir haben versucht, daran vorbei zu kommen und haben dadurch nicht so viel Zeit verloren“, erzählte der kleine Kolumbianer seinen Teil der Story.

Tatsächlich hätte er von dem Crash profitieren können. In der zunächst veröffentlichten Gesamtwertung wurde Quintana als Dritter (+0:14 Sek.) geführt. Vor ihm lagen Mollema und, als neuer Spitzenreiter, Adam Yates (Orica-BikeExchange) statt Froome, der plötzlich nur noch  als Sechster (+0:53) gewertet wurde.

Yates war das gar nicht recht. "So wollte ich das Trikot nicht bekommen. Froome ist viel stärker als ich. So, wie er bisher gefahren ist, gehört ihm das Gelbe Trikot. Ich hätte es nicht als richtig empfunden, es zu nehmen. Ich denke zu 100 Prozent, dass das auch Kosens unter den GK-Fahrern ist“, sagte der Träger des Weißen Trikots des besten Jungprofis, nachdem die UCI-Jury die provisorische Wertung annulliert hatte.

Mollema (als 10.), Porte (19.) und Froome (25.) werden zwar in der Tageswertung in der Reihenfolge ihres Ankommens geführt. Porte und Froome wurden aber auch in der Zeit gewertet, mit der der Niederländer ins Ziel kam: nämlich fünf Minuten und fünf Sekunden nach dem Etappensieger Thomas de Gendt (Lotto Soudal).

"Es gab viele Zuschauer auf den letzten Kilometern. Wir konnten keine Barrieren stellen, da sie vom Sturm weggeweht worden wären. Das Kamera-Motorrad wurde blockiert. Warum ist nicht klar. Das muss noch untersucht werden", sagte Tour-Direktor Christian Prudhomme und kommentierte die Jury-Entscheidung so: "Aber das Ganze war eine außergewöhnliche oder ungewöhnliche Situation. Deshalb wurde eine außergewöhnliche Entscheidung getroffen." Mit dieser Begründung versuchte der Tour-Chef auszuschließen, dass auch in den Bergetappen künftig die Drei-Kilometer-Regel der Sprinter gelten könnte.

Der 31-jährige Froome war (natürlich) zufrieden: "Ich bin sehr glücklich über die Entscheidung der Jury, ich glaube, das war richtig so. Ich danke ihnen und den Organisatoren der Tour de France."

 

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

14.07.2020Video-Rückblick: Froome joggt 2016 den Ventoux hinauf

(rsn) – Heute vor vier Jahren erlaubten staunende Zuschauer am Mont Ventoux das Finale eines denkwürdigen Tour-Tages. Nach einem Sturz im Schlussanstieg der 12. Etappe rannte Chris Froome am Franz

27.07.2016Nibali hatte bei der Tour schon Rio im Blick

(rsn) – Vincenzo Nibali hat verärgert auf die Kritik an seinen Leistungen bei der am Sonntag zu Ende gegangenen Tour de France reagiert. Der Italiener und sein Astana-Team waren ohne Etappensieg ge

26.07.2016Erneuter Tour-Ausstieg der ARD darf kein Thema sein

(rsn) - Drei Wochen Tour de France. Ein paar Tage "als Fan" selbst dabei. Den großen Rest aber am Bildschirm. Bis zum grandiosen Schlussakkord auf den Champs Elysees, gesetzt im "Sprint des Jahres" v

26.07.2016Quintana will weiter für seinen Gelben Traum kämpfen

(rsn) – Kolumbien muss weiter auf seinen ersten Tour-de-France-Sieger warten. Auch im dritten Anlauf hat es Nairo Quintana nicht geschafft – doch noch nie war der Movistar-Kapitän weiter vom Gelb

26.07.2016Künftig ein britisches Duell um das Gelbe Trikot?

(rsn) – Wie sein berühmter Landsmann Bradley Wiggins wird auch Adam Yates in die Geschichtsbücher des Radsports eingehen. War der mittlerweile 36-jährige Stundenweltrekordler vor vier Jahren der

26.07.2016Kittel kam bei der Tour in keinen "richtigen Flow"

(rsn) – Bei André Greipel (Lotto Soudal) lief am Sonntag auf den Champs-Élysées alles nach Wunsch. Wie bereits 2104 gewann der Deutsche Meister die prestigeträchtige Abschlussetappe der 103. Tou

26.07.2016Hektische Sprints und Cavendish machten Greipel das Leben schwer

(rsn) – Nach drei teils frustrierenden Wochen schien für André Greipel (Lotto Soudal) doch noch die Sonne. Am Sonntagabend holte sich der Deutsche Meister in Paris auf den Champs-Élysées den so

25.07.2016Bardet zum dritten Mal in Folge in Paris auf dem Tour-Podium

(rsn) – Romain Bardet hat den heimischen Fans die Tour de France gerettet. Der 25 Jahre alte Kapitän der Ag2R-Equipe legte auf den letzten drei Tagen ein Finale sondergleichen hin, sicherte sich au

25.07.2016Kittel: Erst durch Defekte gestoppt, dann im Finale kraftlos

(rsn) – Zum großen Finale der 103. Tour de France wollten Marcel Kittel und sein Etixx-Quick-Step-Team nochmals zuschlagen. Der Erfurter, der bereits 2013 und 2014 jeweils den Schlussakkord auf den

25.07.2016Jogging-Einlage in Gelb und ein machtloser Herausforderer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Dominator in Grün und Schweizer Coup durch einen Kolumbianer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Kollision mit dem Teufelslappen und ein fataler Entschluss

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

Weitere Radsportnachrichten

02.04.2025Degenkolb bei Dwars Door Vlaanderen zufrieden mit der Form

(rsn) - John Degenkolb (Picnic – PostNL) blickt auf ein hartes Dwars door Vlaanderen zurück, bei dem er trotz guter Beine nicht in die vorderen Ränge fuhr und sich 3:26 Minuten hinter Rennsieger N

02.04.2025Küng im Defektpech: “Da war viel mehr möglich“

(rsn) – Es scheint, als ob bei den belgischen Klassikern das Glück Stefan Küng (Groupama – FDJ) nicht hold sei. Immer wieder zählt der Schweizer zu den Sieg-Kandidaten, immer wieder wird er ge

02.04.2025Grandios verzockt: Visma scheitert an eigener Taktik

(rsn) - Visma - Lease a Bike konnte zum ersten Mal in dieser Klassikersaison einem Rennen seinen Stempel aufdrücken. Mit gleich vier Mann attackierte das Team 71 Kilometer vor dem Ziel und wenig spä

02.04.2025Highlight-Video des 79. Dwars door Vlaanderen

(rsn) – Neilson Powless (EF Education – EasyPost) hat mit einem Husarenstück das 79. Dwars door Vlaanderen (1.UWT) für sich entschieden. Der 28-jährige US-Amerikaner ließ nach 184,2 Kilometern

02.04.2025Longo Borghini nimmt in Waregem Revanche für Sanremo

(rsn) – Elisa Longo Borghini (UAE Team ADQ) hat mit einem Solo von rund 25 Kilometern erstmals in ihrer Karriere Dwars door Vlaanderen (1.Pro) der Frauen für sich entschieden. Die Italienische Meis

02.04.2025Powless fügt Visma in Waregem eine Schmach zu

(rsn) - Im Siegerinterview kam Neilson Powless (EF Education-EasyPost) aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Denn Siegchancen schienen der US-Amerikaner im Finale der 79. Ausgabe von Dwars door Vlaandere

02.04.2025Walscheid: “Sprint um Platz sechs wäre super“

(rsn) – Bei seinen bisherigen vier Teilnahmen an Dwars door Vlaanderen war Max Walscheid (Jayco – AlUla) als Helfer für seine (Sprint-)Kapitäne unterwegs. An den Start der 79. Ausgabe des flämi

02.04.2025Steimle: Noch drei Chancen auf ein Klassiker-Ergebnis

(rsn) – Im vergangenen Frühjahr hatte Jannik Steimle als von Q36.5 neu verpflichteter Klassikerkapitän meist freie Fahrt und wusste seine Chance unter anderem mit dem Sieg beim GP De Denain zu nut

02.04.2025Ex-Profi Wallays beginnt 15.000-km-Charity-Fahrt für Krebs-Stiftung

(rsn) – Zehn Jahre nach seinem Sieg bei Dwars door Vlaanderen und am 28. Geburtstag seines vor sechs Jahren tödlich verunglückten Teamkollegen Bjorg Lambrecht macht sich am Mittwoch Ex-Profi Jelle

02.04.2025Die Aufgebote für die 109. Flandern-Rundfahrt

(rsn) – Mit der Flandern-Rundfahrt (1.UWT) steht am Sonntag der Höhepunkt der flämischen Klassikerwochen an. Die 109. Ausgabe der “Ronde“ führt über 269 Kilometer Wochenende von Brügge nach

02.04.2025Van Aert mit Bestzeiten auf Dwars-Door-Vlaanderen-Strecke

(rsn) - Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) hat in der bisherigen Klassikersaison noch keine Bäume ausgerissen. Doch für Dwars door Vlaanderen scheint der Belgier bereit zu sein. Wie auf Strava z

02.04.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum RSN-Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Dwars door Vlaanderen (1.UWT, BEL)
  • Radrennen Männer

  • Paris - Camembert (1.1, FRA)
  • Tour of Hellas (2.1, GRE)