Wagners Tour-Tagebuch

Démare hätte auch eins auf den Deckel bekommen müssen!

Von Robert Wagner und Sebastian Paddags

Foto zu dem Text "Démare hätte auch eins auf den Deckel bekommen müssen! "
Robert Wagner (LottoNL-Jumbo) | Foto: Cor Vos

05.07.2017  |  (rsn) - Greipel - Kristoff - Bouhanni - Sagan - Démare - Cavendish… So lautet an der 300m-Marke die Reihenfolge der letzten "Überlebenden“ im Schlagabtausch um den Etappensieg der 4. Etappe. Einen Wimpernschlag später überschlagen sich die Ereignisse - und das im wahrsten Sinne des Wortes!

Kristoff eröffnet die Show und latscht mit Bouhanni am Hinterrad voll an. Zunächst zerrt er vorbei an Greipel, der jetzt auch den Turbo zündet und in Kristoffs Windschatten will. Drei Tritte später knallt von hinten Démare rechts an der Reihe vorbei und will auch an die Spitze. Selbiges plant aber Bouhanni und geht dabei zunächst mal mit Greipels Schulter auf Tuchfühlung. Greipel zerreißt es bei diesem Tête-à-Tête fast gänzlich die Karre und der Gorilla kann nur mit Mühe sein Rad auf Kurs halten. Démare kommt währenddessen bei der ganzen Aktion mit so viel Zunder von hinten, dass hinter Kristoff plötzlich Greipel, Bouhanni und Démare fast auf einer Höhe fahrend den Lenker auf und zu biegen.

Um nun aber wiederum diese Dreier-Combo zu umschiffen, muss Sagan folglich auch nach ganz rechts, kann aber dabei natürlich Cavendish nicht kommen sehen. Cavendish seines Zeichens knallt demnach auch noch mit zunehmendem Schwung von schräg hinten relativ unvorteilhaft in Sagan hinein, so dass diesem gar nichts anderes übrig bleibt, als sein Gleichgewicht wiederfinden zu müssen und dabei reflexartig mit dem Ellenbogen nach rechts außen zu schlackern.

Cavendish selbst zerlegt es jenem Augenblick bereits längst nach allen Regeln der Kunst an der Bande und der Sagan'sche Ellenbogen ist für die nun folgende Karambolage, in der sich auch die von hinten kommenden Degenkolb und Swift noch überschlagen, tatsächlich gar nicht mehr ausschlaggebend.

In dem Moment, in dem es Cavendish zerstört, muss aber on top auch Bouhanni wiederum ums „Überleben“ kämpfen, denn Démare schmettert plötzlich so akut von ganz rechts nach links in die Straßenmitte, dass er dabei Bouhanni komplett "übers Vorderrad“ fährt. Normalerweise müsste Bouhanni bei diesem Move stürzen - und wäre das passiert, dann wäre DAS definitiv ein Grund für eine Disqualifikation.

Wir halten also fest: Wenn einer heute ohne Feindkontakt gesprintet ist, dann der Katusha-Alex aus Norwegen!

…Soweit die Meinung von Paddi, der sich das Spektakel in aller „Ruhe“ im TV ansehen konnte.

Wagi hingegen hat von diesem "Hass-Sprint“ heute nichts mitbekommen, da er selbst zu dem Zeitpunkt bereits mit einem komplett geschrotteten Hinterrad (siehe Foto) rund 1,2 Kilometer vor dem Zielstrich unfreiwillig geparkt hatte.

"Dass ich mich da nicht auf's Maul gelegt habe, ist eigentlich nicht möglich. Ich muss in dem Moment wahrscheinlich alle Schutzengel dieser Welt auf meinen Schultern gehabt haben! Und das Schlimmste ist, dass ich zu dem Zeitpunkt eigentlich noch so richtig geile Beine gehabt habe. Wir waren als Team noch sehr gut zusammen und lagen in aussichtsreicher Ausgangsposition für den Sprint. Schöne Sch…..!!!!

Die Etappe selbst war heute auch deutlich angenehmer als gestern, wenn auch die letzte Stunde wieder "reiner Selbstmord“ war. Im Prinzip kannst Du in solchen Situationen den Wecker danach stellen, dass es irgendwann zwangsläufig so richtig knallt. Krank, dass man eigentlich nur darauf wartet. Und so kam es ja dann auch!

Vor der letzten Rennstunde war es ein Renntag, an dem man auch endlich mal wieder Zeit hatte, sich mit den anderen Jungs zu unterhalten und somit weiß ich nun auch, das Tony Martin ein geheimer Fan unseres kleinen Tour-Blogs hier ist. Schön! Und auch für Dich, Tony, gilt natürlich, dass Du uns bei Fragen gerne schreiben darfst…

Der Tagesbeginn war heute sogar so ulkig, dass in dem Moment, als bei KM 0 Guillaume Van Keirsbulck losfährt, niemand Bock hat, ihn zu begleiten. Selbst die Animationsversuche einiger engagierter Rennfahrer verliefen komplett im Sande und ihm wurde sogar noch "Viel Spaß“ hinterher gerufen… Folglich hatte Guillaume also heute mal schön 190 Kilometer Zeit nur für sich, herrlich! Den Sponsor sollte das natürlich gefreut haben - vier Stunden TV Werbung vom Allerfeinsten, was willste mehr? Den Preis für den kämpferischsten Fahrer hat er sich also redlich verdient.

Bemerken sollte man dabei vielleicht auch noch, dass Thomas De Gendt (Lotto Soudal) und Julien Vermote (Quick-Step) heute fast im Alleingang sieben von den knapp 13 Minuten Rückstand des Feldes zugeballert sind. Und wie! Da ging ein regelrechter Ruck durch das Feld und es kam wirklich vermehrt die Frage auf, was denn nun los sei?! Ich selbst dachte schon, ich hätte das Finale verpennt!

Meine Meinung zu dem Schlamassel im Zielsprint von heute ist nun diese: Direkt nach dem Rennen und im Angesicht des Adrenalins und des Laktats ist es natürlich immer leicht, Vorfälle zu verurteilen. Wenn man sich jedoch nach dem Rennen mit etwas Abstand und weniger Hunger die vielen Videobilder ansieht - von denen ich übrigens total begeistert bin: Was die alles einfangen können -, dann sollte man wohl doch erkennen, dass der Jury-Entscheid nicht den Tatsachen entspricht. Auch wenn ein Peter Sagan sich teilweise im Feld wirklich etwas rüpelhaft bewegt und das natürlich nicht immer auf Gegenliebe stößt, so ist die komplette Disqualifikation überzogen. Und im Prinzip hätte Démare auch eins auf den Deckel bekommen müssen!

All das hilft den gestürzten Fahrern nun leider nicht und ich hoffe, dass zumindest Cav nicht auch noch raus ist (das Tagebuch wurde am Abend vor der Diagnose geschrieben, d.Red.). Den Briten in Kombination mit Bernie Eisel brauchen wir nämlich später noch ganz dringend im Gruppetto - das sollte man nicht unterschätzen!

Für morgen habe ich mir heute schon mal vorsorglich ein 30-er Ritzelpaket montieren lassen, denn der Schlussanstieg ist mit teilweise 18 Prozent absolut garstig - oder auch ugly, wie wir zu sagen pflegen! Fabian Cancellara wurde zu dieser „Planche de Belles Filles“, der "Planke der hübschen Mädchen“ mal etwas gefragt… In seiner Antwort sagte er, dass das an jenem Tag für ihn eher die "Planche des Mal Jambes“ war - die "Planke der schweren Beine.“ Na ich freue mich jetzt schon…

By the way noch ein Fun-Fact zum Abschluss: "Titi Voeckler“ fuhr heute auf einem anderen Teamrad als dem gestrigen - aber auch da war nur ein Flaschenhalter dran. Der Kerl zieht das also wirklich durch. Verrückt!"

Morgen geht der Wahnsinn weiter.
Euer Wagi feat. Paddi

PS: Solltet Ihr Fragen, Wünsche, Anregungen oder sonstige erheiternde Beiträge haben, sind wir natürlich gerne für Euch da! Schreibt uns an: sebastian.paddags@yahoo.de

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

24.07.2017Etappensieg für Dylan!

(rsn) - Hallo liebe Gemeinde, wenn Ihr das Finale der letzten Etappe am gestrigen Abend mitverfolgt habt, ist Euch sicherlich nicht entgangen, dass der Traum: "Etappensieg für Dylan“ nun wirklich a

23.07.2017Vier Typen im Verfolgungsmodus an der Wand von Marseille

(rsn) - Marseille, eine Stadt, die in meiner sportlichen Laufbahn noch nicht allzu oft in Erscheinung getreten ist und somit eine Stadt, die mich heute sehr positiv überrascht hat. Bereits beim War

22.07.2017Eine arbeitnehmerfreundliche Sportaktivität

(rsn) - Du weißt, dass Du es nun beinahe geschafft hast, wenn "der Dicke“ Dich am Telefon mit den Worten "Gratu! Wenn Du Dich jetzt nicht noch völlig behindert anstellst, dann sollte ja Paris für

21.07.2017Gar nicht mal so lahm für einen "Ruhetag"

(rsn) - Sollte der Sportsfreund Thomas "The Duracell Hase“ De Gendt am Sonntag in Paris NICHT die rote Nummer für den angriffslustigsten Fahrer gewinnen, dann läuft irgendwas falsch - und zwar gew

20.07.2017Champagner - Rogla holt den Etappensieg für unser Team!

(rsn) - Hallo Freunde. Der Mittwoch brachte wirklich mehr als eine akute Reizüberflutung mit sich. Ich fange am besten mal ganz vorne an, denn dann laufe ich nicht Gefahr, irgendwas zu vergesse

18.07.2017Ein Ruhetag zur rechten Zeit

(rsn) - So ein Ruhetag zur rechten Zeit ist doch was Feines! Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und wir sind in St. Etienne. Es ist wirklich schön hier, und wenn ich nicht noch eine komplette

17.07.2017Gesichtslähmung dank "Google Maps"

(rsn) - Heute weiß ich schon wieder gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich liege hier grade auf dem Rückweg von der Etappe zum Hotel auf´m Boden unseres Teambusses und mache mich lang. Inzwischen ken

16.07.2017De Gendt brachte den Asphalt zum Schmelzen

(rsn) - Die Tour bleibt spannend, Froomey hat seine gelbe Trikotage zurück, Aru fährt nun wieder als "Italiener“ durch Frankreich, und dieses Finale heute (Samstag) war auf jeden Fall mal wieder s

15.07.2017It´s always good to have an Eisel in the Gruppetto

(rsn) - Vorweg ein paar "angeschwitzt, knackige“ Minuten auf der Rolle. Im Hauptgang einhundert und eins "bezaubernde“ Kilometer, garniert mit drei "herausragenden“ Cols, serviert an übertrie

14.07.2017Bergfahren ist eine andere Sportart

(rsn) - Ein Blick in´s Tourbuch weckt Erinnerungen in meinem Radfahrergedächtnis. Dieses Finale kommt mir doch irgendwie bekannt vor. Waren wir da letztes Jahr bei der Tour nicht auch? Immerhin hatt

13.07.2017Tausche Salami gegen Leberwurst!

(rsn) - Hallo aus Pau. Auf die Plätze, fertig…los. Bei Kilometer 0 nehmen drei Mann, darunter natürlich einer von Wanty, ihre Beine in die Hand, fahren um ihr Leben - und einer von ihnen schafft e

12.07.2017Bak hatte Bock!

(rsn) - Etappe Numero 10 durch die Dordogne war in doppelter Hinsicht besonders. Einerseits kennen wir die Region hier wie erwähnt noch aus U23-Zeiten und andererseits war auch Paddi an diesem Dienst

Weitere Radsportnachrichten

05.11.2024Aus P&S Metalltechnik - Benotti wird Benotti - Berthold

Aus dem Team P&S Metalltechnik – Benotti wird zur kommenden Saison das Team Benotti – Berthold. Dies bestätigte Teamchef Lars Wackernagel gegenüber rsn. Wackernagel hatte zudem weitere gute Nach

05.11.2024Starke Saison brachte EM-Ticket, aber keinen Profivertrag

(rsn) – Noah Bögli (Elite Fondations) kann auf seine bisher stärkste Saison als Radsportler zurückblicken. Zahlreiche Siege bei nationalen Rennen in seiner Schweizer Heimat und in Frankreich, Tei

05.11.2024Cofidis komplett: Ourselin und Maas letzte Neuzugänge

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

05.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

05.11.2024Tour-Etappensiegerin Kerbaol verlässt Ceratizit - WNT vorzeitig

(rsn) - Cédrine Kerbaol wird in der kommenden Saison nicht mehr im Trikot von Ceratizit – WNT unterwegs sein. Die 23-jährige Französin nutzte eine Klausel des UCI-Reglements, wonach Fahrer und Fa

05.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

05.11.2024200 Millionen Euro Ablösesumme für Großverdiener Pogacar?

(rsn) – Ende Oktober einigten sich Tadej Pogacar und sein UAE Team Emirates auf die vorzeitige Verlängerung seines damals noch bis Ende 2027 gültigen Vertrags. Die neue Vereinbarung umfasst nun ei

05.11.2024Aarau und Piuro weitere Etappenorte der Tour de Suisse

(rsn) – Bereits mehr als sieben Monate vor dem Start der Tour de Suisse 2025 ist der Etappenplan der am 15. Juni in Küssnacht beginnenden 88. Ausgabe der Schweizer Landesrundfahrt fast komplett. W

05.11.2024Sagans ehemaliger Teamkollege Vysocan positiv auf CERA

(rsn) - Daniel Vysocan ist vom Radsportweltverband UCI vorläufig suspendiert worden. Der 20-jährige Tscheche wurde nach Angaben der UCI bei einem Dopingtest am 25. September positiv auf das Blutdopi

05.11.2024Vollerings neues Team hat langfristige Planungssicherheit

(rsn) - Die Equipe FDJ - Suez kann langfristig planen. Wie der ambitionierte französische Frauen-Rennstall bekannt gab, habe man sich mit den beiden Namenssponsoren auf Vertragsverlängerungen bis je

05.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

05.11.2024Tod der Mutter verdrängte sportliche Erfolge in den Hintergrund

(rsn) – Hinter Anton Albrecht (P&S Metalltechnik – Benotti) liegt ein schwieriges Jahr. Im Saisonverlauf wusste er zu überzeugen und sich etwa mit einem zweiten Etappenrang bei Belgrade Banjaluka

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine